Intervision Song Contest: Russlands Antwort auf den ESC-Ausschluss
Viermal durfte Russland wegen des Überfalls auf die Ukraine keine:n Künstler:in zum Eurovision Song Contest schicken. Jetzt reicht es Putin: Mit dem Intervision Song Contest möchte der Kreml-Chef Russland wortwörtlich zurück auf die internationale Bühne bringen und ordnete diesen Anfang Februar per Dekret an.
Einerseits scheint es dem Kreml zu schmerzen, dass in den vergangenen Jahren keine eigenen Kandidat:innen ins Rennen geschickt werden durften – der ESC ist auch in Russland beliebt. Andererseits möchte man sich bei der eigenen Version des Wettbewerbes deutlich vom ESC mit seinen progressiven Werten abgrenzen.
Wann findet der Russland-ESC statt?
Am Samstag, dem 20. September, startet der Intervision Song Contest in der russischen Hauptstadt Moskau um 19.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Die Konkurrenzveranstaltung zum ESC findet in der Moskauer Konzerthalle Live Arena statt, in der bis zu 11.000 Menschen Platz finden sollen. Für die Veranstaltung sind dreieinhalb Stunden angesetzt worden.
Intervision Song Contest 2025: Wen schickt Russland ins Rennen?
Russland geht beim Intervision mit dem ultranationalistischen Sänger Jaroslaw Dronow alias Shaman ins Rennen. Bekannt wurde er in seiner Heimat vor allem durch das nationalistische Lied "Ja Russki" (deutsch: Ich bin Russe), das wenige Monate nach Kriegsbeginn veröffentlicht wurde. Beim Intervision performt er eine Ballade, deren Titel übersetzt "Direkt ins Herz" lautet.
Shaman ist klarer Befürworter des Angriffskriegs, hat sich als Anhänger von Kremlchef Wladimir Putin geäußert und tritt oft bei staatlich organisierten patriotischen Konzerten auf. Er steht auf der EU-Sanktionsliste.
Intervision-Teilnehmer: Welche Länder sind beim Russland-ESC vertreten?
Künstler:innen aus 23 Ländern sollen am Samstag gegeneinander antreten. Noch vier Tage vor dem Wettbewerb veröffentlichte der Veranstalter allerdings neue Teilnehmer:innen. Es ist also völlig unklar, wie offiziell die Auftritte der Musiker:innen für ihre Länder tatsächlich sind.
Das einzige Land, das sowohl beim ESC, als auch in Moskau den Angaben der Veranstalter zufolge antritt, ist Serbien. Weitere Teilnehmer sind unter anderem Russlands enger Verbündeter Belarus und der Unterstützer China ebenso wie Musiker:innen aus Indien, Südafrika, Ägypten oder Kuba.
Für die USA soll laut Veranstalter die aus Australien stammende Sängerin Vassy (Vasiliki Karagiorgos) antreten. Der ursprünglich angekündigte B Howard (Brandon Howard) sagte am Mittwoch aus "unvorhergesehenen familiären Gründen" seine Teilnahme ab.
In der Jury würden die USA nicht vertreten sein und auch keine Delegation schicken, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz vor dem Intervision. Ihm zufolge soll die US-Administration erklärt haben, dass es sich um eine private Teilnahme des Künstlers handle.
Queere Menschen unerwünscht: Russland grenzt sich von ESC ab
Anders als beim ESC ist keine Publikumsabstimmung vorgesehen, über den Gewinner-Act entscheidet eine Jury. Beim Intervision Song Contest in Moskau ist Diversität außerdem unerwünscht – ein großer Unterschied zum ESC.
Der ESC ist bekannt für seine bunten Auftritte. Immer wieder stehen queere Künstler:innen auf der Bühne. Im vergangenen Jahr erst ging Nemo für die Schweiz als Gewinner nach Hause. Nemo identifiziert sich selbst als non-binär. Zehn Jahre davor, 2014, holte der schwule Sänger Tom Neuwirth als Drag Queen Conchita Wurst den Titel für Österreich.
Der Kreml macht unmissverständlich deutlich, dass queere Menschen beim Intervision nicht erwünscht sind. So sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow dieses Jahr in Anspielung auf Conchita Wurst, er "garantiere", dass es beim Intervision "keine Perversionen oder Verstöße gegen die menschliche Natur" geben werde.
Die Organisatoren wollen ein "echtes Musikfest", das die "nationale Identität" fördere – für die Führung in Moskau ist das Musik in den Ohren. Seit Jahrzehnten prangert sie die "Dekadenz" des Westens mitsamt der Gleichberechtigung von Menschen aus der LGBTQIA+-Community an.
Ist der Intervision Song Contest neu?
Die Idee, ein Pendant zum ESC auszurichten, gab es schon während des Kalten Krieges zu Zeiten der Sowjetunion. Erstmals ist er 1965 in Prag ausgerichtet worden. Wegen des antisowjetischen Aufstands dort drei Jahre später wurde der Wettbewerb ausgesetzt; ab 1977 wurde er in unterschiedlichen Ostblock-Städten wieder abgehalten.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion warb Kreml-Chef Wladimir Putin in den 2000er-Jahren erstmals für eine Wiederbelebung. Nun ist der Intervision-Wettbewerb mehr denn je ein Instrument zur Förderung der geopolitischen Interessen Russlands.
Russland erwartet, dass die Veranstaltung ein Ereignis von großer Bedeutung wird. Sergej Kirijenko, der einflussreiche Vizechef der Präsidialverwaltung, rechnete vor, dass die Intervision-Teilnehmerländer 4,3 Milliarden Menschen zählen.
(Mit Material von dpa und afp)