Im August hat der russische Präsident Wladimir Putin die Prämien für neue Soldat:innen deutlich erhöht. Ziel war es, mehr Rekrut:innen für den Krieg zu gewinnen. Mittlerweile bekommen die Anfänger:innen eine Pauschalzahlung von 400.000 Rubel (etwa 3700 Euro).
Aus Haushaltsberichten geht hervor, dass Russland zwischen Anfang des Jahres und dem 1. Oktober 48,56 Milliarden Rubel (450,1 Millionen Euro) für einmalige Antrittsprämien ausgegeben hat. Damit will der Kreml eine umfassende Mobilisierung vermeiden.
Berechnungen des unabhängigen russischen Mediums "meduza" zufolge reicht die Prämie allerdings nicht aus, um genügend Nachschub zu bekommen. Mithilfe von Schlussfolgerungen aus den Ausgaben für die Prämien und früheren Recherchen schätzt das Portal, dass das russische Militär täglich zwischen 500 und 600 neuen Verträgen mit Rekrut:innen schließt.
Gleichzeitig hätte das Land täglich zwischen 600 und 750 Verluste auf dem Schlachtfeld, darunter 200 bis 250 Todesopfer. Es gibt also nicht genug Rekrut:innen, um die Verluste auszugleichen. Die Zahlen können nicht offiziell überprüft werden, da Russland seine Opferzahlen nicht bekannt gibt.
Wenn die Berechnungen zutreffen, deuten sie auf einen Wendepunkt hin. Denn bislang konnte Russland seine Verluste beim Angriffskrieg in der Ukraine kompensieren. So könnte das Land laut "meduza" bald nicht mehr mit Freiwilligen auskommen, sondern müsste eine begrenzte "verdeckte" Mobilisierung starten.
Nach der großzügigsten Schätzung hätte Russland im dritten Quartal 2024 maximal 82.000 neue Verträge abschließen können. Im zweiten Quartal waren es noch 93.000. Die für Russland ungünstigste Schätzung geht von nur 49.000 neuen Verträgen im dritten Quartal aus. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Klar ist, dass die russische Armee nicht in der Lage ist, Reserven aufzubauen.
In den letzten Monaten sind die russischen Streitkräfte besonders intensiv in der Ostukraine vorgerückt. Dafür bezahlte Russland mit Rekordverlusten. Aber auch die Ukraine hat große Schwierigkeiten, ihre Verluste auszugleichen.
Das Land geht davon aus, etwa 160.000 zusätzliche Kämpfer:innen zu benötigen. Die US-Regierung geht von einer noch höheren Zahl aus. Erst kürzlich forderte die US-Regierung deshalb von der Ukraine, das Wehrpflichtalter von 25 auf 18 zu senken. Das Land arbeitet gerade selbst an der Ausrüstung von 14 Brigaden, also etwa 60.000 Kämpfern. Das erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Sommer. Diese Maßnahme allein reicht allerdings nicht, um den Mangel zu überwinden.
Wie gut die beiden Länder ihre Verluste kompensieren können, könnte auch eine wichtige Rolle bei Friedensverhandlungen spielen. Die Rufe nach solchen Verhandlungen werden in den Hauptstädten der Welt immer lauter.