Sie kann kaum sprechen, das Gesicht ist verzerrt und mit Tränen bedeckt. Mit lautem Schluchzen legt die Frau ihren Kopf auf ihre Arme. Eine Wintermütze und dicke Handschuhe sollen sie warm halten. Sie ist umgeben von anderen Menschen, Gepäck liegt auf dem Boden. Mehrere Leute filmen die Szene mit ihren Handys.
Das Video der aufgewühlten Frau geht kurz nach dem Amtsantritt von Donald Trump auf Social Media viral. Laut dem US-Journalisten Aarón Torres heißt sie Margelis Tinoco. Als Migrantin erfährt sie auf der mexikanischen Seite des Grenzübergangs Ciudad Juárez, dass die App "CBP One" offline gegangen ist.
Die vorangehende Regierung unter Joe Biden führte "CBP One" ein, mit der Migrant:innen Termine und Anhörungen an der Grenze zwischen den USA und Mexiko vereinbaren konnten. Mit der Abschaltung der App durch Trump hat sich auch der lang geplante Termin von Tinoco in Luft aufgelöst.
In einem weiteren Video, das der US-Journalist Torres auf der Plattform X teilt, ruft die 48-jährige Migrantin ihre Familie und Freunde an. Sie teilt ihnen mit, dass ihr "CBP One"-Termin abgesagt wurde. "Was wirst du tun?", fragt sie jemand. "Das frage ich mich auch“, sagt sie.
Ihr Schicksal teilen an diesem Tag viele Migrant:innen. Etwa eine Familie aus Kuba, über die die "Washington Post" berichtet.
Ridel Jiménez erreichte demnach am Montagmorgen die Grenzbrücke nach Texas mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter. Ihre Hoffnung: in die USA einzureisen, nachdem sie aus Kuba geflohen sind. Auf diesen Moment hatten sie sechs Monate lang in Mexiko-Stadt gewartet. Am 20. Januar hätten sie ihren Termin mit den US-Einwanderungsbehörden gehabt, den sie über Bidens "CBP One"-App vereinbart hatten.
Kurz nach Trumps Vereidigung habe sich Jiménez dem Bericht zufolge bei der App einloggen wollen; doch nichts ging mehr. Auch andere Migrant:innen versuchten sich, vergebens in der App anzumelden.
"Und das nach allem, was wir getan und durchgemacht haben, um hierherzukommen", beklagt Jiménez. Hätten er und seine Familie nur wenige Stunden eher einen Termin gehabt, würde ihr Leben vielleicht heute anders aussehen.
Jiménez habe einen Freund, der in Iowa auf ihn warte. Das Paar besitze bereits einen Flug für den nächsten Tag von El Paso zu seinem Zielort. Seine Frau habe erst vor 45 Tagen per Kaiserschnitt ihr Kind zur Welt gebracht. Noch geschwächt von der Operation hält sie ihr Kind eingewickelt in einer Decke in den Armen. "Gott sei Dank weiß sie nicht, was los ist", sagt er über sein kleines Mädchen im Gespräch mit "Washington Post".
Nur wenige Minuten nach Trumps Vereidigung erhielten die Wartenden vor der Grenze Gewissheit: Sie werden nicht einreisen. Die Menschen um Jiménez und seine Frau begannen zusammenzubrechen, beschreibt die US-Zeitung den Moment vor Ort.
Demnach spielten sich kurz nach Trumps Amtsantritt verzweifelte Szenen in der mexikanischen Stadt Juárez, direkt an der Grenze zu El Paso, ab. Der neue US-Präsident Trump verspricht, "alle illegalen Einreisen" in das Land sofort zu stoppen.
Vor diesem Hintergrund schaltete die neue US-Regierung nur wenige Minuten nach Trumps Amtsantritt die "CBP One"-App ab. Laut "Hill" stornierten die Beamten der Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) im Wesentlichen alle ausstehenden Termine von Migrant:innen ohne Visum, die über legale Einreisehäfen in die USA einreisen wollten.
Trump verspricht eine knallharte Migrationspolitik, dabei ist die Migration in den vergangenen sechs Monaten deutlich zurückgegangen, schreibt "Hill".
Die "CBP One"-App sei eine Schlüsselkomponente der Bemühungen der Biden-Regierung gewesen, um Migrant:innen auf legale Weise in die USA zu bringen. Sprich, illegale Grenzübertritte sollten dadurch reduziert werden; gleichzeitig sollten Einwandernde die Möglichkeit erhalten, aus humanitären Gründen Asyl zu beantragen.
Laut "Washington Post" sind die Stornierungen der "CBP One"-Termine eine der ersten und sichtbarsten Auswirkungen von Trumps neuer Grenzpolitik. Mehr als 930.000 Menschen haben die App demnach genutzt, um Termine zu vereinbaren.
Für Jiménez und seine Familie sei klar: Eine Rückkehr nach Kuba komme in seinen Augen nicht in Frage.