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USA: Was sich Donald Trump vom Ende der Syrien-Sanktionen verspricht

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Präsident Donald Trump kam mit großen Ankündigungen nach Saudi Arabien.Bild: imago images / Saudi PressxAgency
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Donald Trump hebt Syrien-Sanktionen auf: Betroffene zwischen Euphorie und Skepsis

US-Präsident Donald Trump will die Syrien-Sanktionen aufheben. Warum gleichzeitig Grund zur Freude und zur Besorgnis besteht, erklären ein Syrer, ein humanitärer Helfer und zwei Politikwissenschaftler.
15.05.2025, 18:4315.05.2025, 18:43
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Unter tosendem Applaus verkündet US-Präsident Donald Trump in Saudi-Arabien die Aufhebung der Sanktionen gegen Syrien. Dankend legt der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman beide Hände auf seine Brust und strahlt bis über beide Ohren.

Trump wolle Syrien eine Chance geben, großartig zu werden. Aber ihm zufolge sei es der Wunsch von bin Salman gewesen, die Sanktionen aufzuheben.

Syrien ist von einem langen Krieg gebeutelt. 2011 begann das Elend, als Diktator Baschar al-Assad die Proteste gegen sein Regime brutal niederschlagen ließ. Inländische und ausländische Akteure heizten den Konflikt weiter an.

Regimekräfte, Rebellen, extremistische Gruppen und ausländische Mächte – darunter etwa Russland, der Iran, die USA und Saudi-Arabien – unterstützen verschiedene Seiten.

Ende 2024 kam es zum überraschenden Ende von al-Assad. Die islamistische HTS-Miliz war maßgeblich am Umsturz des verhassten Regimes in Syrien beteiligt. Ihr Chef Ahmed al-Scharaa ist seitdem de facto der neue Führer Syriens.

Syrien-Sanktionen: Angehöriger der Drusen sieht Aufhebung kritisch

Expert:innen äußerten sich besorgt um die in Syrien lebenden Minderheiten: die Christen, Alawiten, Schiiten und Drusen. Schließlich geht die HTS aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger Al-Qaidas, hervor und wird vielfach als Terrororganisation eingestuft. Heute distanziert sie sich von ihren Ursprüngen und gibt sich moderat.

Anfang Mai gab es ein Blutbad in den drusisch geprägten Regionen Syriens – wohl auch durch die Hand der Regierung, wie Aufnahmen zeigen sollen und Zeug:innen behaupten. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden mindestens 101 Menschen getötet, darunter Regierungstruppen, Drusen-Kämpfer und Zivilist:innen.

"Ich sehe die Aufhebung der Sanktionen mit gemischten Gefühlen", sagt der Syrer Omar Alkadamani im Gespräch mit watson. Mit zwölf Jahren floh er nach Deutschland. Als Druse wurde er in seiner Heimat Suweida vom "Islamischen Staat" (IS) und dem Assad-Regime verfolgt. Jetzt habe er Freunde und Bekannte durch die neue Regierung verloren.

"Ich habe so viele grausame Videos erhalten. Die Islamisten haben die Oberhand gewonnen", sagt er. Dabei war seine Hoffnung Ende 2024 noch groß, dass die Dinge sich zum Guten wenden könnten.

"Dass nun Möchtegern-Autokrat Trump den Islamisten noch auf die Schulter klopft und die Sanktionen aufhebt, finde ich verwerflich", meint Omar. Auch wisse man nicht, an welche Bedingungen all das geknüpft sei. "Schließlich ist Trump ein Geschäftsmann", fügt er an.

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Der saudische Kronprinz bin Salman (l.), Trump und Syriens Führer Ahmed al-Scharaa (r.) Bild: imago images / eyepress 268081

Trump fordert bereits den Übergangspräsidenten al-Scharaa dazu auf, Israel anzuerkennen. Die Länder befinden sich seit Jahrzehnten im Kriegszustand. "Das wird in der syrischen Bevölkerung langfristig nicht gut ankommen", meint Omar.

Saudi-Arabien erhofft sich laut ihm mit dem Ende der Sanktionen wirtschaftliche sowie geopolitische Vorteile. Dabei begrüßte Kronprinz bin Salman noch 2023 al-Assad beim Gipfel der Arabischen Liga mit einem Bruderkuss.

Für Omar steht fest: "Weder Trump noch dem saudischen Kronprinzen liegt das Wohl der Menschen besonders am Herzen." Für die syrische Bevölkerung werde das Ende der Sanktionen aber zunächst eine große Erleichterung bringen.

Aufhebung der Syrien-Sanktionen als Segen für die humanitäre Hilfe

"Die Stimmung im Land ist sehr euphorisch", sagt Thorsten Klose-Zuber, Generalsekretär von der Hilfsorganisation "Help – Hilfe zur Selbsthilfe" auf watson-Anfrage. Er ist gerade vor Ort und erlebte, wie die Menschen in Damaskus vor lauter Freude auf die Straße gingen.

13.05.2025, Syrien, Idlib-Stadt: Syrer feiern auf dem Uhrenplatz im Zentrum der Stadt Idlib nach der Entscheidung von US-Präsident Trump, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben. Foto: Moawia Atrash/dp ...
Syrer:innen feiern Trumps Ankündigung, die Sanktionen aufzuheben. Bild: dpa / Moawia Atrash

Klose-Zuber begrüßt die Aufhebung der Sanktionen: "Als Hilfsorganisation können wir nun in viel größerem Maße und auch leichter aktiv werden." Hilfsgelder können demnach wieder leichter nach Syrien fließen.

"Damit wird auch die Beschaffung von Hilfsgütern und weiteren Bedarfsmitteln vereinfacht. Dies wiederum würde eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und des Wiederaufbaus im Land vorantreiben", sagt der humanitäre Helfer. Laut ihm sind nach rund 14 Jahren Bürgerkrieg rund 17 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Daher sei die Nachricht eine Freudenbotschaft und ein Grund zur Hoffnung. Syrier:innen können nun in ihre Heimatorte zurückkehren. Durch die Aufhebung der Sanktionen bekommen sie laut Klose-Zuber schnellere und bessere Hilfe und die Möglichkeit, ihre Heimat und die Wirtschaft im Land wieder aufzubauen. Das sei unerlässlich, um eine langfristige Stabilität und Frieden in Syrien zu gewährleisten.

"Für uns als humanitärer Akteur bestehen tatsächlich nur Vorteile in der Aufhebung der Sanktionen", sagt er.

Trumps Entscheidung, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, birgt laut des Nahost-Experten Bahadir Dincer aber auch Risiken.

Syrien-Sanktionen: Nahost-Experte warnt vor negativen Folgen

Einerseits sei die Aufhebung der Sanktionen notwendig, um Raum für den Wiederaufbau zu schaffen, meint Dincer vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC). Andererseits bestehe aber die Gefahr, dass ohne Bedingungen oder Kontrollen vorgegangen werde.

Ungelöste Strukturen der Gewalt und Unterdrückung könnten laut ihm legitimiert werden. Er führt aus:

"Die Aufhebung der Sanktionen schafft neue Chancen, doch ohne Rechenschaftspflicht und Kontrolle könnten diese Chancen ebenso leicht zu einer Verstärkung von Ausgrenzung und Ungerechtigkeit führen."

Geopolitisch könnte die Aufhebung der Sanktionen ohne einen politischen Fahrplan das ohnehin fragile Gleichgewicht in der Region weiter destabilisieren, warnt Dincer.

Laut ihm wird die Aufhebung der Sanktionen allein Syrien nicht näher zum Frieden bringen – es sei denn, sie geht mit strukturellen Reformen, Gerechtigkeit und Rechenschaftspflicht einher.

Politikwissenschaftler Heinz Gärtner geht auf watson-Anfrage davon aus, dass Trumps Entscheidung kein Schnellschuss gewesen sei, sondern Teil einer weitreichenderen Strategie.

Ende der Syrien-Sanktionen: Was sich Trump davon verspricht

Vor allem Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar begrüßen Gärtner zufolge die Aufhebung der Sanktionen. Er ist Vorsitzender des Beirates des International Institute for Peace (IIP) und lehrt an der Universität Wien.

Die Türkei sehe ihre Interessen von dem neuen System mehr gewahrt als von dem Vorgängerregime. Selbst Israel halte sich die Optionen offen, indem es indirekte Gespräche mit der neuen Regierung führe – trotz ständiger Angriffe auf syrisches Territorium, wo Israel Aufständische vermutet.

Und die USA?

Gärtner betont, dass der neue syrische Führer al-Scharaa den USA weitreichende Investitionsmöglichkeiten angeboten habe, falls die Sanktionen aufgehoben werden. "Das ist nicht nur für Donald Trump attraktiv, sondern der Einfluss Russlands und Chinas kann damit begrenzt werden", meint der Experte.

Als geopolitischen Verlierer sieht Gärtner den Iran, der versuche, Stimmung gegen das neue Regime in Syrien zu machen. Der Iran gilt als enger Verbündeter von al-Assad.

Der Experte sagt weiter:

"Trump will sich aus Konflikten zurückziehen, die nicht im direkten Interesse der USA liegen. Die USA wollen auch ihre Truppenstärke in Syrien mindestens halbieren. Das Konzept lautet Regionalisierung. Alle regionalen Akteure bekommen mehr Verantwortung."

Der Spielraum des Iran werde dadurch eingeschränkt und die USA sollen wirtschaftlich profitieren. "Natürlich ist ein Erfolg nicht garantiert", meint Gärtner. Auch US-Präsident Richard Nixon verfolgte laut ihm die Strategie, um sich aus dem Vietnamkrieg zurückzuziehen. Die Kommunisten übernahmen damals die Macht.

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