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Brexit: Warum Theresa May am Mittwoch die Rede ihres Lebens halten muss – und warum das auch für die EU wichtig ist.

Demonstrators protest against Brexit as the governing Conservative Party start their annual four-day party conference in Birmingham, England, Sunday Sept 30, 2018. The lack of party unity over Brexit  ...
Bild: AP
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Brexit – Theresa May warnt Europa (und ihre eigene Partei)

03.10.2018, 06:3003.10.2018, 15:09
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Der Auftritt war gewagt. Tänzelnd betrat die britische Regierungschefin Theresa May am Mittwoch die Bühne beim Parteitag der britischen Konservativen zur Musik von "Dancing Queen".

Nicht jeder konnte darüber lachen. Auch politisch steht May in der Kritik. Die Hardliner um den ehemaligen Außenminister Boris Johnson fordern einen harten Abschiedskurs gegenüber der EU. "Betrug"  hatte Johnson Mays Ausstiegspläne gebrandmarkt. Das war am Dienstag. Am Mittwoch konterte May. 

  • Innenpolitisch kündigte sie ein Ende des harten Sparkurses der Konservativen an.
  • Außenpolitisch eine harte Linie gegenüber der EU.

Die Drohung

"Die Verhandlungen gehen nun in ihre schwierigste Phase. enn wir zusammenhalten und die Nerven behalten, können wir ein zufriedenstellendes Abkommen für Großbritannien erreichen."
Theresa May, bedrängte britische Regierungschefin

3 Gründe, warum Theresa Mays Rede wichtig ist – auch für die EU.

Chequers oder haben die Briten überhaupt einen Plan?

Am 29. März 2019 geht Großbritannien raus aus der EU. So haben es die britischen Wähler 2016 per Referendum entschieden. Unklar ist aber, wie das Verhältnis der Briten der EU danach aussieht: 

  • Boris Johnson und die sogenannten Brexiteers fordern einen harten Schnitt: Raus aus dem Binnenmarkt und allen anderen Verpflichtungen, auch aus der sogenannten Personenfreizügigkeit. Wer also künftig in Großbritannien seinen Master machen will, müsste sich um eine Aufenthaltsgenehmigung kümmern. An der Grenze von UK zur EU würden Zölle erhoben. Schwierig für Unternehmen wie BMW, die auf der Insel den Mini produzieren. Bauteile aus der EU für die Insel würden mit Zoll belegt, ebenso ein BMW-Mini, der in Reims, Wuppertal oder Stockholm verkauft werden würde.

Kein Rosinen-Picken, bitte!

EU-Ratspräsident Donald Tusk und die britische Regierungschefin Theresa May auf dem September-Gipfel in Salzburg.
  • Regierungschefin Theresa May legte im Sommer auf ihrem Sommersitz Chequers ihre Vorstellungen für einen weichen Ausstieg vor: den sogenannten Chequers-Plan. Er sieht vor, dass die Briten nur teilweise im Binnenmarkt bleiben: Lediglich Waren und Güter wie Autos und Cheddar-Käse könnten zollfrei gehandelt werden, nicht aber Dienstleistungen wie Finanzprodukte. Auch die Personenfreizügigkeit würde fallen. May bekräftigte dies auf dem Parteitag und erklärte: 
"Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wird dieses Land selbst kontrollieren und auswählen, wen wir hierher kommen lassen wollen."
Theresa May, britische Premierministerin

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten den Chequers-Plan im September auf ihrem Treffen in Salzburg zurückgewiesen. "Es gibt kein Rosinenpicken", hatte EU-Ratspräsident Donald Tusk damals erklärt.

Wie ist die Lage?

Geht's auch schneller?!

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Das weiß im Moment niemand so recht. Auf dem Parteitag der konservativen Tories warnte der britische Handelsminister Liam Fox, Firmen in der EU müssten bei einem harten Brexit Zölle in Milliarden-Höhe zahlen. Fox warnte vor einem No-Deal-Brexit ohne Vertrag im März 2019. Er sagte: 

"Europäische Unternehmen müssten Zölle zahlen, um Zugang zum britischen Markt zu erhalten, möglicherweise in Höhe von bis zu 15,6 Milliarden Euro pro Jahr."
Liam Fox, britischer Handelsminister

Der britische Außenminister Jeremy Hunt verglich die EU auf dem Parteitag mit der versunkenen Sowjetunion. Er erklärte: 

"Ihr scheint zu denken, dass ihr den Club zusammenhalten könnt, indem ihr ein Mitglied, das geht, bestraft. Die EU ist aus der Idee der Freiheit gegründet worden, die Sowjetunion ging daran unter, Staaten daran zu hindern zu gehen."
Jeremy Hunt, britischer Außenminister

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sprach umgehend von einem "unangemessenen Ton". 

Und wie geht es weiter?

Die Lage ist also unversöhnlich. Derzeit sind beide Seiten in der Phase der verbalen Aufrüstung und Drohungen. 

  • Die Europäische Union beharrt auf einer praktikablen Lösung für die Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nord-Irland. Zudem soll durch einen harten Vertrag mögliche Nachfolger vor einem Abschied aus der EU abgeschreckt werden.
  • Großbritannien ist gespalten.
    - Die Brexiteers fordern einen harten Schnitt, mit Blick auf die stolze britische Geschichte und künftige Freihandelsverträge. Sie träumen von einem europäischen Singapur.
    - Die Remainer hoffen auf ein zweites Referendum, das aber scheint mit Blick auf den Respekt vor dem souveränen Entscheid des britischen Volks unwahrscheinlich. Auch wenn die Labour-Partei dies nun akzeptieren könnte.
Die Briten verlassen die EU. Und was sagst du dazu?

Noch eine lange Gipfelnacht im November

Mitte November soll auf einem EU-Gipfel eine Einigung gefunden werden. Die EU glaubt May mit dem Verweis auf die wirtschaftlichen Folgen unter Druck setzen zu können. 

Der Plan könnte sich als irrig erweisen. Kommt May mit einem schlechten Deal zurück, dürfte ihre Gegner in ihrer Partei zum Putsch ansetzen. 

No May, no Deal! Deshalb geht es am Mittwoch nicht für Theresa May um alles. 

(dpa, afp, rtr)

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