
Die Lage in Syrien ist momentan angespannt. Bild: imago images / Xinhua
watson antwortet
Drei Monate nach dem Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad ist die Lage in Syrien alles andere als entspannt. Hatte man an manchen Stellen anfangs gehofft, dass die neue Regierung Vorteile für das von Armut gebeutelte Land bringen könnte, bestätigte sich am Wochenende das Gegenteil.
Bewaffnete Männer mit Verbindungen zur islamistischen HTS stürmten am Donnerstag laut übereinstimmenden Berichten Siedlungen in den Regionen Latakia und Tartus. Internationale Medien sprechen schon jetzt vom "schlimmsten Ausbruch von Gewalt" seit dem Machtwechsel. Ein Überblick, worum es bei dem Konflikt geht und was genau passiert ist.
Was ist in Syrien passiert?
Einsatzkräfte der neuen islamistischen Machthaber haben am Wochenende den Berichten zufolge Massaker an hunderten Zivilist:innen verübt. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zufolge wurden im Nordwesten des Landes seit Donnerstag mehr als 1300 Menschen getötet.
Zunächst war von nur männlichen Opfern die Rede, die Beobachtungsstelle SOHR sprach allerdings von regelrechten "Massakern", bei denen auch Kinder getötet worden seien. Unter den Toten sollen mindestens 231 Kämpfer der neuen Führung sowie 250 Assad-treue Kämpfer sein. Zugleich wurden den Angaben zufolge aber auch mindestens 830 Zivilist:innen getötet.
Unabhängig überprüfen lassen sich die Zahlen aktuell noch nicht. Auch Augenzeug:innen berichteten am Wochenende von regelrechten Jagdszenen.
"Bewaffnete Männer zogen von Haus zu Haus und griffen Menschen an, um sich zu amüsieren. Sie riefen den Dschihad gegen alle in Syrien aus", berichtet ein Augenzeuge bei CNN. Ihm zufolge waren in Latakia schon am vergangenen Dienstag Leichen auf den Straßen zu sehen. Auch von Entführungen von alawitischen Bewohner:innen ist die Rede.
Unter dem Dschihad verstehen extremistische Kräfte die aktive militärische Expansion mit dem Ziel der Ausbreitung der islamischen Religion.
Das ist der Plan der Übergangsregierung
Nach Darstellung der neuen Machthaber in Damaskus hingegen überfielen bewaffnete Anhänger der gestürzten Assad-Regierung Sicherheitskräfte in der Küstenprovinz Latakia. Die Übergangsregierung reagierte daraufhin mit einer groß angelegten Militäroperation, bei der auch Artillerie und Panzer eingesetzt wurden.
Wie ein AFP-Fotograf berichtete, rückte ein Konvoi aus Militärfahrzeugen in Latakia im Vorort Basnada ein, Einsatzkräfte durchsuchten dort Wohnhäuser. Alle Straßen in Richtung der Küstenregion wurden nach Behördenangaben abgeriegelt. Dies geschehe, um "Übergriffe zu verhindern", hieß es von der Regierung.
Am Montag dann erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums nach Angaben der staatlichen Nachrichtenangentur Sana, der Einsatz sei "erfolgreich" verlaufen. Alle Ziele seien erreicht, der "Militäreinsatz" werde daher eingestellt.
Es sei den Einsatzkräften "gelungen (...), die Angriffe der Überreste des gestürzten Regimes und seiner Offiziere abzuwehren" und diese aus "entscheidenden" Orten zu vertreiben, fügte der Ministeriumssprecher hinzu. Die Kräfte hätten "alle Sicherheitszellen und Regimeüberbleibsel" in Städten wie Latakia und in der Provinz Tartus "neutralisiert".
Wer steckt hinter der Übergangsregierung?
Am 8. Dezember 2024 hatte die islamistische HTS-Miliz Damaskus erobert und die jahrzehntelange Schreckensherrschaft von Assad beendet. Seit der Machtübernahme hat ihr Anführer Ahmed al-Scharaa wiederholt versichert, die Minderheiten im Land schützen zu wollen.

Ahmed al-Scharaa war früher der Anführer der HTS-Miliz. Bild: AP / Mosa'ab Elshamy
Bis zum Sturz der Assad-Regierung galt al-Scharaa international als Terrorist, erst in seiner Rolle als Übergangspräsident gibt er sich nun zunehmend gemäßigt. Das Hajat Tahrir al-Scham (übersetzt: Komitee zur Befreiung Syriens) ging im Jahr 2017 aus dem Terrornetzwerk al-Quaida hervor.
Viele der nun als Sicherheitskräfte eingesetzten Männer operierten vorher als Kämpfer der HTS. Ihnen wurde bereits mehrfach vorgeworfen, willkürlich Zivilist:innen zu töten.
Wie ist die aktuelle Lage in Syrien?
Die Sicherheitslage in Syrien ist seit der Machtübernahme der HTS entsprechend extrem angespannt. Verschiedene Milizen verüben immer wieder Anschläge im Land, auch der Islamische Staat (IS) zeigt sich seitdem wieder aktiver. Die HTS selbst geht seit Monaten vor allem gegen kurdische und alawitische Minderheiten vor.
Alawiten leben größtenteils an der syrischen Mittelmeerküste, wo am vergangenen Wochenende nun auch ein Großteil der Angriffe stattgefunden hat. An der Gesamtbevölkerung Syrien machen Alawiten etwa zehn Prozent aus.
Die Gruppe war unter der vorherigen Regierung eine wichtige Unterstützung für die mehr als 50 Jahre lange Herrschaft des Assad-Clans. Als Vertreter des schiitischen Islam stehen sie seit Jahrhunderten im Konflikt mit sunnitischen Gruppen wie der HTS.
CNN berichtet von mehreren Videos auf Social Media, in denen die extreme Abneigung der HTS gegen die alawitische Minderheit zu erkennen sei. "An die Alawiten: Wir kommen, um euch und eure Väter abzuschlachten", soll etwa ein Mann in Militärkleidung in einem Video rufen.
Was ist mit den Christen in Syrien?
Der Patriarch der christlich-orthodoxen Kirche von Antiochien, Johannes X., sprach in seiner Predigt am Sonntag auch von "zahlreichen unschuldigen Christen" in Syrien, die getötet worden seien. Er forderte den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa auf, die "Massaker" im Westen des Landes zu beenden.
Dass unter den getöteten Zivilist:innen auch Angehörige des Christentums sind, lässt sich nicht per se ausschließen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird ebenfalls auf knapp zehn Prozent geschätzt.
Die meisten Siedlungen der christlichen Gemeinschaft befinden sich allerdings nicht an der Mittelmeerküste, wo aktuell der Gewaltherd zu finden ist. Fakt ist allerdings, dass alle Minderheiten in Syrien trotz der Versprechen der Übergangsregierung aktuell in großer Sorge leben.
Hinweis: Die aktuelle Nachrichtenlage in Syrien ist nur schwer unabhängig überprüfbar. Watson bezieht sich in diesem Artikel vor allem auf Informationen des US-Senders CNN und verschiedener Nachrichtenagenturen.
Knapp ein Jahr nach Parteigründung musste das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bereits die erste Wahlniederlage einstecken. Mit 4,97 Prozentpunkten der Stimmen scheiterte man denkbar knapp an der Fünf-Prozent-Hürde, damit sitzt das BSW in der kommenden Legislatur nicht im Bundestag.