Am Mittwoch setzte Innenminister Horst Seehofer ein Zeichen. Er untersagte der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration (Bamf) Asylbescheide zu erlassen. Die Affäre schwelt schon lange. Aber eine Frau bringt CSU-Chef Seehofer mitten im bayrischen Landtagswahlkampf in Bedrängnis: Josefa Schmid, von der Bamf als Krisenhelfer nach Bremen entsandt, hat Seehofers Büro über die Missstände informiert. Dann wurde sie versetzt.
Der Skandal, der Minister und die Aufräumerin in drei Akten.
Josefa Schmids Vorgängerin als Leiterin der Bamf-Außenstelle in Bremen musste im Frühjahr gehen. Gegen die ehemalige Behördenchefin sowie drei Anwälte wird wegen „bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“ ermittelt. Sie sollen in mindestens 1.200 Fällen unrechtmäßige Anträge auf Asyl gebilligt haben. Für tausend Euro soll in Bremen ein positiver Asylbescheid zu haben gewesen sein, berichten Medien.
Asylrechtsexperten in anderen Bundesländern hatten zuvor mehrfach auf die hohe Anerkennungsquote in Bremen hingewiesen.
Josefa Schmid ist Juristin und Diplom-Verwaltungswirtin. Seit zehn Jahren ist sie zudem (ehrenamtliche) Bürgermeisterin der Stadt Kollnburg in Mittelbayern.
Die Frau singt gern und hätte es fast schon in die TV-Show "Das Supertalent" geschafft. Die Frau hat ein Gespür für den öffentlichen Auftritt.
Das Bamf schickt die Mitarbeiterin nach Bremen. Aber Schmid geht zu forsch vor. Sie entdeckt weitere Missstände und informiert darüber das Büro des neuen Innenministers Horst Seehofer. Schmids Idee: Seehofer soll vor seinem Antrittsbesuch in der Bamf-Zentrale in Nürnberg Bescheid wissen.
Noch ist unklar, wann Seehofer exakt informiert wurde. Aber Schmid wird Mitte April zurückversetzt nach Bayern.
Doch die Vorwürfe gegen das Bamf und gegen Seehofer werden publik.
Pikant: Schmid war mal in der CSU und ist jetzt in der FDP. Sie kandidiert bei der Landtagswahl im Herbst für die Liberalen.
Horst Seehofer strebte nicht ins Innenministerium. Arbeit und Soziales und Finanzen hätten ihm auch gelegen.
Es kam anders. Aber Seehofer ergänzte das neue Haus durch das neue Aufgabenfeld Heimat. Ein Amt, wie für ihn gemacht.
In der Bamf-Affäre war Seehofer lange gelassen. Schließlich fallen die Missstände in die Amtszeit seines Vorgängers Thomas de Maizière, CDU.
Schmids Vorwürfe, Seehofers Büro direkt informiert zu haben, belasten den Minister nun. Der CSU-Chef, der mit einer harten Asylpolitik, den heimischen Landtagswahlkampf bundespolitisch von Berlin aus unterstützen wollte, steht nun selbst in der Kritik.
Am Mittwoch handelt er und untersagt der Bamf-Außenstelle in Bremen weitere Asylbescheide zu erlassen.
Jutta Cordt ist 54 Jahre alt und stammt aus Herne. Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften zog es sie in die Arbeitsmarktverwaltung, wo sie viele Jahre verschiedene Führungspositionen hatte. Dass sie ins Bundesamt wechselte, liegt an Frank-Jürgen Weise: Der inzwischen pensionierte Weise hatte auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise in einer Doppelfunktion neben der Leitung der Bundesagentur für Arbeit auch die des Bamf übernommen. Er hat Cordt auch verteidigt, als Seehofer personelle Konsquenzen ankündigte.
Cordt brachte hohes Tempo in die Behörde. Während beim Bamf früher die zu lange Verfahrensdauer in Asylverfahren kritisiert wurde, kam unter ihrer Führung Kritik an einem zu hohen Tempo auf. Flüchtlingshelfer bemängelten, dies gefährde faire Verfahren.
Cordt hatte Aufklärung versprochen. Am Freitag vergangener Woche kündigt Cordt in Berlin an, in den nächsten drei Monaten würden 70 Mitarbeiter abgestellt, um alle positiven Bescheide der Bremer Außenstelle seit 2000 zu überprüfen. Auch die Arbeit weiterer Bamf-Büros mit auffälligen Anerkennungszahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz soll durchleuchtet werden.
Doch seit dem Pfingstwochenende steht dieser Wille zur Aufklärung in einem erheblichen Zweifel: Da wurden E-Mails bekannt, wonach die Vorwürfe in der Bremer Bamf-Außenstelle schon früher als zunächst angenommen vorlagen, die Aufarbeitung aber "geräuschlos" intern erfolgen sollte.
Die Region Hannover erklärte am Mittwoch, sie habe das Bamf bereits im Juli 2016 über Missstände in Bremen informiert.
Nach den jüngsten Vorwürfen ging jetzt eine Strafanzeige gegen Cordt ein.
Der Fall ist brisant. Die FDP wünscht einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Seehofer kann daran nicht gelegen sein. Einfachste Lösung: Cordt an der Bamf-Spitze ersetzen.
Bleibt die unbeugsame Josefa Schmid, mit ihrem missionarischen Aufklärungseifer. Und ihrem Gespür für die Öffentlichkeit
(dpa, AFP, per.)