Donald Trump und Kamala Harris kämpfen um den Einzug ins Weiße Haus.Bild: imago images / Brian Cahn
Analyse
Kamala Harris und Donald Trump lieferten sich ein hitziges TV-Duell. Das Material für Memes ist unendlich. Die Anwältin nahm den verurteilten Straftäter in die Mangel. Harris' verbale Attacken wie "Putin would eat you for lunch" saßen tief. Manchmal strafte sie Trump auch allein durch ihre Blicke.
90 Minuten lang debattierten die demokratische Vizepräsidentin und der republikanische Ex-Präsident am Dienstag über Top-Themen des Wahlkampfs wie Wirtschafts- und Migrationspolitik, Abtreibung und Außenpolitik.
Kamala Harris war in Topform.Bild: imago images / Brian Cahn
Laut dem US-Experten Thomas Greven sind Harris zwei Dinge gelungen.
USA-Experten: Harris ließ Trump auflaufen
"Harris hat es geschafft, sich den Zuschauern als leidenschaftliche, aber kontrollierte Kandidatin vorzustellen." Gleichzeitig konnte sie Trump aber so reizen, "dass er immer wieder die Art von Aussagen traf, die bei seinem Personenkult unwidersprochen bleiben, in der allgemeinen Bevölkerung aber Kopfschütteln auslösen", sagt er auf watson-Anfrage.
Im TV-Duell versuchte Trump etwa mit der bereits widerlegten Behauptung zu punkten, haitianische Migrant:innen würden im Bundesstaat Ohio Hauskatzen verspeisen. "In Springfield essen sie die Hunde – die Menschen, die hereingekommen sind – sie essen die Katzen, sie essen die Haustiere der Menschen, die dort leben", sagte der ehemalige Präsident während der im TV-Sender ABC ausgestrahlten Debatte.
"In Bezug auf das Format war positiv, dass die Moderatoren Falschaussagen von Trump richtiggestellt haben, sodass Trump früh klar war, dass er in dieser Debatte nicht ungeschoren davonkommen würde, wenn er Verschwörungstheorien verbreitet", sagt Politikwissenschaftler Dominik Tolksdorf auf watson-Anfrage.
Der Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik war überrascht, wie sehr Harris in der Debatte auf eine Angriffsstrategie gesetzt hat und Trump damit in Defensive getrieben habe. "Dadurch fühlte sich Trump unter Druck gesetzt, darauf einzugehen. Harris trieb Trump also streckenweise mit dessen eigenen Methoden in die Enge", meint Tolksdorf.
Diese Strategie sei allerdings auch etwas auf Kosten der Gelegenheit für Harris gegangen, sich den Wähler:innen, die noch kein so klares Bild von ihrer Vision für das Land und ihrer Politik haben, besser vorzustellen.
Laut Greven hat Harris aber eine gute Mischung zwischen persönlichen und politischen Inhalten gefunden und immer wieder gezeigt, wie lächerlich beziehungsweise extrem Trumps Aussagen seien, führt der Politikwissenschaftler vom Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin aus.
"Wenig überraschend hat Trump es nicht geschafft, diszipliniert zu bleiben und nicht widerstanden, sich auf Verschwörungsnarrative zu verlegen", meint Greven. Demnach sieht er in Harris die "klare Siegerin" des TV-Duells.
Für Greven war vor allem die Dynamik entscheidend; der zunehmende Kontrast zwischen einer zwar emotionalen, aber kontrollierten Harris, und einem immer weniger kontrollierten "rambling" Trump.
"Harris hat auf jeden Fall keine größeren Fehler gemacht, während Trump immer mal wieder geschwächt wirkte", sagt Tolksdorf. Er glaube aber nicht, dass die Debatte viele der schon entschlossenen Wähler:innen umgestimmt hat. "Viel wichtiger ist die kleine Zahl von noch unentschlossenen Wähler:innen in den Swing States, und die Frage, welchen Kandidat:in diese überzeugender fanden", betont er.
Donald Trump bei der TV-Debatte gegen Kamala Harris.Bild: imago images / Michael Le BrechtxII
Welchen Einfluss die Debatte auf diese kleine Gruppe hatte, werde sich erst noch zeigen.
Allerdings habe Harris stärker als Trump versucht, auf die "Swing Voters" einzugehen. Die Demokratin erinnerte etwa daran, dass sie und ihr Vize Tim Walz auch Waffenbesitzer seien. Der Experte sieht darin ein "klares Signal an Swing Voters", dass sie grundsätzlich nicht den zweiten Zusatzartikel der Verfassung in Frage stellen und nicht die "crazy liberals" seien.
Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich
hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden?
Hier findest du unseren Broadcast-Channel.
Während die 59-Jährige in der Debatte allgemein versuchte, eine hoffnungsvolle Botschaft von einem wieder geeinten Land zu verbreiten, entwarf Trump das Bild vom Niedergang der USA und einem "gescheiterten Staat".
USA: Trump nennt Harris eine "Marxistin"
"Donald Trump hat uns die schlimmste Arbeitslosigkeit seit der Großen Depression hinterlassen", sagte Harris über die Amtszeit Trumps (2017-2021). Der Republikaner habe überdies "den schlimmsten Angriff auf unsere Demokratie seit dem Bürgerkrieg" zu verantworten. Sie und Präsident Joe Biden seien anschließend damit befasst gewesen, "Donald Trumps Schlamassel aufzuräumen".
Trump warf der demokratischen Vizepräsidentin einmal mehr vor, "eine Marxistin" zu sein und keinen Plan zu haben. "Sie hat Bidens Plan kopiert, und der besteht aus vier Sätzen, die nur lauten: 'Oh, wir werden versuchen, die Steuern zu senken'", sagte der 78-jährige Immobilienmilliardär.
Mehrfach warf er seiner demokratischen Widersacherin vor, bei ihren Stellungnahmen zu lügen. Beim Thema Abtreibung sagte Harris, Trump verbreite dazu "eine Menge Lügen". Als Präsident habe er drei Richter:innen des Obersten Gerichtshofs "persönlich ausgewählt", um anschließend das landesweite Recht auf Abtreibung zu kippen.
Indem er über diese Vorgänge die Unwahrheit sage, "beleidigt er die amerikanischen Frauen", sagte die Vizepräsidentin.
In der Außenpolitik sagte Harris über den Republikaner, dieser sei eine internationale Lachnummer.
USA: Harris nennt Trump eine "internationale Lachnummer"
"Die führenden Politiker der Welt lachen über Donald Trump", sagte Harris. Sie warf Trump vor, sich Machthabern wie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin anzubiedern, der "ihn zum Mittagessen verspeisen würde".
Diktatoren und Autokraten sähen Trump gern im Weißen Haus, denn ihnen sei klar, dass sie den Immobilienmilliardär "mit Schmeicheleien und Gefälligkeiten manipulieren" könnten.
Dieser weigerte sich im Verlauf des Duells erneut, seine Wahlniederlage 2020 anzuerkennen.
USA: Trump packt erneut seine "gestohlenen Wahlen"-Lüge aus
"Sehen Sie, es gibt so viele Beweise. Sie müssen es sich nur ansehen... Ich habe fast 75 Millionen Stimmen erhalten, die meisten Stimmen, die ein amtierender Präsident jemals erhalten hat", sagte Trump.
Der Republikaner hatte nach der Wahlniederlage gegen den derzeitigen Amtsinhaber Joe Biden im Jahr 2020 diese nicht anerkannt und entgegen allen Tatsachen behauptet, er sei um seinen Wahlsieg betrogen worden.
Wegen seiner Versuche, das Ergebnis nachträglich zu kippen und in einen Sieg umzuwandeln, ist der 78-Jährige in zwei Verfahren angeklagt. Im diesjährigen Wahlkampf gab er deutlich zu verstehen, dass er eine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2024 ebenfalls nicht akzeptieren und dagegen vorgehen werde.
Harris hielt Trump seine verschiedenen Strafverfahren vor und die Tatsache, dass er seit dem Schuldspruch im Schweigegeldprozess ein verurteilter Straftäter ist.
Zudem streute Harris noch Salz in Trumps Ego-Wunde: die nicht so ganz gefüllten Hallen bei seinen Wahlkampfveranstaltungen. Harris forderte die Zuschauer auf, mal eine Trump-Rally zu besuchen, um sich selbst ein Bild zu machen. Laut ihr verlassen Besuchende das Event vorzeitig aus Langeweile.
Es war das erste TV-Duell zwischen Trump und Harris. Unmittelbar nach Ende der Debatte forderte das Harris-Team den 78-jährigen Republikaner auf, sich einer zweiten Debatte zu stellen. Bisher hatten sich beide Lager nicht auf weitere Termine einigen können.
Trump sagte, es sei seine "beste Debatte" gewesen, und warf den beiden ABC-Moderatoren vor, parteiisch gewesen zu sein.
"Es war drei gegen einen", schrieb Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social. Doch nur wenige Minuten nach der Debatte musste Trump noch einen Schlag von einer "kinderlosen Cat Lady" einstecken: Megastar Taylor Swift erklärte auf Instagram, sie werde bei der Wahl am 5. November Harris ihre Stimme geben.
(Mit Material der afp)