Joe Biden kandidiert nicht erneut für das Amt des US-Präsidenten: Diese Nachricht beschäftigt seit Sonntag die Welt. Bereits seit Wochen war sein Rückzug aus dem US-Präsidentschaftsrennen gefordert worden. Nicht nur vm Ex-US-Präsidenten und seinem Kontrahenten, dem Republikaner Donald Trump – seit Kurzem auch von Stimmen seiner eigenen Partei. Mehrere ranghohe Mitglieder der Demokraten sollen intensive Gespräche mit dem 81-Jährigen geführt haben.
Was – oder wer – Biden schlussendlich zu seinem Rückzug bewegt hat, ist derzeit nicht bekannt. Fest steht jedoch: Er und viele prominente Stimmen aus der Partei stellen sich geschlossen hinter die derzeitige Vize-Präsidentin Kamala Harris.
Sie könnte damit – sollte sie offiziell nominiert werden – die erste weibliche US-Präsidentin in der Geschichte der USA werden. Doch wer ist sie eigentlich?
"Ich bin bereit, zu dienen. Daran gibt es keinen Zweifel. Jeder, der mich bei der Arbeit sieht, ist sich meiner Führungsqualitäten voll bewusst" – das sagte Harris im Februar zu einem möglichen Szenario, das Amt von Präsident Joe Biden zu übernehmen.
Nun könnte es Wirklichkeit werden. Ob sie damals tatsächlich bereits damit gerechnet hatte? Das weiß wohl nur sie selbst.
Die heute 59-jährige Harris wurde am 20. Oktober 1964 in Oakland in Kalifornien geboren, wo sie in einer afroamerikanischen Community aufwuchs. Ihr Vater war aus Jamaika in die USA eingewandert, um Wirtschaft zu studieren. Ihre Mutter – eine Krebsforscherin und Bürgerrechtlerin – kam aus Indien. Harris sagt immer wieder über sie, dass sie den größten Einfluss auf ihr Leben gehabt habe.
Kamala Harris hat eine jüngere Schwester, die als Anwältin und als politische Analystin im Fernsehen arbeitet. Zudem leitete diese den Wahlkampf, als Harris 2020 als Vizepräsidentin kandidierte.
Ihre Mutter schob die beiden schon im Kinderwagen durch Bürgerrechtsdemonstrationen, zog ihre Töchter als "stolze schwarze Mädchen" auf.
Ihren Mann lernte Harris erst spät kennen. Eine Freundin arrangierte 2013 ein Blind Date zwischen Douglas Emhoff und ihr in Kalifornien, wo sie damals lebten. Im Jahr darauf heirateten sie. Gemeinsame Kinder haben sie nicht.
Emhoff hat zwei erwachsene Kinder aus erster Ehe: Cole und Ella. Sie nennen Harris "Momala". Emhoff wurde als erster Mann zum "Second Gentleman" in den USA. Womöglich könnte er zum "First Gentleman" aufrücken, auch das wäre ein Novum.
Im Laufe ihrer Karriere war Harris gleich mehrmals die Erste: Nach ihrem Studium in Washington und in Kalifornien wurde sie erste Schwarze Bezirksstaatsanwältin von San Francisco. Ab 2010 hatte sie als erste Frau den Posten der Justizministerin in ihrem Heimat-Bundesstaat inne. Ihr teils tougher Law-and-Order-Kurs damals ging manchen in der Partei zu weit.
2013 lobte der Ex-US-Präsident Barack Obama sie als brillante und zähe Juristin – und hat sie als die mit Abstand am besten aussehende Generalstaatsanwältin bezeichnet. Obama handelte sich dadurch den Vorwurf des Sexismus ein.
In den US-Senat zog sie 2017 als erste Schwarze ein, die Kalifornien repräsentierte – und sie war erst die zweite in der Parlamentskammer überhaupt. Wenige Tage später wurde Donald Trump als US-Präsident vereidigt.
2021 wurde Harris sowohl zur ersten Frau als auch zur ersten Schwarzen im US-Vizepräsidentenamt. Zudem ist es auch ein Novum für die USA, eine Amerikanerin mit asiatischen Wurzeln in diesem Amt zu haben.
An ihre Erfolge aus den vergangenen Jahren konnte Harris als Vize jedoch nicht unbedingt anknüpfen. Sie war wenig präsent. Als Biden erstmals mit zahlreichen Aussetzern für Schlagzeilen sorgte, fragte man sich: Wo ist eigentlich Harris?
Seit ihrer Kindheit gehört Harris als dunkelhäutige Frau in den USA einer Minderheit an. Dadurch lernte sie früh, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und für sich und andere starkzumachen.
In ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin setzt sich Harris verstärkt für Frauenrechte ein. 2020 hat sie das Thema auch in ihrer Siegrede integriert:
Harris kritisierte etwa scharf, dass der Oberste Gerichtshof im Sommer 2022 das Grundrecht von Frauen auf einen Schwangerschaftsabbruch aufgehoben hatte.
Auch Polizeigewalt gegen dunkelhäutige Personen und den Rechtsrutsch des Obersten Gerichtshofs thematisiert sie oft. Harris setzt sich politisch für eine bessere Gesundheitsversorgung und für LGBTQI+-Rechte ein und kämpft gegen soziale Ungleichheit.
Zu Beginn ihrer Vize-Präsidentschaft brachte Biden sie als "furchtlose Kämpferin" in Position. In seiner Verkündung seines Rückzugs aus dem Präsidentschaftsrennen richtete Biden ebenfalls warme Worte an seine Vize und damalige "Running Mate":
Donald Trump hingegen bezeichnete Harris 2020 als "fies" und "Monster", Republikaner sprachen ihren Vornamen absichtlich falsch aus und machten sich über sie lustig. Der damalige Präsident verbreitete zwischenzeitlich sogar die Verschwörungstheorie, Harris dürfe als Tochter von Einwander:innen nicht Vizepräsidentin werden.
In einem Telefonat mit dem Nachrichtensender CNN soll Trump gesagt haben, dass Biden der "mit Abstand schlechteste Präsident in der Geschichte unseres Landes" ist. Die von Biden vorgeschlagene Ersatzkandidatin und Vizepräsidentin Kamala Harris sei hingegen noch leichter zu besiegen als Biden selbst. Das denkt zumindest Trump. Expert:innen sehen das jedoch jetzt schon anders – und rechnen Harris keine schlechten Chancen aus.
(Mit Material von dpa/afp)