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Sozialwohnungen: Die SPD sieht zu, wie bezahlbarer Wohnraum schwindet

ARCHIV - 08.03.2022, Sachsen, Leipzig: Nach dem teilweisen Rückbau der Gerüste sind die Neubauten der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) in der Saalfelder Straße erstmals richtig zu sehen.  ...
Bisher fördert der Bund noch deutlich zu wenig den Ausbau von Sozialwohnungen.Bild: dpa-Zentralbild / Jan Woitas
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Sozialwohnungen: Das verschleppte Projekt der SPD

28.09.2024, 10:00
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Sie inszenierte sich als Vorkämpferin für gerechtes Wohnen, machte Wahlkampf mit bezahlbaren Mieten, mit dem Ausbau von Sozialwohnungen: Die SPD hat gut vorgelegt. Viel passiert ist aber nicht. Und das, obwohl das neu geschaffene Bauministerium sozialdemokratisch besetzt ist.

Bauministerin Klara Geywitz schlurft durch die Legislaturperiode, mit dem Elan eines Teenagers in der Trotzphase. Gelegentlich betont sie, zum Beispiel beim "Focus", dass wir dringend mehr Sozialwohnungen brauchen. Der Einsatz sollte hoffnungsvoll stimmen. Die Bilanz ist aber bitter, vor allem für Mieter:innen.

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Wo sind die ganzen Wohnungen hin?

100.000 öffentlich geförderte Wohnungen im Jahr. Ein markiges Versprechen, festgehalten im Koalitionsvertrag mit dem mutigen Titel "Mehr Fortschritt wagen". Gewagt wurde wenig, der Fortschritt läuft schleppend. 2022 kamen 23.000 neue Sozialwohnungen zum Bestand, nicht einmal ein Viertel der Zielsetzung. Vergangenes Jahr genehmigte der Bund zwar knapp 50.000, doch wie viele letztlich auch fertiggestellt wurden, ist noch unklar.

"Die Lage ist dramatisch. Der Bestand an Sozialwohnungen ist stark rückläufig", sagt Franz Michel, Leiter für Wohnungs- und Mietenpolitik beim Mieterbund, zu watson. "Wir hatten 2006 noch 2 Millionen Sozialwohnungen, jetzt sind wir bei etwa 1,1 Millionen."

Der Rückgang erklärt sich über die Sozialbindung. Wohnungen, die von Privatanbieter:innen zum Beispiel im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden, dürfen nur zu staatlich festgelegten Mieten an Personen mit Wohnungsberechtigungsschein vermietet werden. Darunter fallen Menschen mit geringem Einkommen, in der Regel Alleinerziehende, Erwerbslose, Studierende.

Jedoch greift die Regel nur für einen festgelegten Zeitraum, je nach Bundesland 15 bis 30 Jahre. Danach geht’s in den wilden Westen des freien Markts. Eigenbedarfskündigungen und schmerzhafte Mieterhöhungen – dort herrschen andere Gesetze.

In Regionen mit angespannten Wohnungsmarkt soll die Mietpreisbremse helfen. Die aber krankt daran, dass sie von den Mieter:innen eingeklagt werden muss. Bei einem offensichtlichen Machtgefälle, wie es zwischen Vermieter:innen und Mieter:innen besteht, kostet so eine Klage aber viel Überwindung, ist zudem riskant.

Der Bund könnte an dieser Stelle durchgreifen, doch das lehnt Geywitz ab. "Wir haben keinen Babysitter-Nanny-Staat, der sich in die Vertragsbeziehung zweier Privatpersonen einmischt", sagt sie in der ARD-Doku "Gau am Bau" zu dem Thema.

Keine dauerhafte Sozialbindung in Sicht

Die Lage kann, zumindest für Menschen in Sozialwohnungen, perspektivisch aufgebessert werden, wenn die Sozialbindung zum Beispiel dauerhaft besteht, was auch der Mieterbund fordert.

ARCHIV - 11.06.2024, Berlin: Klara Geywitz (SPD), Bundesministerin für Bau und Wohnen, spricht beim Tag der Immobilienwirtschaft im Tempodrom. (zu dpa: «Geywitz: Schnelle Hilfe bei Wohnungsverlust») F ...
Gegen hartes Durchgreifen: Bundesbauministerin Klara Geywitz.Bild: dpa / Jens Kalaene

Denn: "Jedes Jahr fallen rund 65.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Die im Schnitt jährlich gebauten 25.000 Sozialwohnungen pro Jahr können diesen Rückgang nicht stoppen", sagt Michel. Bisher peilt der Bund eine dauerhafte Sozialbindung jedoch nicht an.

Bleibt noch der Bau. Doch allein um den Bestand an Sozialwohnungen bei einer Million zu halten, "braucht es bis Ende 2035 mehr als eine halbe Million neue Sozialwohnungen." Hier müsste der Bund deutlich intensiver fördern. Wie die Zahlen aber bereits zeigen, sieht es auch diesbezüglich mau aus.

Für ausreichend Wohnungen fehlt das Geld

Dabei hat Bundeskanzler Olaf Scholz noch kürzlich bei der Bundespressekonferenz stolz verkündet, bis 2028 mehr als 20 Milliarden Euro (genauer: 21,65 Milliarden Euro) in den Bau von Sozialwohnungen zu stecken. Ohne Kontext eine stolze Summe. Nur wird sie auf den Zeitraum von 2022 bis 2028 gestreckt.

Um das aufzudröseln: Zuvor waren vom Bund 18,15 Milliarden Euro von 2022 bis 2027 angedacht. Jetzt ist dieser etwas gewachsen, der Förderzeitraum ist dafür aber länger. Das Bundesbauministerium schreibt, dass im kommenden Jahr 3,5 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau fließen, 2024 waren es noch 3,15 Milliarden.

"Das ist zu wenig", beklagt Michel. "Für rund drei Milliarden Euro kriegt man etwa 25.000 neue Wohnungen. Wir brauchen jährlich aber 100.000, nur damit wir das aktuelle Niveau überhaupt halten können." Wir müssen das Vierfache bauen, brauchen entsprechend auch das Vierfache an Mitteln.

Die SPD muss noch einiges tun

Bund und Länder müssten insgesamt, schreibt der Mieterbund, 12,5 Milliarden Euro pro Jahr für den sozialen Wohnungsbau und den Bau bezahlbarer Mietwohnungen für Normalverdienende zur Verfügung stellen. Nach den Haushaltsverhandlungen dürfte diese Forderung jedoch nicht gehört werden.

Mal davon ab, dass 2023 elf Millionen Menschen ein Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein und damit auf eine Sozialwohnung hatten. Es sind also noch deutlich mehr Wohnungen nötig, um diesen Bedarf überhaupt zu decken und ihnen bezahlbare Mieten zu garantieren.

Eine dauerhafte Sozialbindung, mehr Fördermittel für Sozialwohnungen und auch eine harte Hand bei der Mietpreisbremse – die SPD hat viel zu tun. Vor allem, wenn sie ihren Wahlkampfversprechen und ihrer Rolle als Mieter:innen-Partei gerecht werden will. Und ja, da muss sie vielleicht auch mehr auf Nanny-Staat setzen.

Wie sich das Bauministerium zu dem Thema äußert, ist unklar. watson hat angefragt, doch die Antwort steht noch aus.

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