Hat Robert F. Kennedy Jr. für die nächste große Wendung im US-Wahlkampf gesorgt? Nach monatelanger Kritik an Präsident Joe Biden und einem Attentat auf Republikaner-Kandidat Donald Trump sah es zunächst nach einem klaren Sieg bei der US-Wahl im November aus. Dann zog sich Biden zurück und hievte stattdessen seine Vizepräsidentin Kamala Harris auf den Posten als Kandidatin für die kommende Wahl.
Harris entfachte im Nu einen regelrechten Hype und drehte die Umfragen deutlich zu ihren Gunsten. Donald Trump sah in den vergangenen Wochen alt aus und fand auf Harris' neue Beliebtheit keine Antwort.
Jetzt hat der parteilose Kandidat Robert F. Kennedy, Neffe des ehemaligen Präsidenten John F. Kennedy, seinen Rückzug aus dem Rennen ums Weiße Haus erklärt – und ausdrücklich seine Unterstützung für Trump bekundet.
Reißen beide zusammen nun ein weiteres Mal das Ruder im Wahlkampf herum?
Zunächst kündigte Kennedy an, er werde sich in einigen Bundesstaaten, darunter viele Swing States, von den Wahllisten streichen lassen. Das erklärte der 70-Jährige bei einem Auftritt in Arizona. Wenige Stunden später stand er in dem Bundesstaat auf einer anderen Wahlkampf-Bühne – der von Donald Trump.
Beide umarmten sich, die Menge feierte Kennedy. Seine Entscheidung könnte Trump im Rennen gegen die demokratische Kandidatin Kamala Harris bei der Wahl im November einen Vorteil verschaffen – die Frage ist nur, wie groß dieser ist.
Kennedy, der in den vergangenen Jahren vor allem mit Verschwörungstheorien auffiel, hatte lange Zeit eine stabile Wählerbasis in den Umfragen zur Präsidentschaftswahl. Das änderte sich, nachdem sich Biden zurückzog und Harris Kandidatin für die Demokraten wurde. Expert:innen glauben, das liege auch daran, dass Harris viele Kennedy-Fans für sich gewinnen konnte.
"Als es um Biden gegen Trump ging, suchten die Leute nach einer dritten Option", erklärte Merrill Matthews, ein Wissenschaftler des konservativen Institute for Policy Innovation, gegenüber der BBC. Mit Kamala Harris Nominierung habe sich dieser Effekt für Kennedy geändert und viele seien auf ihre Seite gewechselt.
Doch das Wählerpotenzial der eher liberalen Kennedy-Anhänger:innen könnte sich bereits erschöpft haben, wodurch sein Rückzug eher den Republikanern nützt. Auch Matthews glaubt daher, Trump werde einen "kleinen Schub" erleben.
Auch andere Expert:innen gehen von einem "kleinen Vorteil" aus, wie etwa Politikwissenschaftler Nick Beauchamp gegenüber den "Northeastern Global News" äußerte. Doch dürfte dieser "kleine" Schub oder Vorteil einen Unterschied machen?
"Es ist eine sehr große Sache, weil wir über eine Wahl sprechen, die durch Zentimeter auf der Wahlkarte entschieden wird", meinte dazu Politikanalyst und Republikaner-Stratege Ford O'Connell gegenüber dem Politik-Portal "The Hill".
Wenngleich O'Connell natürlich durch seine Anstellung bei den Republikanern befangen ist, hat er einen Punkt. Kennedys Entscheidung wird wegen des komplexen US-Wahlsystems eine besondere Bedeutung zugemessen. Ein kleiner Stimmenzuwachs kann einen riesigen Vorteil bedeuten.
Entscheidend für einen Sieg bei der Wahl ist die Anzahl der Wahlleute, die die Kandidat:innen auf sich vereinen können. Wer in einem Staat die meisten Stimmen der Wähler:innen bekommt, erhält alle Wahlleute dieses Staates. Und deren Anzahl richtet sich ungefähr nach der Bevölkerungsgröße.
Dadurch kann auch ein ganz knapper Sieg in einigen Staaten – etwa herbeigeführt durch ein paar von Kennedy zu Trump oder Harris übergelaufene Wähler:innenstimmen – zum Gewinn übermäßig vieler Wahlleute führen.
Andersherum kann Kennedys Support für Trump dem Ex-Präsidenten auch schaden. Kennedy teilte in der Vergangenheit Verschwörungserzählungen, die Coronapandemie habe etwa Juden und Chinesen bevorteilt, WLAN würde zu Krebs führen und Antidepressiva seien an Schulmassakern schuld.
Das bietet viel Angriffsfläche, die in die neue Strategie von Harris und Vizekandidat Tim Walz passt. Diese sind nämlich gerade sehr erfolgreich damit, die Republikaner als "weird" zu kennzeichnen. Das mag zwar nicht kreativ sein, ist aber anschlussfähig für viele Leute.
So titelte eine laut BBC von den Demokraten finanzierte Zeitung am Rande deren Parteitags bereits: "Kennedy is weird."
(mit Material der dpa)