![Deutscher Bundestag, 209. Plenarsitzung Regierungserklaerung Dr. Sahra Wagenknecht BSW verlaesst das Rednerpult nach ihrer Rede bei der 209. Sitzung des Deutschen Bundestag in Berlin, 29.01.2025 Berli ...](/imgdb/e77e/Qx,A,0,0,2000,1333,833,555,333,222/1523767144314768)
Bundestagswahl: Die derzeitigen Umfragewerte für Sahra Wagenknecht und ihr BSW sind dürftig. Bild: imago images / Political-Moments
Analyse
06.02.2025, 08:0106.02.2025, 08:07
Nach den Landtagswahlen in Ostdeutschland verkündete Sahra Wagenknecht, ihre junge Partei sei "zu einem Machtfaktor in Deutschland geworden." Was sie zunächst mit ihren Verbündeten als Verein ins Leben gerufen hatte, wurde Anfang 2024 zur Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).
Kurz darauf erzielte das BSW zweistellige Ergebnisse bei den Ostwahlen und ist drittstärkste Kraft in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
Das BSW schlug ein und krempelte die Parteilandschaft um. Genau das ist laut Wagenknecht der Anspruch des Bündnisses gewesen, wie sie in zahlreichen Interviews betonte. Das BSW soll eine "seriöse Adresse" sein, etwa für AfD-Wählende: eine Alternative für die Alternative.
Doch ausgerechnet vor der Bundestagswahl brechen die Umfragewerte ein und liegen gerade so bei der 5-Prozent-Hürde. Während Wagenknecht vor den Landtagswahlen eine Wahlkampfveranstaltung nach der anderen abhielt, ist sie derzeit kaum präsent.
BSW lebt von Sahra Wagenknecht als "Führerin"
Politikwissenschaftler Hans Vorländer bezeichnet den aktuellen Wahlkampf als "verzweifelten Versuch, den schlechten Umfragewerten zu entkommen". Er lehrt und forscht an der Technischen Universität Dresden und ist unter anderem Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung.
![Wahlplakat Sahra Wagenknecht, Vorsitzende BSW, auf dem Marienplatz, München, 3. Februar 2025 Deutschland, München, 03. Februar 2025, Wahlplakat Sahra Wagenknecht, Vorsitzende BSW, zur Bundestagswahl, ...](/imgdb/1097/Qx,B,0,104,2000,1124,545,288,332,299/7040068797590383)
Das BSW tritt auch bei der Bundestagswahl 2025 an.Bild: imago images / Wolfgang Maria Weber
Für ihn ist klar: "Wenn das BSW nicht in den Bundestag gelangt, wird es auf Bundesebene keine große Rolle spielen." Falls die Partei es doch schaffen sollte, wird sie laut Vorländer je nach der Parteienlandschaft die Regierungsbildung erschweren. Allerdings sieht er ein Problem auf das BSW zukommen.
"In Brandenburg und vor allem in Thüringen sieht man bereits, wie sich die Partei von der Kultfigur Wagenknecht abkoppelt", sagt er auf watson-Anfrage.
Zur Erinnerung: Bei dem BSW dreht sich alles um die Namensgeberin und Vorsitzende Sahra Wagenknecht. "Am Ende lebt die Partei von Wagenknecht als Führerin und wenn sich das noch mehr 'entzaubert', fällt das BSW in eine schwere Krise", prognostiziert Vorländer.
Verein warnt: BSW zeigt Parallelen zu postsowjetischen Parteien
Dem Verein "Russischsprachige Demokratinnen und Demokraten" (RDD) stößt der Personenkult sauer auf. Sie sehen im BSW gefährliche Parallelen zu bestimmten Parteien im postsowjetischen Raum.
Seit Sommer 2024 gibt es den Verein, dem Migrant:innen, aber auch politische Vertriebene aus postsowjetischen Ländern angehören, darunter der Linken-Politiker Artyom Stassyuk.
Ihm zufolge ist die politische Strategie von Wagenknecht und ihrer Partei sehr klug: keine innerparteiliche Demokratie, perfekt orchestrierte Parteitage. "Für unsere Republik – für Deutschland – ist das ein Novum, aber sowas kennen wir aus postsowjetischen Ländern", sagt er auf watson-Anfrage.
Das BSW ähnele den personalistischen "Parteien der Macht", die vielmehr, je nach Erfolg, kurz- oder langfristige polittechnologische Projekte seien und keine richtigen Parteien. "Setzt sich dieser Parteityp in der deutschen Politik durch, wird das zu noch mehr Entfremdung der Bürgerinnen und Bürger von der Politik führen", warnt er.
Wo die deutsche Gesellschaft im schlimmsten Fall landen könnte, "können wir am Beispiel von postsowjetischen Diktaturen und Autokratien wie Aserbaidschan, Kasachstan und Russland sehen, wo die 'Parteien der Macht' erfolgreich wurden", meint Stassyuk.
Vorwurf: Sahra Wagenknecht und BSW handeln im Interesse Putins
Als "russischsprachiger Demokrat" blickt er sehr kritisch auf das BSW: "Um es einzuordnen, muss man nur eine Nachrichtenmeldung heranziehen: 'Der russische Außenminister Lawrow hat AfD und BSW als Verteidiger deutscher Interessen gelobt'", sagt der Linken-Politiker.
Er führt aus:
"Wenn Vertreter des Putin-Regimes jemanden als Verteidiger deutscher Interessen loben, sagt das viel darüber aus, um wessen Interessen es wirklich geht. Und zwar um die Interessen Putins, genug Geld aus Exporten zu bekommen, um so lange wie möglich Krieg gegen die Ukraine führen zu können."
Dafür brauche Kreml-Chef Wladimir Putin in Deutschland Parteien, die die Abschaffung der Sanktionen und die Einstellung jeglicher Unterstützung für die Ukraine herbeiführen sollen.
Laut Stassyuk erwirken diese Parteien das nicht nur durch die eigentlichen Forderungen, sondern auch durch die Schwächung und Erosion der demokratischen Grundordnung in Deutschland.
Stassyuk: BSW-Rhetorik verlängert den Ukraine-Krieg
Kritiker:innen werfen dem BSW vor, auf Linie mit der russischen Propaganda zu sein. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verbreitet das BSW etwa immer wieder Falschbehauptungen und setzt sich für Friedensforderungen ein, die zum Nachteil der Ukraine sein könnten.
Aber Stassyuk, der sich selbst als "russischsprachiger Ukrainer aus Kasachstan" bezeichnet, sagt dazu: "Nur Druck auf Putin macht einen gerechten und nachhaltigen Frieden wahrscheinlicher." Die BSW-Chefin erziele mit ihrer Rhetorik das Gegenteil:
"Wagenknecht liefert mit erstaunlicher Regelmäßigkeit Schlagzeilen für russische Inlandspropagandamedien, die den Russ:innen den Eindruck vermitteln, dass die Politik in Europa teilweise die aggressive Politik Russlands akzeptiert."
Dadurch verfestige sich in Teilen der russischen Gesellschaft die Überzeugung, dass Putin alles richtig macht, meint Stassyuk. "Das verlängert den Krieg und das Leiden von Ukrainer:innen."
![Sahra Wagenknecht - Aufstand fuer Frieden DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 25.02.2023 Sahra Wagenknecht Partei die Linke auf der Demonstration der deutschen Friedensbewegung unter dem Motto Aufstand ...](/imgdb/2deb/Qx,B,0,209,1999,1125,1159,556,333,222/1549803834744149)
Sahra Wagenknecht fordert das Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine.Bild: imago images / IPON
Dennoch kommt Wagenknechts Haltung zum russischen Angriffskrieg besonders gut in Ostdeutschland an. Laut Vorländer werden Wagenknecht und ihr BSW vor allem dort weiterhin auf lokaler und regionaler Ebene ein Faktor spielen.
Woher rührt der BSW-Erfolg in den neuen Bundesländern? Das fragt sich auch der Verein "Russischsprachige Demokratinnen und Demokraten".
Politiker über das BSW: "Wir haben diese Folgen in Russland erlebt"
"In unserem Verein wurde debattiert, ob Ostdeutsche das tun, weil Ostdeutschland im 35. Jahr der Wiedervereinigung immer noch benachteiligt ist, oder weil sie das Gut der Demokratie, das sie seit 35 Jahren genießen, einfach nicht schätzen", sagt Stassyuk. Die Wahrheit läge irgendwo dazwischen.
Am Ende habe er und seine Vereinskolleg:innen eine ähnliche Geschichte wie die DDR-Bürger:innen in Russland erlebt: Nach dem Fall der Sowjetunion und des "Realsozialismus" sei große Hoffnung aufgekommen, dass es nur besser werden könne.
Bald darauf habe sich aber auch Enttäuschung breit gemacht. "Das neue System brachte neben Demokratie auch Ungerechtigkeit, Arbeitslosigkeit und sozialen Abstieg", sagt Stassyuk.
Bis heute spürt eine große Mehrheit die Unterschiede zwischen Osten und Westen und fühlt sich benachteiligt, zeigt eine MDR-Umfrage 2024 in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Ein Stimmungsbild, das sich auch bei den 16- bis 29-Jährigen verfestigt.
In Russland hat diese Enttäuschung Stassyuk zufolge viele Menschen damals unpolitisch gemacht, aber auch populistische Parteien, darunter Putins Partei "Einiges Russland", gestärkt.
Nicht zu vergessen: In Ostdeutschland ist neben dem BSW die in weiten Teilen rechtsextreme AfD sehr beliebt. Den "Russischsprachigen Demokratinnen und Demokraten" lege es daher am Herzen, die Gesellschaft vor Folgen der Unterstützung von rechtsextremen, rechtspopulistischen und Querfront-Parteien zu warnen.
Denn: "Wir haben diese Folgen in Russland erlebt: Abbau von Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit, Abbau von Arbeiterrechten. Isolation und Krieg", warnt Stassyuk.