Sergej Mardan ist einer von Russlands bekanntesten Propagandisten.Bild: Screenshot/watson / Mardan
Russland
Nicht erst seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine ist kremlnahe Propaganda in Russland üblich. Presse- oder Meinungsfreiheit ist in dem Land bereits länger reine Utopie.
Doch seit der Invasion gehen russische Behörden immer härter gegen Menschen vor, die es wagen, ihre Meinung öffentlich kundzutun. Ob offen oder verdeckt: Die meisten Menschen werden zum Schweigen gebracht. Das zeigt sich unter anderem auch durch mysteriöse Todesfälle von russischen Oligarchen, die seit 2022 zugenommen haben.
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Doch offenbar traut sich die russische Elite neuerdings immer häufiger, die Führung zu kritisieren – auch wenn die getätigten Aussagen im nächsten Satz wieder relativiert werden.
Das jüngste Beispiel ist einer der bekanntesten russischen Propagandist:innen: Sergej Mardan.
Nach dem Aufstand der Wagner-Gruppe reißen die Spekulationen in dem Land nicht ab. Was war wirklich der Plan des Söldner-Chefs Jewgeni Prigoschin? Wo hält er sich gerade auf? Wird er seine Meuterei überleben oder stirbt er, wie viele andere vor ihm, einen mysteriösen, aber "natürlichen" Tod?
Sergej Mardan spekuliert allerdings in eine andere Richtung. Er ist offenbar der Ansicht, dass die russische Führung dem Volk nicht die ganze Wahrheit über den Aufstand der Söldner erzählt. Und darüber, welche Auswirkungen der Marsch auf Moskau weltpolitisch hatte.
Putins Propagandist Mardan stellt gefährliche Frage
Grund für seine Spekulation: Angaben der russischen Zentralbank zu den Folgen für den Rubel-Kurs.
In seiner Show sagte er:
"Heute haben einige sehr wichtige Beamte alle möglichen Erklärungen zu den Ereignissen der letzten Tage abgegeben. Und ich habe, offen gesagt, das Gefühl, dass wir entweder für Idioten gehalten werden, oder dass jemand sogar zu faul ist, etwas Angemessenes zu formulieren."
Als Beispiel nennt er den Kommentar der Zentralbank zu den Auswirkungen des Wagner-Aufstandes.
Wörtlich sagt Mardan:
"Die Zentralbank sagt, dass die Auswirkungen dieses Marsches, bei dem alle Menschen 24 Stunden lang in einem völligen Koma saßen, weil sie nicht wussten, was als Nächstes passieren wird, keine Auswirkungen auf den Dollar oder den Rubel hatten. Wie ist das zu verstehen? Können Sie das glauben?"
Fakt ist: Zwar ist der Wagner-Aufstand nicht allein für den aktuellen Wertverlust des Rubels verantwortlich, doch er hatte definitiv Einfluss darauf.
Putin will Prigoschins Aufstand kleinreden
Doch allein die Frage zu stellen, ob diese Aussage glaubwürdig ist, könnte den Kreml und vor allem den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Palme bringen. Tut er doch zurzeit sein Bestes, den Aufstand so klein wie nur möglich zu reden und sämtliche Kritik, die Prigoschin angebracht hat, als sinnfrei zu delegitimieren.
Und dass diese Fragestellung gefährlich sein könnte, zeigt Mardan im folgenden Satz auch sogleich. Denn er relativiert sich selbst sofort: Es sei nicht so, dass er es nicht glaubte, weil er den Dollar-Kurs am Freitag, Samstag und Sonntag, überprüft hätte, meint er. Offizielle Banken arbeiteten schließlich am Wochenende nicht und die Zentralbank hätte sich ihre Infos auch aus Telegram-Kanälen ziehen können.
Dann sagt er auch wieder: "Nichts hat sich ausgewirkt, weder Wagner hat sich ausgewirkt, noch hat die gesteuerte Abwertung den Wechselkurs beeinflusst. Der Kapitalabzug hat sich nicht ausgewirkt, der Rubelkurs liegt bei 90 und alles ist in Ordnung." Es sei, wie der Sprecher des Kreml sage: "Sowas passiert."
Was Mardan allerdings auch (zumindest indirekt) kritisiert, ist die Bezeichnung für das, was am 24. Juni in Russland geschehen ist: "Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, vor kurzem nannten sie es eine militärische Meuterei, und jetzt ist es keine militärische Meuterei."
Er spricht dabei natürlich von dem Aufstand, den Prigoschin angezettelt hatte. Kurz darauf sagt Mardan: "Lassen wir es erst einmal neutral."
Seit über 1000 Tagen herrscht bereits Krieg in der Ukraine. Und das, obwohl der russische Präsident Wladimir Putin das kleinere Nachbarland binnen weniger Tage einnehmen wollte. Nach bald drei Jahren herrscht eine enorme Kriegsmüdigkeit – nicht nur in der Ukraine.