Die USA haben sich für den Republikaner Donald Trump entschieden. Im Frühjahr 2025 wird er wieder ins Weiße Haus einziehen und damit das einflussreichste Amt der Welt ausüben.
Seine Amtszeit von 2017 bis 2021 gab bereits einen Vorgeschmack darauf, was eine Trump-Regierung für die globale Sicherheitspolitik bedeuten könnte.
Laut Politikwissenschaftlerin Aylin Matlé heißt Trump für die Weltpolitik vor allem eins: "Unberechenbarkeit". Das könne Gefahren, aber auch Vorteile mit sich bringen, sagt sie im watson-Gespräch.
Für die engsten Verbündeten der USA sei Trumps Unberechenbarkeit ein großer Nachteil. Man wisse nicht, wie er am Ende wirklich reagiert, sollte Russland einen Nato-Alliierten angreifen, meint die Expertin von der "Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik".
Zur Erinnerung: Trump sagte bei einem Wahlkampfauftritt, dass nicht alle Nato-Länder im Falle eines russischen Angriffs auf die US-Unterstützung zählen könnten, wenn sie nicht ihren finanziellen Beitrag für Rüstung ausgeben. Er würde die Russen sogar ermutigen, "zu tun, was auch immer sie wollen". Die NATO verlangt von ihren Mitgliedern zwei Prozent ihres BIP dafür aufzuwenden.
Gerade angesichts des russischen Aggressors sei das ein "unglücklicher Umstand" für Europa, sagt Matlé. Allerdings sieht sie darin auch einen Vorteil.
Die "Unberechenbarkeit" gelte auch für die potenziellen Rivalen der USA. "Sprich, sie kann als Abschreckung wirken, sodass Länder wie China, Russland oder Nordkorea von bestimmten Handlungen absehen, weil sie nicht wissen, wie Trump am Ende darauf reagieren würde", meint Matlé.
Doch für die Ukraine ist das wohl kaum ein Trost. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj schlägt Alarm und wirft den Europäer:innen nach der US-Wahl Kuschen vor Kremlchef Wladimir Putin vor.
Das Trump-Team soll schon einen passenden Deal für den Ukraine-Krieg parat haben.
Die Trump-Regierung will der Ukraine offenbar weiter Waffen liefern, wenn dafür eine Nato-Mitgliedschaft des angegriffenen Landes um mindestens 20 Jahre verschoben wird. Das berichtet das "Wall Street Journal" unter Berufung auf drei Quellen aus Trumps engem Umfeld.
Kritiker:innen gehen auch davon aus, dass dieser "Deal" auf eine De-facto-Kapitulation der Ukraine hinauslaufen würde, bei der Kiew durch ausbleibende finanzielle US-Unterstützung zur Abgabe eines großen Teils des von Russland besetzten Territoriums gezwungen würde – so wie Putin es fordert.
Welchen Weg die Trump-Regierung letztendlich einschlagen wird, sei auch davon abhängig davon, welche Personen an welchen Posten gelangen, sagt Matlé. Wer wird etwa Trumps Außenminister oder Sicherheitsberater? Doch die Politikwissenschaftlerin geht davon aus, dass der Druck auf die Ukraine stark steigen werde, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.
Putin ist laut ihr in einer "vorteilhafteren Ausgangslage" als die Ukraine. Zur Erinnerung: Aus seiner Bewunderung für Putin hat Trump nie ein Geheimnis gemacht.
Nach den Recherchen des Enthüllungsjournalisten Bob Woodward unterhält Trump weiterhin persönliche Kontakte zu Putin, ungeachtet des seit zweieinhalb Jahren andauernden Krieges gegen die Ukraine.
"Trump wird versuchen, irgendeine Form von Frieden durchzusetzen, aber keinen gerechten Frieden für die Ukraine", prognostiziert die Sicherheitsexpertin. Wie dieses Szenario am Ende aussieht, sei unklar.
"Hier sind kaum Grenzen des Möglichen gesetzt: Von 'die Ukraine muss ihre von Russland besetzten Gebiete abtreten' über 'ihr Nato-Beitritt rückt in die Ferne' bis hin zu stärkerer militärischer Unterstützung des Landes", führt Matlé aus.
Der ehemalige Außenminister unter Trump zeigte sich im Gegensatz zu anderen Republikanern recht pro-ukrainisch. Die Vorsitzende des ukrainischen Parlamentsausschusses für Waffen und Munition, Olexandra Ustinowa, gab sich laut n-tv auch für die kommende Amtszeit noch zuversichtlich: Es sei "wahrscheinlich, dass Mike Pompeo Verteidigungsminister wird, und er ist ein großer Freund der Ukraine."
Doch am Sonntag deutscher Zeit stellte Trump klar, dass er Pompeo nicht in sein Kabinett holen werde.
Der ukrainische Politikexperte Wolodymyr Fesenko meint im n-tv-Gespräch zudem, dass die Trump-Regierung nicht allen russischen Forderungen nachgeben werde. "Trump würde einem Frieden ausschließlich zu Russlands Bedingungen nicht zustimmen, da dies wie eine Niederlage für die USA aussehen würde", sagt er.
Doch wie sieht es mit Israel und dem Nahostkrieg aus?
Trump werde Israel einen "Blankoscheck" ausstellen, was einen totalen Krieg mit dem Iran bedeuten könnte, warnt der ehemalige CIA-Chef, Leon Panetta, laut "The Guardian". Trump gilt als großer Israel-Unterstützer und pflegt ein enges Verhältnis zum israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
Matlé weist an dieser Stelle darauf hin, dass Trump immer wieder betont, dass er Kriege beenden und keine neuen beginnen wolle. "Ob er sich am Ende daran hält, ist natürlich ungewiss." Zur Erinnerung: Trumps Unberechenbarkeit.
Es stimmt zwar, dass während Trumps Amtszeit keine größeren Kriege wie die zwischen der Ukraine und Russland oder zwischen Israel und dem Gazastreifen ausgebrochen sind, aber die Jahre waren kaum frei von größeren internationalen Konflikten.
Im April 2017 genehmigte Trump etwa den Abschuss von 59 Marschflugkörpern gegen Syrien, die erste Militäraktion der USA im dortigen Bürgerkrieg. In Nordkorea eskalierten die Spannungen zu einer Krise, als Kim Jong-un seine Waffentests verstärkte und damit drohte, Atomsprengköpfe gegen die USA einzusetzen.
Matlé rechnet damit, dass Trump Israel stärker als die Biden-Regierung unterstützen wird, "aber nicht bei einem Feldzug gegen den Iran." Denn dazu müssten die USA massiv militärische Unterstützung leisten und eventuell auch eigene Soldaten zur Verfügung stellen, argumentiert die Expertin.
Bei Gaza werde Trump Israel aber den Rücken stärken. "Trump hat bereits mehrfach gezeigt, dass ihm das Schicksal der palästinensischen Menschen egal ist", sagt Matlé. Mit Trump im Weißen Haus werde es zu keiner "Versöhnung" oder Zwei-Staaten-Lösung kommen. Zumindest nicht auf sein Bemühen hin.
Mit Trumps Rückkehr ist auch ein Blick in den indo-pazifischen Raum von Interesse.
Japan ist Matlé zufolge bereits während Trumps erster Amtszeit offensiv auf ihn zugegangen. "Es war wenig gehemmt, ihm zu schmeicheln und zu umgarnen, damit er sich für die Interessen des Landes einsetzt", sagt sie.
Aber auch hier sei abzuwarten, welche Personen welche Posten übernehmen, um zu sehen, wie Trumps Plan für den Indo-Pazifik aussieht. Trumps Vize J.D. Vance betont immer wieder, die volle Aufmerksamkeit Richtung China zu lenken; eine sogenannte "China-First-Policy".
Sie werden voraussichtlich daraufhin hinwirken, dass die USA eine mögliche chinesische Aggression gegen Taiwan nicht unbeantwortet lassen, meint die Expertin.
Seit Jahrzehnten schwelt der Konflikt zwischen China und Taiwan. Die Volksrepublik sieht den demokratischen Inselstaat nicht als autonomes Land an, sondern als abtrünnige Provinz und will ihn sich wieder einverleiben. Taiwans größter Freund und Unterstützer: die USA.
Allerdings werde Trump auch von Taiwan fordern, für den "US-Schutz" tiefer in die Tasche zu greifen. Allgemein sind die Länder in dieser Region aber besser auf den 78-Jährigen vorbereitet: "Sie haben etwa verstärkt in ihre Verteidigung in den vergangenen Jahren investiert", sagt Matlé.
Ein Punkt, bei dem Deutschland nachhinkt, wie Sicherheits- und Verteidigungsexpert:innen immer wieder betonen. Dabei sind russischen Streitkräfte nach Ansicht von Bundesnachrichtendienst-Chef Bruno Kahl spätestens 2030 in der Lage, Nato-Gebiet anzugreifen.