Die Debatte zwischen J.D. Vance und Tim Walz ist relativ anständig abgelaufen.Bild: AP / Matt Rourke
USA
Die erste und einzige Debatte der beiden Vizepräsidentschaftskandidaten ist Geschichte. Historiker und USA-Experte Ronald D. Gerste lobt den Auftritt von J.D. Vance und Tim Walz und macht einen Vergleich mit John F. Kennedy.
Ralph Steiner / watson.ch
Was ist Ihr Eindruck von der Debatte der Vizepräsidenten?
Ronald Gerste: Sie war sehr sachlich und zivilisiert. Was den Stil betrifft, kann man fast sagen: Schade, dass die beiden nicht die richtigen Kandidaten sind, sondern nur für den Nummer-2-Job kandidieren. Von der Persönlichkeit her sind die beiden umgänglicher als Kamala Harris und Donald Trump.
Haben Sie den Stil und Ton der Debatte so erwartet?
Nun ja, sowohl Vance als auch Walz sind – anders als etwa Donald Trump – nicht die polarisierendsten Personen. Ich habe eine gesittete Debatte erwartet, sie war aber nochmals eine Spur angenehmer, als man hätte annehmen können. Das war heute schon Werbung für die amerikanische Demokratie. Jeder hat versucht, für seine Partei das Optimum herauszuholen, dies ist jedoch auf eine sehr ansprechende Art geschehen.
J.D. Vance und Tim Walz beim TV-Duell.Bild: imago / NurPhoto
Das war nicht aufgesetzt?
Nein, die beiden Typen sind so. Aber klar, beide sind Politiker und Politiker haben die Fähigkeit, nur das zu sagen, was sie sagen wollen. Das haben wir bei diversen Fragen erlebt. Wenn es unangenehm wurde, sind Vance und Walz vom Thema abgewichen. Dann wurde plötzlich von der Jugend und der Großmutter erzählt, die kein Geld für die Heizung hatte. Das ist aber Teil der Show.
Wer hat die Debatte gewonnen?
Anders als bei Donald Trump und der Geschichte, wonach Einwanderer in Ohio Katzen und Hunde essen würden, ist weder J.D. Vance noch Tim Walz ein richtiger Lapsus unterlaufen. Einmal kam Walz jedoch ins Schlingern, als es um seinen angeblichen Aufenthalt in Hongkong während der Niederschlagung der Demokratiebewegung in China ging. Auf Nachfrage der Moderatorin sagte er, dass er sich falsch ausgedrückt habe. Das war der einzige konkrete Schwachpunkt. Wenn ich ein Urteil abgeben müsste, würde ich trotzdem sagen: Das war ein sattes Unentschieden.
Zur Person
Ronald D. Gerste ist Augenarzt und Historiker. Seit vielen Jahren ist er als freier Korrespondent und Buchautor in Washington D.C. tätig. Er schreibt unter anderem für die "ZEIT" und "ZEIT Geschichte" und tritt regelmässig bei "ZDF History" auf. Zu wissenschaftlichen Themen publiziert er im "Deutschen Ärzteblatt". Gerste hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter jüngst "Amerikas Präsidentschaftswahlen" bei NZZ Libro.
Wie bereits bei der Debatte zwischen Trump und Harris gab es auch bei den Vizekandidierenden keine konkreten Antworten auf anstehende politische Herausforderungen.
Tatsächlich haben sich auch Vance und Walz diesbezüglich zurückgehalten. Allerdings sind sie ja auch die potenziellen Vizepräsidenten. Die Eigenheit der Debatte war es, dass sie nicht gegeneinander angetreten sind, sondern gegen Kamala Harris respektive Donald Trump. Die jeweilige Zielscheibe stand nicht im Studio, im Gegenteil. Vance und Walz haben sich teilweise sogar freundlich den Ball zugespielt.
Das Um-den-heißen-Brei-Reden war aber schon bemerkenswert.
Das ist in den USA üblich, aber auch in anderen Demokratien wie der Schweiz, Deutschland oder Großbritannien. Beide Kandidaten haben für diese Debatte wochenlang geübt, es ist klar, dass sie sich vor einem solchen Millionenpublikum keine Blöße geben möchten. Ich empfand die beiden Moderatorinnen grundsätzlich als sehr gut, allerdings haben sie eher zaghaft nachgehakt, wenn Vance und Walz konkreten Fragen ausgewichen sind. Das war bei der Debatte von Trump und Harris anders.
Aufgefallen ist, dass Tim Walz oft auf seine Notizen geschaut hat, J.D. Vance fast nie. Wie ist das zu werten?
Ich glaube, das ist alles etwas gefaked. Ich musste an die Mutter aller Debatten denken, die von 1960 zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon. Da hat Kennedy so getan, als würde er sich die ganze Zeit Notizen machen. Das war aber eine Taktik, um Nixon nicht permanent anschauen zu müssen. Für Walz war das sicher auch ein gutes Vorgehen. Er hat einen etwas speziellen Blick. Wenn die Kamera ihn zwei Minuten zeigt, wie er sein Gegenüber anschaut, ist das optisch nicht so schön.
Walz hat laut des TV-Experten einen speziellen Blick.Bild: imago images / jack Gruber
Walz hatte tatsächlich eine sehr ausgeprägte Mimik, ihm fielen teilweise fast die Augen aus dem Kopf.
J.D. Vance ist optisch sicher der Attraktivere, er ist aber auch 20 Jahre jünger. Er hatte im Gegensatz zu Walz auch etwas Staatsmännisches. Sein Auftritt, sein Blick in die Kamera, das war schon stark. Walz war nervöser, machte ruckartige Bewegungen und hatte teilweise diesen etwas unvorteilhaften Ausdruck. Rein optisch ist J.D. Vance sicherlich besser rübergekommen, er war von der Physiognomie her beherrschter. Walz war erkennbar der Emotionalere. Das hat sich auch in der Sprache gezeigt. Die Rhetorik war bei J.D. Vance deutlich besser. Was er gesagt hat, hat gesessen.
Was nehmen die Wähler:innen aus der anständig verlaufenen Debatte mit?
In der Vergangenheit haben sich die Debatten der Vizepräsidentschaftskandidaten nur sehr marginal auf den Wahlausgang ausgewirkt. Daran wird sich nicht viel ändern. Inhaltlich war es weitgehend ein überraschungsfreier Abend, die beiden haben das abgeliefert, was man erwarten konnte. Der große, geistreiche Einwurf kam nicht. Große Wählerwanderungen vom einen ins andere Lager sind daher unwahrscheinlich. Ich denke, dass diese Debatte für die Zuschauenden eher die Funktion hat, die eigene Haltung zu bekräftigen. Die Art und Weise, wie J.D. Vance und Tim Walz miteinander debattiert haben, wird jedoch das Vertrauen in den politischen Prozess der USA stärken.
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