Wie ernst es um die Lage der Ukraine bestellt ist, zeigt sich allein daran, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj nun zum dritten Mal in weniger als einem Jahr den Kommandeur in der ostukrainischen Stadt Pokrowsk ausgetauscht hat.
Am Sonntagabend erklärte Selenskyj, er habe den neuen Kommandeur der ukrainischen Bodentruppen, Generalmajor Mychailo Drapatyj, mit der Leitung der operativ-strategischen Gruppe Chortyzja beauftragt, deren Verantwortungsbereich einen Großteil der Ostfront der Ukraine umfasse. Dies seien "die härtesten Kampfgebiete".
Neben militärischem Material mangelt es der Ukraine bei der Verteidigung gegen den russischen Aggressor aktuell vor allem an Bodentruppen. Deswegen greift das ukrainische Militärkommando zu einem drastischen Schritt.
Wie der "Kyiv Independent" unter Berufung auf mehrere Soldaten berichtet, wird hochqualifiziertes Personal der Luftwaffe in die Infanterie versetzt. Ein Offizier bestätigte, dass die Versetzungen aufgrund der schlechten Mobilisierungsergebnisse fortgesetzt würden – obwohl das Bekanntwerden solcher Pläne zu Beginn des Jahres bereits zu landesweiter Empörung geführt hatte.
Ein ranghoher Offizier der Luftwaffe sagte Mitte Januar, die Versetzung hätten ein "kritisches Niveau" erreicht. Die Personalstärke der Einheiten sei auf 50 Prozent gesunken.
Selenskyj wies den Befehlshaber der ukrainischen Luftstreitkräfte daraufhin an, dafür zu sorgen, dass die Luftwaffe die erforderliche Personalstärke beibehält, und auf die Bedenken der Öffentlichkeit hinsichtlich der Verlegungen zu den Bodentruppen einzugehen. Offenbar ist dem nicht nachgegangen worden.
Solche Versetzungen können sich "nachteilig auswirken“, zitiert der "Kyiv Independent" nun einen Offizier. Angehörige der Luftwaffe kritisieren den "verschwendeten" Verlust an Expertise, wenn erfahrene Techniker und Spezialisten ohne ausreichende Vorbereitung in Kampfrollen eingesetzt werden – sowohl in der Verteidigung als auch in der Logistik.
Berichten zufolge sind die Verluste unter den versetzten Soldaten sehr hoch, was zudem Fragen zur Effizienz und Ethik dieser Praxis aufwirft.
Militärführer argumentieren wiederum, dass bestimmte Einheiten der Luftwaffe, deren Aufgaben zunehmend automatisiert werden, an der Front sinnvoller eingesetzt werden könnten.
Aufgrund erheblicher Verluste an der Front, insbesondere in der stark umkämpften Region Donezk, sehen sich die ukrainischen Streitkräfte gezwungen, Personal aus anderen Bereichen in die Infanterie zu verlegen. Wobei offensichtlich nicht vermieden werden kann, dass andere militärstrategische Bereiche darunter leiden.