Der Körper der Frau ist zur Zielscheibe der heutigen Republikanischen Partei unter Donald Trump geworden. Trotzdem gibt es viele, auch junge Frauen, die ihn unterstützen. In Europa fragt man sich, wie US-Amerikanerinnen für Trump stimmen können. Allein mit Blick auf die Abtreibungsrechte. Aber in den USA ist das kein Widerspruch.
Wer das verstehen will, kommt an der christlichen Rechten nicht vorbei. Trump gab der christlichen Rechten einen Platz am Tisch; sie gibt ihm dafür wertvolle Stimmen – auch von Frauen.
Das Thema Abtreibung spaltet die USA aktuell besonders. Derzeit gibt es kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet.
In 13 der insgesamt 50 US-Staaten ist die Abtreibung verboten; in einigen von ihnen auch ohne Ausnahmen bei Vergewaltigung oder Inzest. Das gilt vor allem für die konservativen, religiösen Südstaaten, die den sogenannten "Bibelgürtel" bilden.
Die Abtreibungsdebatte wird befeuert durch Trump und seine offensichtlich frauenfeindliche Politik. Im Mai wurde er wegen sexuellen Missbrauchs an E. Jean Carroll für schuldig gesprochen. Bereits seit seiner "Grab ’em by the pussy"-Aussage ist klar, wie der Ex-Präsident zu Frauen steht.
Was überzeugt Wählerinnen dennoch, für ihn zu stimmen?
"Trump ist, wie wir alle, unvollkommen", meint die christlich-konservative US-Amerikanerin, Anna Khait, auf watson-Anfrage. Am 5. November will sie Trump ihre Stimme geben. Ihre politische Einstellung teilt das offen mit ihren 17.800 Follower:innen auf Instagram und mehr als 327.000 auf X.
Bekannt wurde die professionelle Pokerspielerin etwa durch ihre Teilnahme bei der CBS-Show "Survivor". Heute engagiert sie sich als ordinierte Pfarrerin und Podcasterin.
"Wir alle haben in der Vergangenheit Fehler gemacht, und Trumps Fehler sind aufgrund seines Status in der Öffentlichkeit sehr präsent", antwortet sie auf die Frage, wie sie als Christin für Trump stimmen könne, der offensichtlich kein frommes Leben führt.
"Seine Familie hat ihm vergeben und ich halte es nicht für meine Aufgabe, ihn zu verurteilen, wenn andere, die ihn gut kennen, wie seine Frau, sich entschieden haben, ihm zu vergeben", führt Khait aus, die in Kalifornien lebt.
Zur Erinnerung: Ein Jahr nach der Hochzeit soll Trump seine Ehefrau Melania mit einer Pornodarstellerin betrogen haben.
Aber die Christ:innen wie Khait drücken hier ein Auge zu, denn Trump setze sich laut ihr für wichtige Themen ein wie das Abtreibungsverbot. Laut Expert:innen geht es hier vorwiegend um Kontrolle über Frauen.
In einem früheren Gespräch mit watson warnt die US-Journalistin Katherine Stewart: Trumps Anhänger:innen sehen in der Kontrolle der Frau ein Sprungbrett zur Autokratie.
Wenn Trumps Anhänger:innen es ernst mit der Verhinderung jeglicher Abtreibung meinen, "muss man Frauen verfolgen, sie überwachen und in der Lage sein, sie zu verhaften und mit Gewalt dazu zu zwingen, eine Schwangerschaft auszutragen", führt Stewart aus.
Anna Khait sieht das anders.
Abtreibung sei für sie ein wichtiges Thema und Trump setze sich für das Leben ein. "Nachdem ich mehr über die Realität der Abtreibung erfahren habe, betrachte ich sie heute als eine äußerst unmenschliche Praxis", sagt sie.
Laut ihr gibt es präventive Möglichkeiten vor der Empfängnis. Wenn das Leben einmal begonnen hat, dürfe man es nicht beenden. Aber wie sieht das im Falle einer Schwangerschaft durch sexualisierte Gewalt aus?
Khait sagt dazu:
Währenddessen zeigen aktuelle Untersuchungen laut CNN: Es werden mehr Kinder in US-Staaten mit Abtreibungsverboten geboren. Gleichzeitig steigt die Sterblichkeitsrate bei Säuglingen sprunghaft an.
Die Frage steht also zur Debatte, wer sich hier für das Leben wirklich einsetzt: die Pro-Life-Bewegung oder die Befürworter:innen von Abtreibungsrechten.
Für Khait sind aber noch weitere Punkte entscheidend, warum sie am 5. November Trump wählt.
Die überzeugte Republikanerin findet, dass Trump geradlinig sei und im Allgemeinen seine Versprechen einhalte. "Ich werde ihn wegen seiner 'America First'-Haltung, seiner Bemühungen um die Sicherung der Grenze, die für die Sicherheit des Landes von entscheidender Bedeutung ist, und wegen seiner Unterstützung für Christen und Israel wieder wählen", sagt sie.
Der Reality-TV-Star unterstützt Trump bereits seit 2016 öffentlich. Trump hat laut ihr viele seiner Versprechen eingehalten, zum Beispiel das Atomabkommen mit dem Iran, einem Feind der USA, beendet. Kritiker:innen sehen das anders.
Dennoch fordert Khait: "Wir brauchen Trump zurück, um die Nation wieder auf Kurs zu bringen." So hat sich ihr zufolge die Grenzsicherheit seit 2020 unter US-Präsident Joe Biden verschlechtert.
Trump setzte als Präsident konsequent auf Abschottung. Biden verfolgt hingegen eine liberalere Migrationspolitik; konnte aber laut USA-Expert:innen keinen klaren Kurs vorweisen. Das mache die Demokraten angreifbar.
Und was ist mit dem Atom-Deal, den Khait erwähnt? Vereinfacht gesagt, sollte das Abkommen damals den Iran daran hindern, eine Atombombe zu bauen.
Trump meinte, der "desaströse" Vertrag würde nicht funktionieren. Eine Behauptung, die später laut "Deutschlandfunk" widerlegt wurde. Trump-Kritiker:innen, aber auch Republikaner äußerten sich damals, dass das Atomabkommen den Nahen Osten sicherer gemacht habe. Mit dem Ausstieg führte Trump als Präsident seine Isolationspolitik voran.
Sollte Trump 2024 die Wahl gewinnen, befürchten Expert:innen einen Angriff auf die US-Demokratie.
Der pensionierte General und frühere Trump-Stabschef, John Kelly, bezeichnete den Führungsstil des Republikaners jüngst als "diktatorisch", "faschistisch" und wenig einfühlsam.
Khait findet die Behauptungen absurd. Die wirkliche Bedrohung für die Demokratie geht laut ihr von denjenigen aus, die staatliche Institutionen wie das Justizministerium und den Kongress nutzen, um "einen ordnungsgemäß gewählten Präsidenten ins Visier zu nehmen".
Viele Maga-Anhänger:innen glauben, Trump wäre ein Opfer des "deep states" und falscher Verleumdungen, die korrupte Demokraten in die Welt setzen, warnt Kolumnist Simon Tisdall im "Guardian". Bis heute ist auch der Glaube an einer "gestohlenen Wahl" 2020 verfestigt, obwohl es dafür keine Beweise gibt.
In den USA stehen sich zwei Lager gegenüber; beinahe zwei unterschiedliche Parallelwelten, die sich nicht mehr vereinen lassen. Während die einen, die US-Verfassung bei einem Trump-Sieg bedroht sehen, loben Trump-Wählende, wie sehr die Republikaner diese schützen.
Khait glaubt, dass die US-Verfassung göttlich inspiriert sei. "Gott bedient sich in der Bibel oft ungewöhnlicher Menschen wie König David und König Kyrus, um seinen Willen durchzusetzen, wenn die Mächtigen korrupt werden, und Trump scheint diese Außenseiterrolle zu erfüllen", meint sie.
Im christlichen Nationalismus ist man der Meinung, dass die USA als eine christliche Nation gegründet wurde und die Gesetze auf einer reaktionären Auslegung der Bibel beruhen sollten. Trump wird hier oft als "starker Anführer und Beschützer" gesehen.
Harris zeige hingegen Verachtung für den Glauben. Khait verweist auf den Vorfall, als bei einer Kundgebung jemand "Jesus ist der Herr" rief und sie sagte, die Person sei auf der falschen Kundgebung.