Politik
Analyse

US-Wahl 2024: Wie die Republikaner sie mit Lügen torpedieren wollen

Atlanta, GA / USA - August 24, 2023: A flag that says Trump
Bis heute halten Donald Trump und seine Anhängerschaft an der haltlosen These der gestohlenen Wahl 2020 fest.Bild: imago images / BlueEyes60
Analyse

US-Wahl 2024: Wie die Republikaner sie mit Lügen torpedieren wollen

07.09.2024, 15:07
Mehr «Politik»

Eine vierjährige Justiz-Saga endete für eine Verschwörerin im Juni unspektakulär. In einem gerichtlichen Hinterzimmer schloss Lorraine Pellegrino einen Deal mit Arizonas Staatsanwalt mit dem Geständnis der versuchten Wahlmanipulation. Sie gehörte aber nicht zum wütenden Mob, der wenig später das US-Kapitol in Washington stürmte.

Ihre Rolle beim gescheiterten Wahlklau war offiziell. Als Wahlfrau sollte sie das Ergebnis dem Kongress übergeben. Simple Aufgabe, große Verantwortung. Der wurde sie nicht gerecht, denn wie 83 andere Wahlleute gehörte sie den "Fake electors" an, die gefälschte Ergebnisse überlieferten.

Zwar scheiterte Trumps Coup – über den Berg ist die US-Demokratie aber noch lange nicht. Während Rivalin Kamala Harris in Umfragen Boden gut macht, feilen Trumps Vasallen hinter den Kulissen an Methoden, um den Willen von Wähler:innen zu untergraben. Einige davon sind bizarr, andere wecken düstere Erinnerungen.

Alle Augen auf Georgia: Maga-Republikaner in Schlüsselpositionen

Die Augen vieler Demokrat:innen ruhen nun auf Georgia. Schon bei der letzten Wahl spielte der "Battleground State" eine zentrale Rolle.

Ein verzweifelter Donald Trump bettelte damals Georgias Wahlkommissar an, schnell noch 11.700 Stimmen zu finden. Sein Parteifreund Brad Raffensperger verweigerte ihm in einem legendären Telefonat die Komplizenschaft.

Brad Raffensperger, Georgia Secretary of State, is sworn in to testify as the House select committee investigating the Jan. 6 attack on the U.S. Capitol continues to reveal its findings of a year-long ...
Brad Raffensperger verteidigte gegen Parteifreund Trump 2020 die legitime Wahl in Georgia.Bild: ap / Jacquelyn Martin

Kürzlich verlor Raffensperger – mutmaßlich deshalb – seinen Job in der Wahlkommission. Denn die modelte das republikanisch dominierte Staatsparlament kräftig um. Wie seine beiden Co-Vorsitzenden musste der traditionelle Republikaner Vertreter:innen des Maga-Flügels weichen. Beim Personalwechsel blieb es nicht.

Mit einer Reihe von Änderungen soll das Gremium Trumps loyalen Anhänger:innen ermöglichen, die Auszählung zu verzögern und mit Klagen zu überziehen. Die Reform erlaubt es lokalen Wahlleiter:innen, eine "Untersuchung" einzuleiten.

Kritiker:innen zufolge sind die neuen Paragrafen absichtlich vage formuliert, um ohne große Hürden klagen zu können. Was geringfügig klingt, hat es in sich. US-Reporter Ari Berman beschrieb in einem Interview mit "Democracy Now!", was bezweckt wird:

"Das Ziel ist es, die Bestätigung des Wahlergebnisses von einer Pflicht – wie es bundesweit jahrzehntelang betrieben wurde – zu einer Option zu degradieren. (...) Es scheint, als legten die Republikaner das Fundament, die Wahlbestätigung zu umgehen, falls Kamala Harris gewinnt."

Trumps Ziel: Zweifel säen für die Rückkehr ins Weiße Haus

Georgias Wahlrechtsreform ist nur die Spitze des Eisbergs. In mehreren Swing States, wie die für den Wahlausgang entscheidenden Staaten genannt werden, nahmen die Republikaner Änderungen bis hinunter auf die Ebene einzelner Wahllokale vor.

Laut "Rolling Stone" bestückten die Republikaner allein in den sieben Swing States 70 Wahlbezirke mit Vorstehern, die Trumps Lüge der gestohlenen Wahl anhängen.

Republican presidential nominee former President Donald Trump speaks during a campaign event at Alro Steel, Thursday, Aug. 29, 2024, in Potterville, Mich. (AP Photo/Paul Sancya)
Trump versucht, sich als Kämpfer zu inszenieren. In den Umfragen hinkt er hinterher.Bild: AP / Paul Sancya

In Texas führten Polizist:innen Razzien gegen NGOs durch, die Lateinamerikanern den Zugang zur Wahl erleichtern wollen. Kritiker:innen hefteten der Aktion das Etikett "Wählerunterdrückung" an.

"Der Vorwurf lautet: Die Demokraten würden illegale Einwanderer als Stimmvieh missbrauchen."
US-Wahlrechtsexperte Manfred Berg

Die beobachtet auch US-Wahlrechtsexperte Manfred Berg. Der Professor für US-amerikanische Geschichte an der Universität Heidelberg zeichnet in seinem Buch "Das gespaltene Haus" die tiefer werdende Spaltung auf. Er beobachtet "eine lange Tradition der Wahlrechtsverkürzung, speziell gegenüber Minderheiten und der afroamerikanischen Bevölkerung".

Berg erklärt im Gespräch mit watson: "Die amerikanische Wahlgeschichte hat eine lange, illustre Tradition des Wahlbetrugs". Was heute "kein Problem mehr" sei, versuchen die Republikaner auszuschlachten, um Zweifel zu säen.

Eine zentrale Behauptung ist uralt. Dabei nutzen die Republikaner den Dauerstreit um die Einwanderung. "Der Vorwurf lautet: Die Demokraten würden illegale Einwanderer als Stimmvieh missbrauchen", erklärt der Experte.

Die Rolle rückwärts des Supreme Court: Bürgerrechte waren gestern

Seit der Bürgerrechtsbewegung waren Einschränkungen des Wahlrechts jahrzehntelang passé. Doch der Supreme Court kassierte unter konservativer Ägide wichtige Entscheidungen, erklärt Berg: "Die Wahlrechtsreform von 1965 ist durch verschiedene Entscheidungen des Supreme Courts erheblich geschwächt worden".

November 14, 2020, Washington, District of Columbia, USA: Thousands of people take part in a pro-Trump MAGA rally march on Pennsylvania Avenue, Northwest from Freedom Plaza to the United States Suprem ...
Trumps Anhängerschaft glaubt schon lange nicht mehr an faire, freie Wahlen.Bild: imago images / Rod Lamkey

Die Konsequenz: 2024 gibt es nur halb so viele Wahllokale als noch vor sechs Jahren. Aktivist:innen glauben, dass vor allem in ärmeren Gegenden so der Gang zur Urne erschwert werden soll.

Die Einschränkungen sind keine neue Idee. In vielen US-Staaten wurde nach Trumps Niederlage die Zahl der Wahlbriefkästen stark reduziert. Besonders grotesk ist das Verbot, Wasser an Wartende vor Wahllokalen zu verteilen. US-Historiker Berg spricht dabei von "verrückten Schikanen. Als ob das einen Einfluss auf deren Entscheidung hätte."

ARCHIV - 06.01.2021, USA, Washington: Anh�nger des damaligen US-Pr�sidenten Trump st�rmen das US-Kapitolgeb�ude, wo die Abgeordneten den Sieg des gew�hlten Pr�sidenten Biden bei der Wahl im November b ...
2021 stürmten Trump-Anhänger:innen das US-Kapitol bei der Wahlbestätigung.Bild: Zuma Press / Essdras M. Suarez

Im krassen Gegensatz dazu steht die Tatsache, dass Trump – entgegen den Gepflogenheiten – trotz seiner Verurteilung in New York wegen des Schweigegeldprozesses um einen geschmierten Pornostar seine Stimme abgeben darf.

Selbst in Haft dürfte Trump zur Urne schreiten. Denn: Die Jurisdiktion in seinem Heimatstaat Florida erkennt den Straftatbestand nicht an. Berg findet: "Trump wird im November nicht im Gefängnis sitzen, obwohl er dort hingehört. Aber nicht wegen der Stormy-Daniels-Geschichte, sondern wegen des Putschversuchs."

Konservative rekrutieren "Armee von Wahlbeobachtern"

Die Strategie beschränkt Trump aber nicht auf Einzelstaaten. Eine "Armee von 100.000 Wahlbeobachtern" wurde rekrutiert, wie der "Guardian" schreibt. Diese sollen am 5. November bundesweit über Unregelmäßigkeiten berichten.

Im Anschluss an die verlorene Wahl 2020 hatten Beobachtende offiziell Beschwerde eingereicht über angebliche Wahlverzerrungen. 64 Gerichtsprozesse mündeten daraus. 63 Mal unterlag Trump.

Für neue juristischen Attacken zauberte Trump jüngst eine Überraschung aus dem Hut: Mit Christina Bobb leitet nun eine harte Verfechterin der großen Wahllüge den Rechtsbeistand seiner Kampagne.

Anders als 2016 scheint die Strategie nicht mehr primär zu sein, durch falsche Wahlleute zum Erfolg zu kommen, auch wenn Politikwissenschaftler Dominik Tolksdorf das auf watson-Nachfrage für "grundsätzlich möglich" hält.

Watson ist jetzt auf Whatsapp
Jetzt auf Whatsapp und Instagram: dein watson-Update! Wir versorgen dich hier auf Whatsapp mit den watson-Highlights des Tages. Nur einmal pro Tag – kein Spam, kein Blabla, nur sieben Links. Versprochen! Du möchtest lieber auf Instagram informiert werden? Hier findest du unseren Broadcast-Channel.

Der Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik weist darauf hin, dass statt Trumps Ex-Vizepräsidenten Mike Pence nun Kamala Harris für die Bestätigung des Wahlergebnisses zuständig ist, was Trump eines Jokers beraubt. Berg pflichtet bei: "Trump ist alles zuzutrauen. Aber diesmal hat er keine präsidentielle Macht."

Neuauflage von Skandalwahl 2000 nicht ausgeschlossen

Tolksdorf verweist aber auf eine Klage, mit der Texas 2020 die Auszählung in den Swing States in letzter Minute stoppen wollte, als Trumps Vorsprung vor Biden schwand.

Der Widerspruch wurde damals abgeschmettert, das sei aber "keine Garantie dafür, dass der Supreme Court bei den kommenden Wahlen in einem ähnlichen Fall wieder so entscheiden würde", sagt er.

Um das Weiße Haus zurückzuerobern, scheint Trump auf eine Doppelstrategie zu bauen. Zuerst soll der Glaube an eine legitime Wahl mit Lügen, Gerüchten und feindlicher Rhetorik untergraben werden.

Den gesäten Zweifel wollen die Konservativen im zweiten Schritt vor Gericht ernten. Tolksdorf erinnert an die Wahl vor 24 Jahren. Der Supreme Court hatte "im Jahr 2000 schon eine zentrale Rolle bei der Wahl von George W. Bush gespielt". Damals wurde die Auszählung im entscheidenden US-Staat, Florida, per Handstreich gestoppt.

Der Supreme Court scheint zum Streuen von noch mehr Chaos gar nicht nötig zu sein. Eine Klagewelle in Georgia könnte festgeschriebene Stichtage gefährden. Dann könnte passieren, was vor vier Jahren weder Trump noch seinem Mob gelungen ist: die Verhinderung der Wahlbestätigung.

Christian Lindner macht Markus Söder für Ampel-Chaos verantwortlich

Die FDP windet sich weiter in ihrer selbstgewählten Zwangslage als Regierungspartei. Immer wieder kokettieren Spitzenpolitiker der Liberalen mit dem Ausstieg aus der Ampel-Regierung. Nach der desaströsen Brandenburgwahl Ende September kündigte Parteichef Christian Lindner einen "Herbst der Entscheidungen an".

Zur Story