Am 15. März, kurz vor 14 Uhr Ostküstenzeit, wurde es öffentlich: Die USA bombardieren Ziele der Huthi-Miliz im Jemen. Doch Jeffrey Goldberg, Chefredakteur von "The Atlantic", wusste schon zwei Stunden vorher Bescheid. Um 11.44 Uhr Ortszeit hatte ihm Verteidigungsminister Pete Hegseth versehentlich die Einsatzdetails über den Messenger Signal verraten – inklusive Zielen, eingesetzten Waffen und Zeitplan.
Goldberg war aus Versehen in eine hochsensible Chatgruppe mit rund 18 hochrangigen Regierungsmitgliedern aufgenommen worden. Dass ein Journalist unbeabsichtigt Teil eines solchen "principals committee" – also des innersten Sicherheitszirkels – wird, ist ein sicherheitspolitisches Desaster. Die Zeitschrift veröffentlichte den Chat, der einiges zutage bringt.
Es geht um Krieg, Ölpreise, Europa.
Auch die Aussagen von US-Vizepräsident JD Vance lassen aufhorchen. Er, der immerzu öffentlich mit Donald Trump auf einer Linie ist, äußert in der Gruppe Zweifel am geplanten Vorgehen.
JD Vance zeigt sich in dem geleakten Chat laut "The Atlantic" skeptisch. Während er sich offiziell stets loyal gegenüber dem Präsidenten gab, formuliert er hier überraschend kritisch: "Ich glaube, wir machen einen Fehler", schreibt Vance in die Runde. Er verweist auf mögliche negative Folgen des Angriffs auf den Jemen für die Weltwirtschaft – konkret eine mögliche Erhöhung der Ölpreise.
"Ich bin mir nicht sicher, ob der Präsident sich darüber im Klaren ist, wie widersprüchlich das zu seiner derzeitigen Botschaft über Europa ist", heißt es weiter. Vance schlägt vor, die Aktion um einen Monat zu verschieben, um die öffentliche Kommunikation vorzubereiten.
Ein ungewöhnlich offenes Statement. Es ist das erste bekannte Mal, dass Vance intern so klar von Trumps Ansicht abweicht.
Auch andere Teilnehmende der Signal-Gruppe zeigen sich uneins über das Vorgehen. Ein User namens Pete Hegseth, der Name des US-Verteidigungsministers, schreibt, dass Warten keinen Unterschied mache. Er zählt mehrere Risiken des Zögerns auf. Unter anderem lässt er verlauten: "Die Nachricht sickert durch, und wir wirken unentschlossen."
Die Diskussion im Chat zeigt: Hinter den Kulissen der US-Regierung wird nicht nur über Ziele und Zeitpläne debattiert, sondern auch über internationale Beziehungen. Ein zentrales Thema ist dabei Europa. Die Huthi-Angriffe gefährden den Schiffsverkehr im Roten Meer, vor allem durch die Nähe zum Suezkanal – eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt.
Während nur etwa 3 Prozent des US-Handels dort durchlaufen, sind es bei Europa rund 40 Prozent. Trotzdem sind es die USA, die mit ihrer Marine für Sicherheit sorgen – und damit indirekt europäische Wirtschaftsinteressen verteidigen. Für Vizepräsident JD Vance ein Unding: "Ich hasse es, Europa schon wieder aus der Patsche zu helfen", schreibt er.
Hegseth schreibt dazu: "Ich teile deine Abscheu gegenüber Europas Schmarotzertum. Es ist ERBÄRMLICH." Er betont jedoch, dass es realistisch gesehen keine andere Macht auf westlicher Seite gebe, die diese Mission übernehmen könne. Europa habe schlicht nicht die Kapazitäten, die Handelsrouten wieder zu sichern. Das Ziel sei klar: "Freiheit der Schifffahrt wiederherstellen" und "Abschreckung".
Laut mehreren Rechtsexpert:innen könnte das Verhalten der Beteiligten gegen das Spionagegesetz verstoßen, wie etwa "CBC" berichtet. Signal ist keine sichere Plattform für den Austausch derart sensibler Informationen. Zugelassen sind nur gesicherte Systeme wie JWICS oder SIPRNet, wie es in dem Bericht weiter heißt.
Besonders problematisch: Einige Nachrichten in der Gruppe waren auf Selbstlöschung nach wenigen Tagen eingestellt. Das könnte einen Verstoß gegen das US-Gesetz zur Archivierung amtlicher Dokumente darstellen.
Donald Trump selbst äußerte sich bislang ausweichend zu dem Leak. Vor Journalist:innen sagte er: "Ich weiß nichts darüber." Und für ihn sei das Magazin "The Atlantic", das den Chat geleakt hat, ein Medium, das ohnehin bald pleite gehen werde.
Dass seine engsten Berater einen Militärschlag auf einer Messaging-App vorbereiten – und sein Vizepräsident die Strategie öffentlich infrage stellt – dürfte aber kaum spurlos an ihm vorbeigehen.
Laut einem Sprecher sei Vance "voll und ganz mit der Außenpolitik des Präsidenten einverstanden". Die beiden hätten sich inzwischen über die Angelegenheit ausgetauscht – und seien sich nun "komplett einig". Ob das wirklich stimmt, darf bezweifelt werden.