Die USA hatten die Wahl, zum ersten Mal eine Frau oder einen verurteilten Straftäter ins Präsidentschaftsamt zu heben. Sie entscheiden sich für den Republikaner Donald Trump und gegen eine Anwältin, die sich für die Demokratie und für die Rechte von Frauen sowie LGBTQ+-Personen einsetzt. Aktuell vereint Trump 277 Wahlleute auf sich und Harris kommt auf 224.
Die USA wählen einen Mann, der demokratische Prozesse aushöhlt, seinen politischen Gegner:innen droht und sich mit Leuten umgibt, die mit "Project 2025" die USA zurück ins 18. Jahrhundert katapultieren wollen.
Und Kamala Harris?
Der Rausch um ihre Person ist spätestens jetzt verflogen, dabei warnten Journalist:innen schon im August, dass die Demokraten mit ihr ein Risiko eingehen.
Zu ihrer Verteidigung: Harris wurde von ihrer eigenen Partei ins kalte Wasser geworfen. Als das Problem mit Joe Bidens Alter nicht mehr zu vertuschen war und die Umfragewerte fielen, musste eine schnelle Lösung her. Und die hieß Kamala Harris.
Eine Vizepräsidentin, die in der Versenkung verschwunden war, sollte plötzlich die Rettung der Demokraten sein.
Sie hatte nur wenige Monate für ihren Wahlkampf. Anfangs sah es gut aus: Die Spenden sprudelten in die Kassen, Umfragewerte sprachen für die 60-Jährige. Sie brachte Schwung rein, debattierte Trump im TV-Duell an die Wand und glänzte mit ihren souveränen Auftritten.
Dennoch reichte es am Ende nicht aus. Was lief schief?
Hier sind einige Themen, bei denen Harris und die Demokraten nicht genug geliefert oder sich schlichtweg verkalkuliert haben.
Schon als Vizepräsidentin neben Joe Biden fragte man sich oft: Wo ist Harris und was genau macht sie? Mit ihrer Präsidentschaftskandidatur kam die Frage dazu: Wofür steht sie eigentlich genau?
Und auf diese Frage konnte sie bis zum 5. November keine eindeutige Antwort liefern. Die Demokratin sprach sich nicht für eigene Standpunkte aus und konnte nicht klar kommunizieren: "Das bin ich und dafür stehe ich" – vor allem bei außenpolitischen und wirtschaftlichen Themen.
Auf die Frage einer Journalistin, was sie anders als Biden machen wolle, sagt Harris, ihr fiele dazu nichts ein. Ein Satz, den Trump gekonnt gegen sie einsetzt und auf Social Media rauf- und runterspielt.
Sie konnte sich nicht von Biden abgrenzen und fernab von ihm positionieren, was wohl unentschiedene Wählende nicht überzeugte.
Vor allem beim Gaza-Krieg haben sich junge Menschen und muslimische US-Bürger:innen eine klare Kante von Harris gewünscht. Umfragewerte zeigen, dass die Demokraten in diesen Wählergruppen an Zustimmung verloren.
Kostbare Stimmen, die wohl den Demokraten den Sieg im Swing State Michigan gekostet haben könnten. Dort leben viele arabisch-stämmige US-Amerikaner:innen und Muslime.
Schon als Vizin stand Harris in der Kritik für ihre Migrationspolitik. Biden beauftragte sie, sich um die Eindämmung der Migration aus Lateinamerika zu kümmern. Auch hier fehlte es an klarer Linie, wie sie das Thema anpacken will. Harris ging im Wahlkampf so gut wie gar nicht auf die Probleme ein.
Damit gab sie Trump und seinen Anhänger:innen freie Bahn und die nutzten das zu ihrem Vorteil aus. Der Republikaner setzte bereits als Präsident konsequent auf Abschottung und verspricht auch diesmal eine harte Hand, um gegen illegale Migrant:innen vorzugehen. Damit sprach er auch die Hispanics im Land an, die eigentlich traditionell demokratisch wählen.
Immer mehr Latinos wendeten sich von den Demokraten ab und schwenkten plötzlich die Trump-Fahne. Die "Tagesschau" etwa sprach mit ihnen in Arizona. So würde sich der 78-Jährige um die hohen Lebenshaltungskosten kümmern und die illegale Einwanderung beenden. "Die Demokraten ließen Vergewaltiger und Mörder ins Land", heißt es.
Eine Frau als Präsidentin? Was für uns Deutsche wohl keine Frage wäre, stößt in Teilen der USA noch immer auf Ablehnung. Harris hatte Mühe, schwarze Männer und Latinos für sich zu gewinnen – überraschend viele sprachen sich für Trump aus, wie Umfragen zeigten.
Der Grund: Sexismus und Frauenfeindlichkeit sind in den USA weit verbreitet. Die sogenannten "Machos" wollten aus Prinzip nicht für eine Frau wählen. Auch trauen sie eher Trump zu, die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen.
Hohe Preise im Supermarkt und an der Tankstelle: Die wirtschaftliche Lage war ein wichtiges Thema im Wahlkampf. Harris lieferte dazu Vorschläge, wie sie die Menschen entlasten will. Doch so richtig drang sie damit nicht durch.
Dabei kann sich die Wirtschaft, die vor allem unter der Corona-Pandemie litt, unter der Biden-Regierung sehen lassen. Aber die Demokraten verpassten ihre Chance, damit "anzugeben". Ganz im Gegensatz zu einem Trump, der es versteht, sich zu verkaufen.
Trump setzt sich immer wieder gern als erfolgreicher "Geschäftsmann" in Szene, der die US-Wirtschaft angeblich "rettet". Dazu verspricht er massive Steuersenkungen, während Harris Steuern für Großunternehmen und Superreiche erhöhen will. Ein No-Go für viele US-Amerikaner:innen, die solch eine Maßnahme als "sozialistisch" kritisieren.
Nicht zu vergessen: In den USA leben weltweit die meisten Millionäre, wie der "World Wealth Report 2024" der Unternehmensberatung Capgemini zeigt.
Harris setzte zu sehr auf die Wählergruppe Frauen und wurde zum Gesicht der Abtreibungsrechte in den USA. Dabei wandte sie sich aber kaum den jungen (vor allem weißen) Männern im Land zu. In einem zufällig mitgeschnittenem Gespräch mit der demokratischen Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, gibt Harris zu: "Die Sache ist: Wir müssen bei den Männern Boden gut machen."
Doch das ist ihr offensichtlich nicht gelungen. Trump nutzte das aus und konnte die Männer für sich gewinnen. Neben dem Geschlecht spielte aber auch die Bildung der Wählenden eine Rolle.
Landesweit punktete Harris bei Frauen mit Hochschulabschluss, wie die "Frankfurter Rundschau" berichtet. Eine klare Mehrheit sowohl der Männer als auch der Frauen ohne Hochschulabschluss unterstützte jedoch Trump. Darunter zwei Drittel der weißen Männer ohne Hochschulabschluss.
Es sind Videos, die an einen Zombie-Film erinnern: Nicht ansprechbare Menschen schleifen sich über die Straße. Die Droge Fentanyl hat die USA voll im Griff und verändert ganze Stadtteile. Und das entgeht den US-Bürger:innen nicht.
Während Trump ein härteres Vorgehen verspricht, steht die liberale Drogenpolitik der Demokraten in der Kritik. Es kam wenig Input von Harris, wie sie die Fentanyl-Krise anpacken will.
Zwar ging es mit der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie aufwärts, dennoch waren 2023 laut der Bundesbehörde "United States Census Bureau" 36,8 Millionen Menschen von Armut betroffen. Derzeit leben etwa 343,5 Millionen Bürger:innen in den USA. Viele halten sich mit mehreren Jobs über Wasser, doch am Ende reicht auch das kaum aus.
In einigen Stadtteilen bilden sich regelrechte "Ghettos", wo Waffengewalt zum Alltag gehört. Die Demokraten verlieren zunehmend den Draht zu diesen Wählenden, während Trump sich als "starker Anführer" anbietet, der sich für sie einsetzt – im Gegensatz zum angeblich "abgehobenen Establishment in Washington D.C."