2000 wurde sie CDU-Chefin, nun geht in der Partei die Ära Merkel zu Ende.bild: imago/montage
Analyse
Generation Merkel – wie sich Deutschland in 18 Jahren verändert hat
06.12.2018, 09:08
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Das Ende der Amtszeit von Angela Merkel ist in Sicht – ihr Rückzug
vom CDU-Vorsitz ist der erste Schritt. Vielen junge Deutsche kennen aber gar
niemand anderen mehr im Kanzleramt. Für sie ist Merkel so etwas wie eine
Klammer im eigenen Leben: Es ist viel passiert in den 18 Jahren.
Wenn man die Regierungszeit von Angela Merkel
mit einer Serie vergleicht, kann man sagen: Es läuft die finale
Staffel. Am Freitag gibt Merkel den CDU-Vorsitz ab, bei der nächsten
Bundestagswahl will sie nicht mehr antreten. Die Ära Merkel klingt
aus, das steht fest. Es ist ein Abschied auf Raten.
Für viele Deutsche ist das ein ungewohnter Zustand, vor allem für die
jungen. Wer in den späteren 80ern geboren wurde, verbindet den
allergrößten Teil seiner politischen Erinnerungen mit Merkel im
Kanzleramt.
Man sollte den Vergleich nicht zu sehr bemühen, aber: Es
war eine verdammt lange Serie, mit vielen Staffeln und wechselnden
Nebendarstellern. Aber immer mit derselben Hauptdarstellerin. Merkel
war immer da, höchstens mal kurz im Urlaub in Südtirol.
"Game of Thrones" und die Streamingdienste waren zu Beginn von Merkels Regierung noch Zukunftsmusik. Bild: imago
Passenderweise gehören der "Generation Merkel" viele Leute an, die
sich mit Serien bestens auskennen. In die Ära Merkel fällt - ohne ihr
Zutun - der Aufstieg des Streamingdienstes Netflix, der Hype um
Serien wie "Game of Thrones". Als Merkel 2000 CDU-Chefin wurde,
surrten dagegen in weiten Landesteilen noch klobige Röhrenfernseher.
Als sie 2005 Kanzlerin wurde, gab es noch kein iPhone.
Das verdeutlicht, dass sich in der Ära Merkel vielleicht nichts an
der Spitze von CDU und Bundesregierung verändert hat - drumherum im
Land aber schon. Was hat die "Generation Merkel" erlebt? Es ist eine
Frage, die man jetzt stellen kann.
Ein Blick zurück. Im Jahr 2000, in dem Merkel zur CDU-Chefin
aufsteigt, sieht das Leben für Teenager in Deutschland anders aus als
heute. Es gibt noch die D-Mark, die Wehrpflicht ist noch nicht
ausgesetzt. Außerdem: Baggy Pants.
Gecastet in der Show "Popstars": Die No Angels und Merkel starteten zeitgleich durch.Bild: imago stock&people
Im Fernsehen läuft eine als große
Neuerung geltende Show, weil dort eine Band gecastet wird: "Popstars". In den Charts regiert derweil DJ Ötzi, der über einen "Anton aus Tirol" singt. Und die Fußball-Nationalmannschaft vergurkt
auf kolossale Weise eine EM in Belgien und den Niederlanden. Gut, bei
diesem Punkt mag man Parallelen zu 2018 sehen.
Singt bis heute: DJ Ötzi.Bild: imago stock&people
Vor allem aber gibt es noch kein schnelles Internet. "Auf
gesellschaftlicher Ebene betreffen die Veränderungen vor allem die
Digitalisierung und die Geschlechterverhältnisse", sagt Andreas
Rödder, Professor für Neueste Geschichte an der Uni Mainz, wenn man
ihn nach den großen Umbrüchen seit 2000 fragt.
Mit einer Kontroverse um Sprüche von FDP-Minister Reiner Brüderle begann die "#aufschrei"-Debatte.Bild: imago stock&people
Durch die
Digitalisierung hätten sich Takt und Menge von Kommunikation massiv
verändert. "Sie hat zu einer enormen Beschleunigung geführt - aber
auch zu einer größeren Aufgeregtheit." Interessanterweise unter einer
Kanzlerin, die als recht unaufgeregt wahrgenommen wird.
Was das Geschlechterverhältnis betrifft, sind die Debatten noch
frisch im Gedächtnis – #aufschrei und #MeToo. Rödder nennt sie "Aufgipfelungen". Es ist etwas in Bewegung gekommen. "Das
Gender-Mainstreaming, also die Gleichstellung von Mann und Frau, ist
ein Prozess, der sich geradezu exponentiell verstärkt", sagt er.
Ein weiterer roter Faden: Die Generation, die in Merkel-Land
aufwächst, erlebt, wie wieder anders über die ökonomische Stärke
Deutschlands gesprochen wird. Nämlich gar nicht so schlecht. Dabei
hatten Wirtschaftsexperten die Zukunft zuvor in Talkshows wie "Sabine
Christiansen" noch in trübsten Farben ausgemalt.
All das darf dürfte auf die eine oder andere Weise abgefärbt haben.
Mitunter führt es auch zu Zerrissenheiten. Es gibt eine Sehnsucht
nach Althergebrachtem. Viele Gespräche werden heute zackig im
Digitalen abgewickelt – gerade viele Jüngere wollten aber auch mal
wieder wie früher in der Kneipe quatschen, beobachtet der Forscher
Ulrich Reinhardt von der Stiftung für Zukunftsfragen.
Zum Schluss muss man sich natürlich fragen, ob auch Merkel selbst auf diese Generation abgefärbt hat.
Naja, sagt der Jugendforscher Klaus
Hurrelmann: Zumindest lasse sich ein gewisser Gleichklang erkennen.
Merkels Politikstil sei moderierend, vorsichtig, tastend. Mit
Entscheidungen warte sie, bis es kaum mehr anders gehe.
"Das entspricht voll dem Entscheidungsverhalten der meisten jungen
Leute", sagt Hurrelmann. Denn die hätten so viele Optionen für die
eigene Lebensgestaltung, dass das Entscheiden schwer falle.
Man
überstürze nichts und versuche, möglichst keine unangenehmen Fehler
zu machen.
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