Die WHO rechnet damit, bald Hilfsgüter über den Grenzübergang in den Gazastreifen zu bringen.Bild: dpa / Mohammed Talatene
International
18.10.2023, 18:5219.10.2023, 17:45
Israel befindet sich im Krieg. Am 7. Oktober griff die in Gaza regierende Hamas das Land überraschend an. Die Lage vor Ort ist unübersichtlich, die Situation komplex. Auch am Donnerstag setzen Israel und Gaza die Raketenangriffe fort. Zudem bereitet sich Israel auf eine Bodenoffensive gegen die von der Hamas kontrollierten Gebiete vor. Derweil gibt es Schuldzuweisungen in beide Richtungen nach einem Raketenangriff auf eine Klinik in Gaza. Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Israel besucht hatte, ist auch Verteidigungsminister Boris Pistorius zu Gesprächen über die militärische Zusammenarbeit nach Israel gereist.
Im Israel-Update hält euch watson auf dem Laufenden und verrät euch, was ihr wissen müsst, um über den Krieg in Nahost informiert zu sein.
Israel-Krieg: Opfer in Zahlen
Seit Beginn des Krieges in Nahost sind offiziellen Angaben zufolge in Israel mehr als 1400 Menschen getötet und rund 200 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden, unter ihnen auch mehrere mit deutscher Staatsbürgerschaft.
Im Gazastreifen ist die Anzahl der Toten durch israelische Angriffe offiziellen Angaben zufolge auf etwa 3300 Menschen gestiegen. Mehr als 13.000 Personen seien verletzt worden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. (Stand: 19. Oktober)
WHO rechnet Freitag mit Grenzöffnung in Rafah
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet damit, dass der Grenzübergang Rafah von Ägypten in den Gazastreifen für dringend nötige Hilfslieferungen am Freitag geöffnet wird. "Unsere Lastwagen sind beladen und bereit zur Abfahrt", sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Donnerstag in Genf. "Wir stehen mit der ägyptischen und der palästinensischen Rothalbmondgesellschaft bereit, das Material in den Gazastreifen zu bringen, sobald der Grenzübergang offen ist, hoffentlich morgen."
Die WHO hat in Ägypten nahe des Gazastreifens fünf Lastwagen voll mit Hilfsgütern in Stellung, wie Teresa Zakaria aus dem WHO-Nothilfebüro sagte. Weitere 40 Tonnen sollen bis nächste Woche dort eintreffen, sagte Tedros. Darunter seien Medikamente für chronisch Kranke, sowie Material zur Behandlung von Verwundeten und anderes medizinisches Material, um 300.000 Menschen zu versorgen, auch Schwangere.
Familien der Hamas-Geiseln bitten Deutschland um Unterstützung
Angehörige deutscher Staatsbürger:innen, die von der Hamas entführt wurden, haben bei einem Treffen mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) um mehr Unterstützung Deutschlands gebeten. "Wir sprachen darüber, dass wir wirklich erwarten, dass Deutschland nicht nur auf der Seite Israels steht und sich auf unsere Seite stellt, sondern aktiv handelt und eine Rolle in diesem Krieg übernimmt", sagte die Angehörige Roni Roman am Donnerstag nach dem Treffen im Deutschen Bundestag. Ihre Schwester und deren Kind gehören zu den Entführten.
Roni Roman fordert mehr Unterstützung von Deutschland im Fall der Entführten.Bild: dpa / Christoph Soeder
Roman forderte Deutschland auf, unverzüglich humanitäre Hilfe bereitzustellen, um sicherzustellen, dass die Entführten medizinisch versorgt werden können. Sie betonte die Notwendigkeit, Lebenszeichen von den Entführten zu erhalten und sie sofort nach Deutschland zurückzubringen.
Boris Pistorius traf am Donnerstag in Tel Aviv auf Amtskollegen Joav Galant (l.).Bild: dpa / Fabian Sommer
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat der israelischen Regierung die volle weitere Unterstützung Deutschlands im Kampf gegen die Hamas zugesichert. Vordringlichste Aufgabe sei es, eine Freilassung der Verschleppten zu erreichen, sagte er. Deutschland wolle auch dies unterstützen, wo immer möglich und sei bereit, die israelische Streitkräfte mit Material zu unterstützen.
Scholz spricht über Nahost-Konflikt – und stichelt gegen Putin
Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seiner Regierungserklärung am Donnerstag vor einem Eintritt der von Iran finanzierten Miliz Hisbollah oder dem Iran selbst in den Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas eindringlich gewarnt. "Es darf keinen Eintritt der Hisbollah oder des Iran oder des Iran oder eines seiner Proxys in diesen Krieg geben", erklärte Scholz im Bundestag. Er bezeichnete dies als einen "schweren Fehler". Nun wolle die Bundesregierung alles dafür tun, dass es keine weitere Eskalation gebe. Denn: "Ein Flächenbrand wäre verheerend für die ganze Region", sagte der SPD-Politiker. Zur humanitären Lage in Gaza zeigte er sich zuversichtlich, dass eine Vereinbarung zur Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen geschlossen werden könne.
Scholz teilt bei seiner Regierungserklärung zum Nahost-Konflikt gegen Putin aus.Bild: dts Nachrichtenagentur / imago images
Auch zu den Geiseln in den Händen der Hamas äußerte sich der Bundeskanzler. Die Befreiung sei nun eine der wichtigsten Aufgaben. "Sie müssen ohne Vorbedingung freigelassen werden", forderte der Kanzler. Auch die Bundesregierung setze sich dafür ein.
Einen Seitenhieb gegen den Kreml-Machthaber Wladimir Putin konnte sich Scholz direkt im Anschluss nicht verkneifen. Als er über seinen Israel-Besuch berichtet, erzählt er, dass ihn die klaren Worte von Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sehr berührt hätten. Dann teilte er gegen Putin aus: "Es empört mich, dass der russische Präsident davor warnt, dass es zivile Opfer geben könnte. Zynischer geht es wirklich nicht."
Berlin im Ausnahmezustand – Verletzte bei Nahost-Protesten
Feuer, Gewalt, Vandale: Der Konflikt zwischen der Hamas und Israel lässt weltweit Unruhen aufkommen. Auch in deutschen Städten gibt es seit Beginn des aktuellen Krieges immer wieder Proteste. Am Mittwoch ist die Lage teilweise eskaliert. So sind etwa in Berlin bei Einsätzen gegen pro-palästinensische Versammlungen 65 Polizist:innen verletzt worden. 174 Menschen wurden bei den Protesten am Mittwochabend und in der Nacht vorübergehend festgenommen, 65 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit den Ausschreitungen aufgenommen.
Feuer, Gewalt, Vandale: Der Nahost-Konflikt zwischen dem Gazastreifen und Israel trieb zahlreiche Menschen auch in Deutschland für Proteste auf die Straße.Bild: dpa / Paul Zinken
Besonders im Berliner Stadtteil Neukölln war die Lage am Mittwochabend erneut erhitzt. Dort seien "Kolleginnen und Kollegen" unter anderem "durch Steine, brennende Flüssigkeiten und Widerstandshandlungen" verletzt worden, erklärte die Polizei am Donnerstagmorgen im Onlinedienst X, ehemals Twitter.
Mit einem Wasserwerfer löschte die Polizei auf der Sonnenallee in Neukölln brennende Autoreifen.Bild: dpa / Sven Käuler
Autos brannten, ebenso wie ein Baum und ein Lkw, mitten in Wohngebieten. Auf der Sonnenallee gab es trotz Verbots einer Pro-Palästina-Demonstration große Ansammlungen von Menschen, die laut Polizei zahlreiche Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wie Brandstiftung und Sachbeschädigung begingen. Die Beamten mussten Pfefferspray, Wasserwerfer und "Zwang" einsetzen, um Menschen festzunehmen.
Nicht nur in Berlin, auch in anderen Städten wie Frankfurt am Main oder Nürnberg kam es zu großen pro-palästinensischen Protesten.
Protestierende stürmen US-Kapitol und fordern Waffenruhe in Nahost
Am Mittwoch gab es zahlreiche Verhaftungen im US-Kongress. Dort hatten Massen an jüdischen und palästinensischen Menschen einen Waffenstillstand in Nahost gefordert. Dabei sind Hunderte Demonstrierende trotz Warnungen der Kapitol-Polizei in Teile des US-Kongresses eingedrungen. Dabei kam es zu Zusammenstößen zwischen den aufgebrachten Menschen und Sicherheitsleuten. Die Demonstrierenden fordern einen Waffenstillstand wegen der sich verschärfenden humanitären Krise in Nahost. Sie hielten Sprüche wie "Unser Blut hat dieselbe Farbe" oder "Mein Leid ist nicht eure Waffe" in die Luft.
Zu sehen waren Protestierende mit Kippa ebenso wie Menschen mit Palästinenser-Symbolen.Bild: AP / Jose Luis Magana
Dauerhafte Hilfslieferungen für Gazastreifen – Ladung aus Russland erwartet
Die humanitäre Lage im Gazastreifen ist katastrophal. Ägypten hat jetzt "dauerhafte" Hilfslieferungen über die Grenze im Süden des Gazastreifens angekündigt. Die Güter werden nach Angaben Ägyptens und der USA über den Grenzübergang Rafah in das Land gelangen können. Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi und US-Präsident Joe Biden haben sich auf eine dauerhafte Lieferung von humanitärer Hilfe in den Gazastreifen über den Grenzübergang Rafah geeinigt", erklärte der ägyptische Präsidentensprecher Ahmed Fahmy. Zuvor hatte Israel auf Ersuchen Bidens den Lieferungen zugestimmt.
Über den Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen sollen Hilfsgüter rollen.Bild: imago images / UPI Photo
Nun ist klar: Auch Russland schickt nach Angaben des Zivilschutzministeriums 27 Tonnen Hilfsgüter für den Gazastreifen. Ein Flugzeug startete mit der Ladung vom Flughafen Ramenskoje bei Moskau, wie das Ministerium am Donnerstag mitteilte. Veröffentlicht wurde auch ein Video.
Angriff auf Krankenhaus in Gaza – Israel veröffentlicht Aufnahmen von Hamas-Gespräch
Bei einem Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza sind nach Angaben der Hamas 471 Menschen getötet worden. 324 weitere wurden laut Gesundheitsministerium verletzt. Die Hamas macht Israel dafür verantwortlich. "Hunderte Opfer" befänden sich noch unter den Trümmern des zerstörten Gebäudes auf dem Gelände des Krankenhauses Ahli Arab. Das teilte das Gesundheitsministerium der im Gazastreifen herrschenden radikalen Palästinenserorganisation mit.
Die Ereignisse lösten spontane Proteste weltweit und auch in einigen deutschen Städten aus. Die arabische Welt macht Israel geschlossen für den den Angriff verantwortlich.
Doch die israelische Armee weist die Vorwürfe entschieden zurück. "Das Krankenhaus wurde durch eine fehlgeschlagene Rakete der Terrororganisation 'Islamischer Dschihad' getroffen", erklärte die Armee in der Nacht auf Mittwoch. Dazu veröffentlichte das Militär am Mittwochvormittag angebliche Beweise. So etwa Luftaufnahmen, auf denen das Krankenhaus und ein Parkplatz vor und nach dem Angriff zu sehen sind. Laut Israel sei dabei nicht ein Einschlagloch entstanden, wie bei israelischen Luftangriffen üblich. Auch US-Präsident Biden und eine Sprecherin des US-Sicherheitsrates verteidigten am Mittwoch die Aussage, "dass Israel nicht für die gestrige Explosion in dem Krankenhaus in Gaza verantwortlich ist".
Der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus behauptet gegenüber CNN zudem, ein abgehörtes Gespräch zwischen Hamas-Terroristen beweise die Behauptung. Die Armee veröffentlicte die Audioaufnahme. Darin sind zwei Männer, angeblich Hamas-Mitglieder, zu hören, die sich über den Angriff unterhalten. So sagt ein Mann: "Es ist das erste Mal, dass wir eine Rakete so fallen sehen. Deshalb sagen sie, dass sie zum palästinensischen islamischen Dschihad gehört."
Als der andere Mann ungläubig und fassungslos reagiert, erklärt er die Situation genauer. Dann antwortet das soeben informierte Hamas-Mitglied: "Konnte sie nicht einen anderen Ort zum Explodieren finden?" Wie sich aus dem Gespräch ergibt, soll die Rakete vom Friedhof hinter dem Krankenhaus aus abgefeuert worden sein. Dann habe es eine Fehlzündung gegeben und das Krankenhaus getroffen.
Die Authentizität des Videos lässt sich nicht unabhängig überprüfen.
Hamas ruft zu weltweiten Protesten auf
Seit Ausbruch des Krieges am 7. Oktober ist es weltweit zu Protesten gekommen. Nach dem Raketeneinschlag ins Krankenhaus in Gaza gingen noch mehr Menschen auf die Straße. So wurde am Mittwoch etwa vor der israelischen Botschaft in Jordanien protestiert. Die arabische Welt macht Israel für den Anschlag verantwortlich, trotz angeblichen Gegenbeweisen, die Israel vorgelegt hat.
Jordanien, Amman: Menschen nehmen an einer Pro-Palästina-Kundgebung teil.Bild: PETRA / dpa
Nun ruft die Hamas am Wochenende zu weltweiten Protesten auf. Ein Repräsentant der terroristischen Gruppierung sagte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in der libanesischen Hauptstadt Beirut: "Wir rufen unser palästinensisches Volk und das Volk der arabischen und islamischen Nation auf, am kommenden Freitag in allen Städten (...) zu demonstrieren." Der Grund: Um gegen "Massaker, Kriegsverbrechen und Völkermorde in Gaza" aufzubegehren. Auch am Sonntag solle dieser Protest weitergehen.
(Mit Material der dpa und afp)