Wikipedia sperrt 62.000 sächsische Rechner wegen gelöschtem Rassismus-Absatz
26.04.2018, 17:3026.04.2018, 19:11
lars wienand
Mehr «Politik»
Sächsische Landesbedienstete und Mitarbeiter im Landtag sind derzeit
weitgehend vom Schreiben in der Wikipedia ausgeschlossen. Ein
Wikipedia-Administrator hat am Mittwoch alle Rechner aus dem Sächsischen
Verwaltungsnetz von der Bearbeitung ausgeschlossen. Gesperrt wurde der
komplette Adressbereich von mehr als 2000 Adressen, das betrifft auch
die Rechner im Landtag.
Mehrere heikle Änderungen
Ein Bot, der automatisiert anonyme Änderungen von Wikipedia-Einträgen
aus Bundeseinrichtungen und dem Bundestag meldet, hatte Nutzer hellhörig
gemacht: Aus dem Netz war anonym der Eintrag von "Sachsen" kosmetisch
geändert worden.
Der komplette Absatz über Rassismus in Sachsen
war gelöscht worden. Von der gleichen Adresse aus waren auch Änderungen
zur Bewertung von Pegida und zu einem sächsischen AfD-Abgeordneten
vorgenommen worden.
Doch den Adressbereich hat das Bundesinnenministerium dem Staatsbetrieb
Sächsische Informatik Dienste überlassen, die Änderung kam also von
einem Rechner, der über das Netz des Landes online ist. Nach Angaben des
Staatsbetriebs Sächsische Informatik Dienste (SID) geht es um 62.000
Arbeitsplätze, auch in Schulen und Kommunen, in der Staatskanzlei und im
Landtag. Angesichts des Umstands, dass alle sächsischen Einrichtungen
betroffen seien, "erscheint die Reaktion seitens Wikipedia überzogen",
kritisiert SID-Sprecherin Karti Rössel.
Sperre gilt für einen Monat
Um 14.25 Uhr am Mittwoch hatte Wikipedia-Administrator "Nolispanmo"
Konsequenzen gezogen: Der komplette Adressbereich des Landes Sachsen ist
seither für einen Monat von der anonymen Bearbeitung ausgeschlossen.
Mit bereits registrierten Accounts ist das Schreiben weiter möglich.
Generell kann jeder an der Wikipedia mitarbeiten, Ergänzungen oder Änderungen mit entsprechenden Belegen und Begründungen können auch anonyme Nutzer vorschlagen.
Von fünf Adressen des Landesnetzes war das
in den vergangenen Wochen auch geschehen. Zum Großteil ging es um
sachliche Ergänzungen völlig unpolitischer Themen.
Lösch-Begründung: "Ist nur Meinung"
Doch am Mittwoch hatte dann ein Nutzer das wenig schmeichelhafte
Kapitel Rassismus tilgen wollen. Begründung: „Hier fehlen die Belege,
ein reiner Meinungsartikel“. Erfolgreich war er damit nur für Sekunden,
dann revidierte ein Administrator die Löschung bereits.
Der Fall löste aber Aufmerksamkeit aus – und warf Fragen zu anderen
Änderungsvorschlägen auf: So war von der anonymen Adresse der Beitrag
der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Angelika Barbe geändert worden. Barbe,
CDU-Mitglied und bis vor einem Jahr Mitarbeiterin der Sächsischen
Landeszentrale für politische Bildung, ist Pegida-Mitglied. Und im
Beitrag der Enzyklopädie wurde aus der "fremdenfeindlichen"
Pegida-Bewegung plötzlich eine "islamkritische".
Auch der Eintrag des AfD-Landtagsabgeordneten André Wendt war
umgeschrieben worden: Hier löschte der anonyme Nutzer die Information,
dass Wendt öffentlich die Verfolgung von Homosexuellen als Asylgrund
abgelehnt hat.
Spur führt zunächst nur zu Vermittler-Rechner
Das sächsische Innenministerium erklärte auf Twitter, es werde nun
geprüft, ob sich die Adresse eingrenzen lässt. Der zuständige
Staatsbetrieb Informatik antwortete auf eine Anfrage von t-online.de,
man könne die Adresse im zentralen Sächsischen Verwaltungsnetz nur zu
einem Proxy auf der nächsttieferen Ebene verfolgen. Der Proxyserver
vermittelt Anfragen von den jeweiligen Rechnern in das Netz, es
erscheint die Proxyadresse, nicht die eines konkreten Rechners. Das ist
also eine Art Sammeladresse, die in der Regel der entsprechenden
zentralen Stelle des jeweiligen Ressorts zugeordnet sei.
Allgemein erklärte das SID, eine Recherche nach dem konkreten Rechner
hinter dem Proxy könnte gegen Dienstvereinbarungen mit dem jeweiligen
Personalrat verstoßen, weil die Protokollierung der Daten
unterschiedlich lange gespeichert werden dürfen.
Wechselnde Kinderzahl beim Justizminister
Andere Änderungen aus dem Sachsennetz, offenbar von einem anderen
Rechner, betrafen die Zahl der Kinder des sächsischen Justizministers
Sebastian Gemkow. Sie wurde seit Oktober mehrfach von zwei auf drei
geändert. Administratoren machten das jeweils rückgängig, selbst als
sich eine Nutzerin als Mitarbeiterin des Politikers kenntlich machte und
die Angabe wieder auf drei änderte. Ohne eine öffentliche Quelle ist
die Wikipedia-Aufsicht unerbittlich.
Am Donnerstag schließlich konnte sich das dritte Kind auch in der
Wikipedia durchsetzen: Ein Nutzer hatte die Zahl auf der Seite des
Bundesrats gefunden. Ansonsten hätte dieser Artikel Beleg sein können:
Jörg Herold, Pressesprecher des sächsischen Justizministeriums,
bestätigte t-online.de am Donnerstag: "Er hat drei Kinder, ich habe sie
alle schon gesehen."
In der Wikipedia toben manchmal regelrechte Editier-Schlachten. Der erst
Ende 2012 angelegte Eintrag der Alternative für Deutschland wurde
bereits fast 9000 Mal geändert. Damit findet er sich auf Platz sieben
der meist editierten Seiten. Am häufigsten angefasst wurde "Deutschland"
mit mehr als 15.000 Änderungen, besonders intensiv gerungen wird auf
Platz 2 auch um "Kultur Deutschlands".
Und auch der Wikipedia-Eintrag von Sachsen änderte sich am Donnerstag.
Am Nachmittag war das Kapitel "Rassismus" umbenannt in "Rechtspopulismus
und Rechtsextremismus" – und war gekürzt.
Franziska Brantner entlarvt Russland-Lüge über angebliches Luxus-Haus
Russland rüttelt mit aller Macht an den Grundfesten Europas. Nicht nur mit Bombenkampagnen und Bodentruppen in der Ukraine versucht der russische Machthaber Wladimir Putin, den Westen zu attackieren. Auch innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft nutzt er jede Gelegenheit, um einen Keil in die Einigkeit zu treiben.