Die Ampel ist Geschichte, die rot-grüne Minderheitsregierung bald auch. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat nach dem Bruch der Koalition Konsequenzen gezogen: Er stellte die Vertrauensfrage, über die der Bundestag am Montag abstimmte. Das Ergebnis: Bei der namentlichen Abstimmung sprachen 207 Abgeordnete dem Kanzler das Vertrauen aus, 394 Abgeordnete stimmten dagegen, 116 enthielten sich. Mit dem Verfehlen der Mehrheit ist der Weg zu Neuwahlen frei.
Doch wie geht es nun weiter? Was ist jetzt die Rolle des Bundespräsidenten? Und wie berechtigt sind Befürchtungen über politisches Chaos bis zu den Neuwahlen? Watson beantwortet die wichtigsten Fragen.
Der Bundeskanzler stellte im Bundestag nach Artikel 68 Grundgesetz den Antrag, ihm das Vertrauen auszusprechen. Das ist die sogenannte Vertrauensfrage, eine Möglichkeit für vorgezogene Neuwahlen. Olaf Scholz beantragte sie am 11. Dezember 2024 schriftlich.
Der Bundestag stimmte am Montagnachmittag über die Vertrauensfrage ab. Nach einer ausführlichen Erklärung von Scholz gab es eine zweistündige Aussprache, bevor die namentliche Abstimmung stattfindet. Ziel von Scholz war es, diese zu verlieren. Denn so kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bundestag auflösen und Neuwahlen ansetzen.
Der Kanzler hat die Vertrauensfrage verloren, wenn er nicht die absolute Mehrheit von 367 Ja-Stimmen erhält. Enthaltungen von Abgeordneten haben den gleichen Effekt wie eine Nein-Stimme.
Jetzt ist Frank-Walter Steinmeier am Zug. Nach der (verlorenen) Vertrauensfrage muss der Bundespräsident über die Auflösung des Bundestags entscheiden, innerhalb von 21 Tagen. Steinmeier hat bereits signalisiert, dies tun zu wollen.
Löst er den Bundestag auf, muss es innerhalb von 60 Tagen die Neuwahl geben, wie im Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 des Grundgesetzes festgelegt ist.
Es steht noch nicht genau fest, wann der Bundespräsident über die Auflösung des Bundestags entscheiden wird. Am realistischsten erscheint eine Entscheidung ab dem 27. Dezember, weil dann Fristen eingehalten werden können und die Weihnachtsfeiertage vorüber sind. Denn alles vor dem 25. Dezember wäre zu früh, um das vereinbarte Datum für die Neuwahlen halten zu können.
Der Tag der Bundestagswahl wird nach dem Bundeswahlgesetz von Steinmeier formal festgelegt. Kanzler Olaf Scholz hat sich mit ihm bereits über den Wahltermin für den 23. Februar verständigt. Erst zum dritten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik findet damit eine Bundestagswahl im Winter statt. Parteien und Wahlbehörden müssen sich nun schnell vorbereiten.
Eine verlorene Vertrauensfrage und auch die Auflösung des Bundestags ändern nichts daran, dass der Bundeskanzler und seine Regierung im Amt bleiben. Erst, wenn nach der Neuwahl ein neuer Bundestag zusammentritt, endet die Amtszeit von Scholz.
Und selbst dann würde Kanzler Scholz noch auf Ersuchen von Steinmeier zumindest "geschäftsführend" im Amt bleiben. Das gilt so lange, bis ein neu gewählter Bundestag einen neuen Kanzler oder eine Kanzlerin gewählt hat.
Auch sonst sollte alles in geordneten Bahnen verlaufen. Der aktuelle Bundestag ist auch nach einer verlorenen Vertrauensfrage und einer Entscheidung über seine Auflösung weiterhin handlungsfähig. Er kann selbst dann noch Gesetze beschließen. Zumindest, wenn es die nötigen Mehrheiten für das jeweilige Projekt gibt.
Erstmals wurde die Vertrauensfrage 1972 von SPD-Kanzler Willy Brandt gestellt. Es folgten Helmut Schmidt (SPD, 1982), Helmut Kohl (CDU, 1982) sowie Gerhard Schröder (SPD, 2001 und 2005). Dreimal hatten Vertrauensabstimmungen bisher Neuwahlen zur Folge.
(mit Material von dpa)