Die Positionen klar. Die Etiketten verklebt. Die politischen Ausrichtungen der drei aussichtsreichsten Kandidaten für den CDU-Vorsitz wie in Beton gegossen.
Jens Spahn wird genau wie Friedrich Merz dem wertkonservativen oder rechtsliberalen Flügen der CDU zugerechnet. Annegret Kramp-Karrenbauer gilt als Merkel-treu und liberal.
Macht: zweimal konservativ, einmal irgendwie links.
Doch derartige Zuschreibungen sind in der Regel so aussagekräftig wie Mindesthaltbarkeitsdaten auf Dauerwürsten.
Manchmal hilft ein Blick zurück: Erinnern wir uns, in welcher Rolle Angela Merkel einst antrat. Vor ihrer Kanzlerschaft warb sie auf dem Leipziger Parteitag 2003 mit dem wohl neoliberalsten Programm, das CDU-Delegierte je beklatschen durften. Sie stand für einen radikalen Kurswechsel in der Sozialpolitik. Und dann? Aus "weniger Staat" wurde Abwrackprämie. Aus Kopfpauschale wurde Mindestlohn. Aus Friedman Keynes.
Dass Annegret Kramp-Karrenbauer gemeinhin als die Liberale unter den Kandidaten gilt, ist, mit Blick auf ihre katholische Prägung, mindestens mal erstaunlich. Denn die Tochter eines Sonderschulrektors aus Völklingen eignet sich nicht wirklich als jüngere Version der protestantischen Pfarrerstochter Angela Merkel. AKK gehört dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an und vertritt (auch) sehr konservative Positionen.
2013 lädt Papst Benedikt sie zur Audienz. AKK kommt im schwarzen Kleid mit Spitzenschleier – weil der Vatikan es gerne hat, wenn weibliche Besucher aus einer Art Ehrerbietung heraus das Haar bedecken. Als sich Kramp-Karrenbauer später für ein Kopftuchverbot für Muslime ausspricht, fällt ihr der Schleierauftritt auf die Füße.
Doch damit nicht genug.
4 Zitate zeigen, dass Annegret Kramp-Karrenbauer in einigen Politikfeldern der konservativste Knochen unter den drei Kandidaten ist.
Gesagt hat das AKK im Januar 2015 der "FAZ". Die Botschaft: Wir lassen uns unser Abendland nicht madig machen. Wie viele Martinsumzüge tatsächlich in Laternenfeste umbenannt wurden, weiß wohl nur AKK.
2005 sprach sich die damalige Ministerpräsidentin des Saarlandes gegen die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule und gegen ein volles Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare aus:
Die Homoehe als Türöffner für Vielehe und Inzucht? Ja, richtig gelesen. Die Aussage beschäftigte schließlich die Staatsanwaltschaft Saarbrücken. Eine Berliner Anwältin hatte Strafanzeige gegen AKK wegen Beleidigung und Volksverhetzung gestellt. Die Klägerin schrieb in der Anklageschrift: "Bei diesen Äußerungen handelt es sich offensichtlich um ehrverletzende Äußerungen. Sie dienen vor allem dazu, Personen wie mich als minderwertige Menschen darzustellen. (...) Der Ministerin kommt es hier ausschließlich auf die Diffamierung an."
Die Ehe für alle kam schließlich doch. AKK hat ihr Nein im Übrigen gerade erst in einem Interview mit der "Morgenpost" bekräftigt: "Für mich ist die Ehe traditionell die Verbindung von Mann und Frau."
Na dann.
2016 ließ der Präsident des Saarbrücker Amtsgerichts, Stefan Geib, Kreuze in Sitzungssälen abhängen. Das gefiel Anngret-Kramp Karrenbauer überhaupt nicht.
Weil das aber Rechtslage war, dachte AKK darüber nach, diese notfalls zu ändern. Sie kritisierte, die Kreuze seien "flächendeckend und ohne konkreten Anlass" entfernt worden. Sollte das zum Trend werden, müsse die Landesregierung überlegen, die Rechtslage zu ändern.
Nur so viel zur Unabhängigkeit der Justiz.
Der Paragraf 219a verbietet Ärzten, Abtreibungen öffentlich anzubieten und für Schwangerschaftsabbrüche zu werben. Ärzte sehen sich kriminalisiert und berufen sich auf das Recht auf Information. Alle Parteien im Bundestag (bis auf AfD und Teile der Union) sind für eine Reform des umstrittenen Paragrafen.
AKK nicht. Sie ist da eher bei Gesundheitsminister Jens Spahn und gegen die Abschaffung.
Und dann ist da natürlich noch die andere AKK: die Moderate, die Unprätenziöse, die um Ausgleich bemühte. Eine, die für den Mindestlohn und arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmarktpolitik eintritt. Wer Annegret Kramp-Karrenbauer auf urkatholische Ausreißer reduziert, wird ihr ebenso wenig gerecht, wie diejenigen, die aus ihr eine liberale Merkel 2.0 machen.
Zuschreibungen eben.