Es ist ein ungewohntes Bild, als Sebastian Hotz, bekannt als El Hotzo, am Mittwochmorgen den schmalen Gang Richtung Saal B145 entlanggeht. In grauem Anzug, gerahmt von seinen Anwältinnen. Als er die zahlreichen Journalist:innen sieht, kann er sich ein breites Grinsen allerdings nicht verkneifen.
Vor rund zwei Wochen erst war bekannt geworden, dass dem Comedy-Autor wegen seines Trump-Tweets der Prozess gemacht werden soll. Zunächst lehnte das Amtsgericht Tiergarten die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Nun hat sie dieses in einen kleinen Gerichtssaal in einer Ecke verfrachtet. Obwohl das mediale Interesse – wie zu erwarten – groß ist. Oder gerade deshalb?
Die Presse war zuvor aufgefordert worden, ein Spalier zu bilden, damit der "Angeklagte" den Raum erreichen kann. Geklappt hat das nur mäßig. Sebastian Hotz muss sich gegen eine Wand aus Fernsehkameras und Mikrofonen stemmen. Seinen typischen El-Hotzo-Humor verliert er (noch) nicht. Er sei froh, dass er mal aus seiner Wohnung herauskomme, er sei schließlich arbeitslos. "Wir sehen uns in Handschellen", kommentiert er noch.
Als Richterin Andrea Wilms die Verhandlung eröffnet, merkt man ihm aber doch an: Jetzt wird es ernst. Als seine Personalien festgestellt werden und Wilms ihn nach seinem Geburtsort befragt, greift er lieber doch noch einmal zum Perso. Sicher ist sicher.
Doch unsicher muss er gar nicht sein: Wilms spricht von Anfang an freundlich zu ihm.
Der Staatsanwalt liest die Anklage vor. Was Hotz vorgeworfen wird, ist inzwischen hinlänglich bekannt: Paragraf 140 Absatz zwei Strafgesetzbuch, Billigung von Straftaten. Wegen Tweets, die er im Kontext des Attentats auf Donald Trump abgesetzt hat.
Ein Blick zurück. Am 13. Juli vergangenen Jahres, die USA waren gerade mitten im Wahlkampf, wäre der heutige US-Präsident bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania fast erschossen worden. Der 20-jährige Thomas Matthew Crooks eröffnete das Feuer: Ein Besucher kam ums Leben, weitere wurden verletzt – darunter auch Trump.
Es war knapp. Verdammt knapp. Eine Kugel streifte den damaligen Präsidentschaftskandidaten am rechten Ohr. Bilder des blutenden Trumps gingen um die Welt.
El Hotzo wäre nicht El Hotzo, wenn er daraus keinen Tweet gemacht hätte. Kritik an Politik und Gesellschaft ist schließlich sein satirisches Fachgebiet. In seiner typischen Manier gestaltete er einen Post, in dem er das Attentat auf Trump mit dem "letzten Bus" verglich. Sein Fazit: "Leider knapp verpasst". Eine Viertelstunde später schob er hinterher: "Ich finde es absolut fantastisch, wenn Faschisten sterben."
Viel wurde über diesen Tweet geredet, diskutiert, man regte sich auf. Heute äußert sich Hotz selbst. "Deutschland ist für zwei Dinge bekannt: sehr schlechten Humor und Faschisten. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, mich gegen beides einzusetzen", sagt er in einem kurzen, aber ernsten Statement vor Gericht, Presse und Zuschauer:innen im Rücken.
Es sei offensichtlich, dass er Satiriker sei – auch, wenn er keine Sendung im ZDF-Hauptprogramm habe. "Ein Witz bleibt ein Witz", sagt er, und: Er habe das Recht, dabei auch mal daneben zu langen.
Warum er den Tweet wieder gelöscht habe, fragt Richterin Wilms. Manchmal lasse es sich abschätzen, ob ein Post die Aufmerksamkeit bekomme, die man haben wolle, oder nicht, erklärt er. Und manchmal sei ein Witz es nicht wert, dass man sich "länger als 20 Minuten" damit beschäftige. Das sei ihm nicht gelungen.
Offensichtlich.
Die Beiträge waren nur etwa 15 Minuten online, aber, wie es so ist, kursierten bereits Screenshots, verbreitet unter anderem von FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Er "gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft sich mit diesem Tweet beschäftigen wird", schrieb dieser auf X, und machte sich sogar die Mühe, den möglicherweise einschlägigen Paragrafen herauszusuchen. Wolfgang Kubicki blieb ein wichtiger Akteur in diesem Prozess.
Der FDP-Politiker sollte recht behalten: Die Staatsanwaltschaft hat sich mit dem Post beschäftigt – und blieb in ihrem Bestreben, den Satiriker in den Gerichtssaal zu ziehen, äußerst hartnäckig. Das Gericht hatte die Anklage zunächst "aus Rechtsgründen abgelehnt", die Staatsanwaltschaft legte dagegen Beschwerde ein – mit Erfolg.
Staatsanwalt Marc-Alexander Liebig führte aus, dass das Verhalten von El Hotzo, wie es der Straftatbestand verlangt, geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. Die vielfältigen Reaktionen, die Empörung, seien dafür ein Indiz; in dem Zusammenhang nannte er auch Kubicki.
"Auch Satiriker stehen nicht über dem Gesetz", sagt der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Man dürfe in Deutschland vieles sagen, aber nicht alles. Bei den Posts handele es sich um Hasskriminalität. Satire sieht die Staatsanwaltschaft hier nicht. Sie verlangt eine "milde" Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150 Euro.
Die Verteidigerin von El Hotzo, Carolin Lütcke, hält dagegen. Die Posts seien ganz offensichtlich Satire und das Amtsgericht habe die Eröffnung des Hauptverfahrens im März bereits "zutreffend abgelehnt". Die Staatsanwaltschaft geht sie hart an: Diese habe den Prozess erzwungen.
Es sei maßgeblich, wie ein:e objektive:r und verständige:r Betrachter:in die Äußerungen ihres Mandanten verstehen würde. Und nicht politisch motivierte Kommentare auf Social Media. Sie halte es für gefährlich, wenn diese darüber entscheiden sollen. Sie sagt:
Harte Worte, bei denen es nicht bleiben soll. El Hotzo wird freigesprochen.
Schon nach wenigen Minuten ist Richterin Andrea Wilms zu einem Urteil gekommen. Es lohnte sich nicht einmal, den Saal zu verlassen, so schnell steht sie wieder am Pult.
In ihrer Begründung geht Wilms darauf ein, wie sie selbst von der Debatte um Hotz' Beiträge erfahren habe: durch Medienberichte, den Kommentar von Wolfgang Kubicki, der die Ermittlungen prophezeite.
Ihr erster Gedanke dazu sei gewesen: "Warum das denn? Das ist doch Satire!"
Dann habe sie monatelang recherchiert. Bücher und Kommentare gewälzt – und sei heute immer noch zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Verhandlung geschlossen. Staatsanwalt Marc-Alexander Liebig schleicht sich vor dem Saal kommentarlos an den Journalist:innen vorbei.
El Hotzo hingegen kehrt zurück in seine Rolle als Satiriker. "Ist jetzt over mit witzig", sagte er. Er werde nun wieder Betriebswirt. Natürlich werden seine Follower:innen direkt über den Ausgang des Urteils informiert: mit einem Bild einer Silhouette in seiner Story, das eine Person mit zerrissener Kette an den Händen zeigt.
Keine Handschellen für El Hotzo. Auch keine finanziellen.
Gekostet haben ihn die Beiträge dennoch. Denn die Online-Anklagebank war offenbar härter als die echte im Gericht. So hatte er seine Zusammenarbeit mit dem Jugend-Radiosender Fritz vom rbb verloren, ARD Kultur sagte eine Kulturveranstaltung mit ihm ab.
Später tauchten noch Vorwürfe einer Ex-Freundin auf. Hotzo gab Fehlverhalten gegenüber Frauen zu. Dann tauchte er ab. Inzwischen ist er auf Social Media zurückgekehrt. Der Gerichtsprozess ist daneben die einzige große Bühne, die er seitdem betreten hat.