Warum tut Jens Spahn, was Jens Spahn tut? Manchmal fällt es einem doch schwer, dem Gesundheitsminister den echten Willen an der Sache abzukaufen. In der Vergangenheit hat er mehr als einmal mit besonders medienwirksamen Auftritten für Verwunderung gesorgt. Man erinnere sich an seine harsche HartzIV-Kritik oder seine unbedachten Worte zur Krebsheilung.
Vergangene Woche gab es trotzdem zur Abwechslung einmal Lob. Mit einem Interview warf Spahn die Debatte um die noch immer existierenden so genannten "Konversionstherapien" oder "Homo-Heilungen" wieder an. Der Minister sprach sich für ein Verbot der mittelalterlichen "Heilungs"-Verfahren aus.
Aber wie gesagt, da ist die Sache mit der Glaubwürdigkeit. Gerade Aktivisten reagieren mit Vorsicht auf die spahnsche Ankündigung. Zwar wäre ein Verbot ein riesiger Erfolg für jeden, der sich für LGBTQI-Rechte einsetzt. Aber gerade bei den Befürwortern des Verbots scheint das Vertrauen in Spahn und auch in dessen Umsetzungswillen zu fehlen.
"Noch im August vergangenen Jahres hat der Minister betont, er heiße eine Regelung nicht gut, weil er keine Umsetzungsmöglichkeiten sehe", sagt Lucas Hawrylak gegenüber watson. Er ist der Initiator der change.org-Kampagne "HomoBrauchtKeineHeilung" und hat bereits knapp 80.000 Stimmen für ein Verbot gesammelt.
Auch im aktuellen Interview kritisiert Spahn noch immer einen angeblich existierenden blinden Aktivismus und sagt: "Die Frage, wie wir das konkret regeln, ist noch nicht beantwortet."
Hawrylak aber sagt:
"Wir kämpfen seit Jahren für ein Verbot und haben sehr wohl konkrete Vorschläge gemacht."
Darin forderte Hawrylak:
Ein Verbot von Online-Werbung für die "Therapien".
Gesetzliche Meldemöglichkeiten für die Opfer der "Heil"-Verfahren.
Einen besonderen Schutz Minderjähriger.
Eine gezielte Aufklärung durch den Bund. Damit, so sagt Hawrylak, könne man den Menschen etwa bei stark nachgefragten Google-Suchwörtern erst einmal echte Informationen verschaffen statt pseudochristlicher Aufklärung.
Ein besonderes Augenmerk müsse auch auf der Kontrolle und Sensibilisierung von Ärzten liegen, sagt Hawrylak. Die sei dringend nötig, weil es deutschlandweit eine beachtliche Dunkelziffer an "Therapie"-Opfern auch in nichtchristlichen Gemeinden gebe.
All diese Vorschläge hat der Aktivist mit seiner Petition eigentlich längst auf den Weg gebracht. Noch im Dezember des vergangenen Jahres blockte das Gesundheitsministerium sie allerdings ab. Das geht aus einem Schreiben hervor, das watson vorliegt.
In bestimmten Fällen würden die "Therapien" unter den Tatbestand der Körperverletzung fallen, heißt es darin. Sie seien bereits vom Strafrecht abgedeckt. Die gezielte Aufklärung sei desweiteren schon im "Behandlungsvertragsrecht" geregelt. Kurz um, schreibt das Ministerium: "Vor diesem Hintergrund ist ein gesetzliches Verbot von Konversionstherapien durch die Bundesregierung derzeit nicht beabsichtigt".
Nun hat der Auftraggeber dieser Absage, Jens Spahn, nur rund zwei Monate später seine Meinung geändert. Das mag auch mit einem Vorstoß der Grünen zusammenhängen, die selbst gerade einen Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht haben. Vielleicht möchte sich der Gesundheitsminister das kontroverse Thema nicht aus der Hand nehmen lassen.
Hawrylak sagt:
"Dabei bin ich schon froh, dass er überhaupt ein Verbot fordert, seine Motive sind für mich zweitrangig"
Er befürchtet aber, dass Jens Spahns Rückhalt im Rest der CDU/CSU zu klein sein könnte, um ein neues Gesetz tatsächlich durchzubringen. Immerhin habe Spahn noch bis vor kurzem selbst nicht daran geglaubt.
Auf watson-Anfrage wollte sich das Gesundheitsministerium nicht erneut zum Verbot äußern, sondern verwieß nur auf das oben erwähnte "taz"-Interview von Spahn. Dort spricht Spahn von einer Schnellstudie, um das "Wie" eines Verbots auszuloten. Er habe sich auch immer ein Verbot vorstellen können, steht darin. Nicht klar wird, wie es zur Planänderung zwischen Dezember und Februar kam. Auch, wie Spahn genau die eigenen Leute vom Verbot überzeugen will, ließ das Ministerium auch auf Nachfrage offen.
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