Der designierte Präsident Donald Trump kehrt bald ins Weiße Haus zurück. Schon jetzt prahlt er mit seinen Vorhaben und Ideen für seine vierjährige Amtszeit. Bei seinen Kritiker:innen löst das Kopfschütteln aus.
Bei Trump ist eines sicher: seine Unberechenbarkeit.
Aus seinem berühmten Wahlspruch "Make America Great Again" (Maga) wird wohl ein "Make America Bigger Again". Denn seit Wochen spricht er davon, Grönland, den Panamakanal und Kanada in die USA einzuverleiben – schließt dabei militärischen Druck nicht aus.
Auch auf die Ukraine rollt die "Trumpistische Unberechenbarkeit" zu; dabei kämpft das Land ums Überleben. Seit fast drei Jahren wehrt es den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands ab. Dabei ist die Ukraine auf die Unterstützung der USA und seinen europäischen Verbündeten angewiesen.
Die Hilfe kommt in verschiedenen Formen. Eine davon sind weitreichende Sanktionen gegen den Aggressor Russland. Tausende wurden gegen russische Banken, Unternehmen und Personen verhängt, seit der Kreml 2022 Panzer über die Grenze zur Ukraine rollen ließ.
Auch die USA beteiligt sich daran, doch die Frage ist: Bleibt das so unter Trump?
Mit dem bevorstehenden Amtsantritt Trumps werden auch wieder die Fragen zur Wirksamkeit aufflammen – und zur Zukunft der Sanktionen, berichten US-Medien. Denn im Maga-Lager werden die Ukraine-Hilfen kritisch beäugelt.
Trump rühmt sich, den Ukraine-Krieg ganz schnell beenden zu können. Und genau hier könnten laut USA-Experten die Sanktionen gegen Russland eine wichtige Rolle spielen.
"Trump könnte Russland eine Aussetzung von Sanktionen anbieten im Gegenzug zu Zugeständnissen von Seiten Putins bei einer Waffenruhe", sagt USA-Experte Dominik Tolksdorf auf watson-Anfrage.
Das könnte laut ihm auch einige Sanktionen beinhalten, die seit Kriegsbeginn von der Biden-Regierung eingesetzt wurden. Sprich: "Sollte Trump Putin anbieten, Sanktionen zurückzunehmen, wäre das also möglich", sagt der Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.
Allerdings rechnet Tolksdorf damit, dass solch ein Vorhaben nicht ganz ohne Gegenwind von Seiten der Republikaner (plus Demokraten) im Kongress ablaufen würde. Eine noch größere Hürde für Trump sei die Aussetzung der Sanktionen, die durch den "Countering America's Adversaries Through Sanctions Act" (CAATSA) bestätigt wurden.
Tolksdorf zufolge wurde CAATSA auch deshalb verabschiedet, um Trump davon abzuhalten, eigenständig Sanktionen aus der Obama-Zeit auszusetzen. Zur Erinnerung: Trump war bereits 2017 bis 2021 US-Präsident.
Gemäß CAATSA muss der Präsident den zuständigen Kongressausschüssen und der Führung des Kongresses einen Bericht vorlegen, bevor er die Russland-Sanktionen aufhebt, erklärt die Denkfabrik "Atlantic Council".
Dies gilt jedoch nicht für die Sanktionen der Biden-Ära nach der Großoffensive in der Ukraine im Jahr 2022.
Heißt: "Die schärferen Sanktionen wurden nach 2022 eingesetzt, CAATSA ist also in diesem Zusammenhang wahrscheinlich weniger relevant", sagt Tolksdorf.
Interessant ist laut ihm auch die Frage, wie Trump mit den eingefrorenen russischen Staatsreserven in den USA umgehen wird. Zumindest eine Rücknahme des REPO Acts, der im April 2024 mit überparteilichen Mehrheiten vom Kongress verabschiedet wurde und dem Präsidenten ermöglicht, die Vermögenswerte zu konfiszieren, wäre politisch schwierig, meint Tolksdorf.
Trump sei allerdings auch nicht gezwungen, sie zu konfiszieren.
"Insgesamt steht zu befürchten, dass Trump sein angeberisches Versprechen, den Krieg 'in 24 Stunden beenden' zu können, nur auf Kosten der Ukraine und mit Konzessionen an Russland überhaupt angehen kann", sagt USA-Experte Thomas Greven auf watson-Anfrage.
Dazu zählt laut ihm sicherlich auch die Aufhebung aller oder eines Teils der Sanktionen. Nach Grevens Meinung hat Trump in dieser Frage zumindest von den Republikanern kaum Gegenwehr zu erwarten. "Allerdings reichen ja einige wenige Gegner in den eigenen Reihen, wenn die Demokraten geschlossen sind", fügt er an.
Umgekehrt sei Trump unberechenbar genug, um bei Unnachgiebigkeit Putins auf einen aggressiven Kurs gegenüber Russland umzuschwenken. "Und das ist wohl die Hoffnung von Selenskyj; allerdings eher ein 'Pfeifen im Wald'", meint der Politikwissenschaftler vom Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin.
Trump betont immer wieder, dass es einen Wandel in der US-amerikanischen Politik gegenüber der Ukraine geben wird. Wie diese am Ende aussieht, ist unklar. Aber Expert:innen sind der Meinung, dass Sanktionen und fortgesetzte Militärhilfe mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit als Verhandlungsmasse dienen werden.
Auch in Deutschland standen die russische Sanktionen immer wieder in der Kritik, dass sie angeblich nicht wirkten. Der russische Wirtschaftswissenschaftler Sergej Guriew stellt in der "New York Times" klar: Ohne Sanktionen hätte Russland den Krieg vielleicht schon gewonnen.
Guriew ist 2013 aus Russland geflohen und ist heute Dekan der London Business School. "Es ist ganz klar, dass die Sanktionen Putin Probleme bereitet haben, die Menge der Ressourcen in seiner Tasche reduziert und somit Leben in der Ukraine gerettet haben", führt er aus.
Allerdings ist nicht zu ignorieren, dass Russland mit Unterstützung Chinas mehrere Wege fand, die Auswirkungen der Sanktionen abzuschwächen. Dem Kreml gelang es etwa, den Handel mit anderen Ländern auszuweiten und Schlupflöcher zu finden.
Besonders China und Indien füllten Moskaus Geldtruhe auf, indem sie viel russisches Öl aufkauften. Die USA haben allerdings laut der "New York Times" ein Ass im Ärmel: Die wirksamsten Sanktionen seien diejenigen, die das globale Finanzsystem betreffen – ein Bereich, in dem die USA eine einzigartige Macht ausüben.
Und genau dadurch halte Trump ein Druckmittel gegen Putin in der Hand.