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Union und SPD hart bei Migration: Grünen-Experte macht AfD-Vergleich

09.04.2025, Berlin: Markus S
Die kommende Koalition stellte am Mittwoch ihren Koalitionsvertrag vor.Bild: dpa / Michael Kappeler
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Schwarz-Rot einigt sich auf harten Kurs bei Migration: Grünen-Experte schockiert

Union und SPD haben es geschafft: Ihr Koalitionsvertrag steht. Es ist klar erkennbar, dass sich an vielen Stellen unterschiedliche Parteien durchgesetzt haben – beim harten Migrationskurs etwa die AfD, wie ein Grünen-Politiker sich empört.
09.04.2025, 17:3209.04.2025, 17:32
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Die Koalition steht zwar noch nicht. Dazu müssen die Parteigremien erst einmal ihr letztes Go geben. Doch immerhin steht schonmal der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Dieser hat das ein oder andere überraschende Projekt zu bieten.

Dennoch ist einer Stelle klar erkennbar, dass sich die Union größtenteils durchgesetzt hat: beim Thema Flucht, Migration und Asyl. Einerseits ist das verständlich, weil besonders CDU-Chef Friedrich Merz aus der eigenen Partei und der Öffentlichkeit in den vergangenen Tagen fast schon angezählt wurde, sollte er seine angekündigte Migrationswende nicht umsetzen.

Andererseits hat ihn niemand zu seinen vollmundigen Ankündigungen gezwungen, für die ist er schon selbst verantwortlich. Nun kommt also, was kommen musste: In den nächsten vier Jahren haben es Asylsuchende und Geflüchtete in Deutschland schwer. Beziehungsweise: vor Deutschland.

Koalitionsvertrag: Abweisungen an Staatsgrenzen

Migration und Asyl war eines der ersten Themenfelder, die Friedrich Merz am Mittwoch bei der Pressekonferenz mit CSU-Chef Markus Söder und den SPD-Chef:innen Lars Klingbeil und Saskia Esken vorstellte. Zentrale Punkte im Koalitionsvertrag sind demnach:

  • An den deutschen Außengrenzen wird es Kontrollen und auch Zurückweisungen von Asylsuchenden geben – "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn", heißt es im Koalitionsvertrag.
  • Der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte wird für zwei Jahre ausgesetzt.
  • Die Anzahl der sicheren Herkunftsländer soll ausgeweitet werden.
  • Freiwillige Aufnahmeprogramme des Bundes sollen laut Vertrag "so weit wie möglich" beendet werden.
  • Bei den abgelehnten Asylbewerber:innen soll es eine "Rückführungsoffensive" geben.

Immerhin: SPD-Chef Lars Klingbeil machte später auf einen Punkt aufmerksam, bei dem sich die Sozialdemokrat:innen in den Verhandlungen wohl gegen einen noch krasseren Kurs durchgesetzt haben: "Das Grundrecht auf Asyl bleibt unantastbar." Dennoch sind vor allem die Abweisungen an den Grenzen eine massive Verschärfung.

"AfD hat sich durchgesetzt."
EU-Abgeordneter Erik Marquardt zu den Zurückweisungsplänen im Koalitionsvertrag

Wer also zunächst gehofft hatte, der Koalitionsvertrag werde doch überraschend progressiv ausfallen, dürfte aus allen blauen Wolken gefallen sein. "Asylpolitisch hat sich bei den Verhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD eindeutig die AfD durchgesetzt", kommentiert auch Grünen-Fachpolitiker Erik Marquardt im Kurznachrichtendienst Threads.

Grünen-Politiker Erik Marquardt mit vernichtendem Urteil

Der Abgeordnete des Europäischen Parlaments teilt auf X zudem ein Foto des Absatzes zu Zurückweisungen an den Staatsgrenzen im Koalitionsvertrag. Schwarz-rot habe sich damit laut Marquardt "darauf geeinigt", europäisches Recht zu brechen.

Zurückweisungen an deutschen Grenzen sind laut Expert:innen in der Tat nicht mit EU-Recht vereinbar. Wer in Deutschland ankommt, hat zwar in vielen Fällen nicht den Anspruch auf Asyl, er oder sie darf "dennoch nicht zurückgewiesen werden, weil nun festgestellt werden muss, welcher Staat für das Asylverfahren zuständig ist", erklärte unlängst Jurist Christian Rath bei "Legal Tribune Online".

Erik Marquardt teilt daher eine düstere Prognose:

"Wenn der größte EU-Mitgliedstaat sich wirklich von der Rechtsstaatlichkeit in der EU-Asylpolitik verabschiedet, ist das das Ende des gemeinsamen EU-Asylsystems."

Durch die Zurückweisungen würden "Chaos und Leid nicht mindern, sondern massiv erhöhen". Er beendet seinen Rant mit einem vernichtenden Urteil zum Plan von Schwarz-rot: "Das ist das asylpolitische Äquivalent zur Zollpolitik von Trump: Naiv, populistisch, dumm."

Die kommenden Koalitionäre begründen ihren Schritt im Vertrag damit, dass die Grenzkontrollen nur fortzusetzen sind, bis die entsprechenden Regeln – das sogenannte Dublin-Verfahren sowie das Gemeinsame Europische Asylsystem (GEAS) – erfüllt werden und es einen "funktionierenden Außengrenzschutz" in der EU gibt. Sprich: Die Regeln eines Systems, das nicht funktioniert, darf man brechen.

Übrigens: Was der Passus "in Abstimmung", um den es im Vorhinein Diskussionen um eine sozialdemokratische und eine konservative Lesart gab, bedeuten soll, ist derweil noch immer nicht klar. "Abstimmung heißt Abstimmung", druckste Friedrich Merz nach einer dementsprechenden Frage auf der Pressekonferenz herum und erklärte etwa, mit den Nachbarn in Polen und Frankreich werde bereits gesprochen.

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