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USA: So gefährlich sind die rechtsextremen "Moms for Liberty"

August 30, 2021, Viera, Florida, United States: A member of Moms for Liberty protests against mandatory face masks for students during the COVID-19 pandemic at a meeting of the Brevard County School B ...
Der Einfluss der rechtsextremen Organisation "Moms for Liberty" nimmt in den USA zu und damit auch ihr Kampf gegen die sogenannte "Wokeness".Bild: imago images / Paul Hennessy
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Mit Babyflasche und Hitlersprüchen: So gefährlich sind die "Moms for Liberty" in den USA

06.07.2023, 15:48
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Sie nennen sich Mütter der Freiheit und bekämpfen etwa LGBTQIA+-Rechte in den USA. Dabei sind "Moms for Liberty" wohl ein Graus für jede liberale Schule. Denn diese Frauen sind auf dem Kriegspfad mit der "woken" Welt. Ihr Ziel: Kinder schützen.

Es ist die gängige Agenda, die man bereits von Trumps Maga-Bewegung kennt ("Make America Great Again"). Aber auch von Floridas Gouverneur Ron DeSantis. Gleich und Gleich gesellt sich bekanntlich gern. Demnach besuchten DeSantis und Ex-Präsident Donald Trump kürzlich eine Tagung der politischen Organisation "Moms for Liberty" im US-Bundesstaat Philadelphia.

Syndication: USA TODAY Florida Gov. Ron Desantis, center, is presented The Sword of Liberty by Moms for Liberty co-founders Tiffany Justice, left, Tina Descovich, second from right and executive direc ...
Floridas Gouverneur Ron DeSantis bei der Tagung von "Moms for Liberty" in Philadelphia. Bild: imago images / Mike Lang

Diese Mütter fühlen sich offenbar nicht nur innerhalb der Republikanischen Partei gut aufgehoben, sondern auch in der rechtsextremen Bubble US-Amerikas. Rasch stiegen die "Moms for Liberty" zum "Sweetheart" unter den Rechten auf, die sich für "Elternrechte" einsetzen.

Doch Kritiker:innen warnen: Diese Bewegung nutze Eltern als Schachfiguren, um eine rechtsextreme Agenda voranzutreiben.

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Enge Vernetzung mit Republikanern und Rechtsextremen

2021 riefen Tina Descovich und Tiffany Justice die Organisation in Florida ins Leben. Auf ihrer Website nennen sie sich schlicht Tiffany und Tina. Sie seien Mütter mit der Mission, das "Feuer der Freiheit" zu schüren. Als ehemalige Mitglieder der Schulbehörde haben die Gründerinnen erlebt, "wie kurzsichtige und destruktive Politik Kindern und Familien direkt schadet".

Mitgründerin ist Bridget Ziegler, die Ehefrau des Vorsitzenden der Republikanischen Partei Floridas, Christian Ziegler. Ende 2021 verließ sie die Organisation. Dennoch schließt sich hier der Bogen zu DeSantis, denn dieses Dreiergespann mag sich offensichtlich sehr.

Ziegler bekennt sich auf Twitter als "Fan von DeSantis". Ein Foto zeigt ihn gemeinsam mit seiner Frau Bridget und Floridas Gouverneur. Auch Trump finde er ganz toll. Doch zurück zu den "Moms for Liberty".

Auf ihrer Website heißt es weiter: Die Gründerinnen nutzen ihr Wissen und ihre Erfahrung aus erster Hand, um Eltern zu vereinen, die bereit sind, gegen diejenigen zu kämpfen, die der Freiheit im Wege stehen.

Und das sind anscheinend vor allem Schullehrpläne mit "wokem" Touch.

Auf Kriegspfad mit LGBTQ-Rechten

Alles, was den Anschein macht, LGBTQIA+-freundlich zu sein oder mit Sexualaufklärung zu tun zu haben, müsse aus den Schulen verbannt werden. Auch jegliche Diskussionen über etwa ethnische Zugehörigkeit und Diskriminierung haben laut den "Moms for Liberty" nichts im Lehrplan zu suchen.

Sie lassen sich wohl ungern von der Regierung Vorschriften machen. Gerade während der Pandemie erlangte die Organisation viel Aufmerksamkeit. So protestierten die "Moms for Liberty" vehement gegen die Maskenpflicht in Schulen. Nach eigenen Angaben hat die Vereinigung heute 120.000 Mitglieder in 45 US-Staaten.

Es geht sogar so weit, dass die kämpfenden Mütter sich dafür einsetzen, dass queere von heterosexuellen und gleichgeschlechtlichen Schüler:innen getrennt werden. Etwa Vorsitzende von "Moms for Liberty" in Miami, Eulalia Jimenez, meint laut dem US-Newsportal "LGBTQ Nation", dass Kinder "beeinflusst werden, schwul zu sein". Ihre Kollegin Crystal Alonso geht noch einen Schritt weiter.

Das "Moms for Liberty"-Mitglied zieht den Vergleich heran, dass auch Kinder mit Autismus oder Down-Syndrom in getrennten Klassenräumen untergebracht werden.

Sie führt aus:

"Ich verstehe, dass es für Kinder mit diesen Behinderungen eine andere Art von Bildung gibt, aber ich denke, dass es für Kinder, die sich anders identifizieren, auch etwas Besonderes geben sollte, damit sie das Gefühl haben, dass sie wichtig genug sind, um beraten zu werden."

Ihre Begründung: "Ich bin mir sicher, dass viele Kinder, die jung sind und sich homosexuell fühlen, sich dafür schämen". Oder viel mehr fürchten? Schließlich entfaltet sich in den USA momentan eine Anti-LGBTQIA+ Stimmung – unter anderem auch vorangetrieben von den "Moms for Liberty".

Dabei suchen sie sich Unterstützung bei rechtsextremen Organisationen.

Kuschelkurs mit Rechtsextremen

"Proud Boys", "Three Percenters", "Sovereign Citizen"-Gruppen, "QAnon"-Verschwörungstheoretiker:innen und christliche Nationalist:innen – in diesem Umfeld bewegen sich die "Moms of Liberty". Das zeigt die Recherche von "VICE News". Der Bericht deckt Verbindungen zwischen den "Moms for Liberty" und extremistischen Gruppen auf.

Im ganzen Land haben sich die 'Moms for Liberty' mit extremistischen Gruppen und Milizen vernetzt. Diese kämpfen etwa an der Seite der "Elternrechts"-Gruppe bei Protesten und Schulausschusssitzungen. Was durchaus einschüchternd wirkt – denn viele dieser Verbündeten sind bis zu den Zähnen bewaffnet.

Shannon Watts, Aktivistin gegen Waffengewalt in den USA, warnt auf Twitter: Mit dieser engen Verbindung zu extremistischen Gruppen und Milizen wie den "Proud Boys" können die "Moms for Liberty" ihre rechtsgerichtete Agenda in Schulbezirken durch "Angst, Belästigung und bewaffnete Einschüchterung" durchzusetzen.

Vier Mitglieder der "Proud Boys" wurden erst im Mai wegen "aufrührerischer Verschwörung" verurteilt. US-Medien berichten, die Angeklagten hätten geplant, Trump nach seiner Wahlniederlage an der Macht zu halten, indem sie einen gewalttätigen Mob anführten, der am 6. Januar 2021 das Kapitol angriff.

Kritiker:innen sind besorgt, dass dieses Umfeld, in dem sich die "Moms for Liberty" bewegen, die ohnehin schon rechtsextreme Organisation noch zu extremerer Ideologie treibe.

Doch die Verbindung mit der wohl weltweit bekanntesten rechtsextremen Person sorgt besonders für Furore.

Hitlerzitat schmückt Newsletter

Im Juni verzierte eine "Moms for Liberty"-Gruppe aus dem US-Bundesstaat Indiana ihren Newsletter mit einem Zitat von Adolf Hitler. "Nur wer die Jugend besitzt, gewinnt die Zukunft", Worte eines gewaltsamen Diktators, unter dem Millionen von Menschen verfolgt und getötet wurden.

Das gewählte Zitat wird Hitler auf einer Kundgebung im Jahr 1935 zugeschrieben. Damals war es Teil der nationalsozialistischen Bemühungen, die Jugend zu indoktrinieren. Sprich, sie mit einer bestimmten Auswahl an Informationen zu manipulieren und zu absolutem Gehorsam heranzuziehen – ohne Recht auf Widerspruch oder individueller Entfaltung.

Kennt man die Agenda der "Moms for Liberty", ist die Auswahl ihrer Zitate wohl nicht allzu überraschend. Die Bürgerrechtsorganisation "Southern Poverty Law Center" hat nun darauf reagiert.

Bürgerrechtsorganisation warnt vor "Moms for Liberty"

Im Juni stuft die Bürgerrechtsorganisation "Moms for Liberty" offiziell als extremistische und regierungsfeindliche Organisation ein. Das "Southern Poverty Law Center" ist eine gemeinnützige US-amerikanische Organisation mit dem Ziel, etwa Rassismus zu bekämpfen.

Auf ihrer Website warnt die Organisation vor den "Moms for Liberty":

"In ihrem Bemühen, alles zu bekämpfen, was sie als 'Woke-Ideologie' betrachtet, verbreitet die Organisation 'Moms for Liberty' häufig Verschwörungstheorien über öffentliche Schulen, die versuchen, Kinder mit einem progressiven marxistischen Lehrplan zu indoktrinieren und zu sexualisieren."

Sie erklären sich zu "fröhlichen Kriegerinnen" und zelebrieren dabei ihren Slogan: "We do not co-parent with the government" (Wir sind keine Co-Eltern der Regierung). Der Spruch schmückt etwa Rasenschilder und Kleidung. Sprich, es entwickelt sich womöglich ein ähnlicher Kult, wie man ihn von Trumps Maga-Bewegung kennt.

Moms For Liberty Annual Summit Opens In Philadelphia The conservative organization Moms for Liberty holds their second annual summit in Philadelphia, Pennsylvania on June 30th, 2023. Philadelphia Unit ...
Zeigen, zu wem man gehört: "Moms for Liberty" machen es möglich, mit Mützen, Kleidung, Tassen.Bild: imago images / Zach D. Roberts

Kritiker:innen mahnen: Die Bewegung "Moms of Liberty" belästigt zunehmend andere Eltern, erschwert die Ausbildung von Schüler:innen und beschneidet die LGBTQIA+-Rechte. Die Organisation treibt demnach die Agenda von erzkonservativen Republikanern voran, mit Unterstützung bewaffneter rechtsextremer Organisationen sowie Milizen.

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