Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen behauptet in einem Facebook-Post, Bundeskanzlerin Angela Merkel wolle "allen Migranten weltweit den Zugang nach Deutschland ermöglichen". Um das zu verhindern, ruft der Politiker dazu auf, bei der hessischen Landtagswahl am Sonntag die AfD zu wählen. "Wählt Merkel ab, auch wenn sie gar nicht auf dem Stimmzettel steht", schreibt Meuthen.
Es geht um den "Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration", den die Vereinten Nationen im Dezember auf einer Konferenz in Marokko verabschieden wollen.
Mit diesem Migrationspakt wollen die Vereinten Nationen die weltweite Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Migration verstärken. Der Pakt sei "ein Bekenntnis dazu, dass Migration eine globale Realität darstellt", erklärt der Sozialwissenschaftler Benjamin Schraven vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik in Bonn.
Der Migrationspakt besteht im Kern aus 23 verschiedenen Zielen, zu denen sich die Staaten bekennen, die den Pakt im Dezember verabschieden wollen.
Die Staaten wollen etwa:
"Der Pakt", erklärt Benjamin Schraven, "ist auch ein Bekenntnis dazu, irreguläre Migration mit all seinen negativen Begleiterscheinungen zu reduzieren". Das heißt: Die Staaten wollen weniger und nicht etwa mehr irreguläre Migration. Gleichzeitig sei der Pakt aber auch ein Bekenntnis dazu, "reguläre Migration ein Stück weit zu fördern und neue Möglichkeiten zu eröffnen".
Nein. Die Ziele, die in dem Migrationspakt festgelegt sind, sind lediglich freiwillige Selbstverpflichtungen. Bereits in der Einleitung des 32-seitigen Textes steht:
Weiter heißt es dort: "Der Globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsgebietes in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln."
Sozialwissenschaftler Benjamin Schraven erklärt: "Der Globale Migrationspakt ist kein verbindliches internationales Vertragswerk, er ist lediglich eine nicht völkerrechtsverbindliche Konvention."
Diese Behauptung stellt nicht nur der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen auf. Auch mehrere Orts- und Landesverbände der AfD sowie diverse Rechtsextreme verbreiten dementsprechende Aussagen.
Die AfD Rheinland-Pfalz teilte etwa einen Artikel der rechtspopulistischen Plattform "Unzensuriert". In dem Post behauptet der AfD-Landesverband, durch den Migrationspakt sollten "zukünftig Millionen (insbesondere Schwarzafrikaner) nach Europa umgesiedelt werden".
Auf ihrer Website hat die AfD unter "www.afd.de/migrationspakt-stoppen" sogar eine eigene Unterseite eingerichtet, um gegen den Globalen Migrationspakt mobil zu machen. Dort wird etwa behauptet, der Pakt statuiere "eine Aufnahmepflicht für alle, die behaupten, Opfer des 'Klimawandels' zu sein".
Um den Klimawandel geht es im Migrationspakt an zwei Stellen: Zum einen wird das Ziel formuliert, die Folgen des Klimawandels abzuschwächen, um Migration zu verhindern.
An einer zweiten Stelle geht es um eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit, um Lösungen für Migranten zu finden, die etwa aufgrund des Klimawandels ihre Heimat verlassen müssen.
Eine Verpflichtung, Migranten aufzunehmen, ergibt sich daraus jedoch nicht. Und selbst wenn so eine Verpflichtung Bestandteil des Pakts wäre, müsste Deutschland sich nicht daran halten, weil es sich nicht um einen rechtlich bindenden internationalen Vertrag handelt.
Vielfach wird von Gegnern des Migrationspakts behauptet, durch ihn würde künftig kein Unterschied mehr zwischen regulären Migranten, die erlaubt einreisen, und irregulären Migranten gemacht. Außerdem würden alle Migranten fortan dieselben Rechte genießen, wie deutsche Staatsbürger.
Der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Rainer Balzer behauptet in einem Facebookpost, der Pakt stelle "die Rechte der 'Migranten' den Rechten der Einheimischen gleich, gewährt ihnen 'Teilhabe' an staatlichen Leistungen, zu denen sie nie etwas beigetragen haben".
Auch das lässt sich anhand des 32-seitigen Textes des Migrationspakts nicht belegen.
Ziel 15 des Pakts ist die "Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen". Darin verpflichten sich die Staaten, "sicherzustellen, dass alle Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus' ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können".
Gleich im nächsten Satz steht jedoch: "Wir verpflichten uns ferner zur Stärkung von Leistungserbringungssystemen, die Migranten einschließen, ungeachtet dessen, dass Staatsangehörige und reguläre Migranten möglicherweise Anspruch auf umfassendere Leistungen haben [...]". Dabei geht es also lediglich um einen Zugang zu Grundleistungen, die die Wahrung der Menschenrechte sicherstellen – nicht darum, dass irreguläre Migranten die selben Ansprüche wie Staatsangehörige haben.
Eine Gleichsetzung irregulärer Migranten ohne legalen Aufenthaltsstatus mit deutschen Staatsbürgern lässt sich daraus nicht ableiten.
Auch dies wird immer wieder behauptet. So teilte der AfD-Ortsverband Emmendingen aus Baden-Württemberg auf Facebook einen Artikel des rechten Blogs "freiewelt.net", der vom Ehemann der AfD-Politikerin Beatrix von Storch herausgegeben wird.
Dass Kritik am Globalen Migrationspakt in Deutschland verboten sei, ist falsch. Auch dass durch den Pakt künftig kritische Berichterstattung über Migration verboten werden soll, geht aus dem Text des Migrationspakts nicht hervor.
Tatsächlich finden sich in Ziel 17 des Pakts jedoch Formulierungen, die auch außerhalb rechter und rechtsextremer Kreise auf Kritik stoßen.
Darin verpflichten sich die Staaten zur "Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration".
Konkret wird dort unter anderem die Absicht erklärt, Hasskriminalität gegen Migranten strafrechtlich zu verfolgen – was in Deutschland etwa durch den Volksverhetzungs-Paragrafen längst geschieht.
Darin sehen Kritiker die Möglichkeit einer Beschränkung der Pressefreiheit – auch wenn im Text selbst auf die Freiheit der Medien verwiesen wird. Gegenüber dem Schweizer Nachrichtenportal "20 minuten" kritisierte der "Verband Schweizer Medien" diesen Teil des Migrationspakts.
Ein Sprecher des Verbands sagte demnach: "Journalismus muss unbequem sein dürfen. Medienförderung muss ungeachtet der politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftliche Ausrichtung des Mediums erfolgen."
Die Vereinten Nationen haben 193 Mitgliedsstaaten. Fast alle dieser Staaten werden den "Globalen Pakt für Migration" im Dezember voraussichtlich verabschieden.
Alle Länder, die sich offen gegen den Globalen Migrationspakt aussprechen, werden von Parteien und Politikern regiert, die sich besonders über eine harte Migrationspolitik definieren.
Die AfD hat den Migrationspakt momentan zu einem ihrer zentralen Kampagnenthemen auserkoren. Doch auch diverse andere rechte und rechtsextreme Gruppen und Aktivisten machen gegen den Pakt mobil und verbreiten dabei die gleichen Falschinformationen wie die AfD.
Ganz vorne mit dabei ist die "Identitäre Bewegung", die eine Onlinepetition in Deutschland, Österreich und der Schweiz gestartet hat. Laut eigenen Angaben wurde diese Petition bislang von mehr als 57.000 Menschen unterschrieben.
Mit Posts in den Sozialen Medien, Videos und Flugblätten und Plakaten machen die Identitären Werbung für die Petition. Auch über einen Kanal der Messenger-App Telegram verbreiten sie Links zu Videos und Artikeln und rufen zu Aktionen auf.
Auch weitere rechtsextreme Organisationen und Blogs haben den Migrationspakt für sich entdeckt. So verbreiten auf Facebook mehrere Pegida-Seiten Artikel-Links und Demonstrationsaufrufe gegen den Pakt.
Viele der Behauptungen, die über den Globalen Migrationspakt verbreitet werden, sind falsch und irreführend.
Rechte und rechtsextreme Kreise nutzen das Thema gezielt, um gegen die Migrationspolitik der deutschen Bundesregierung Stimmung zu machen. Dabei verbreiten sie massive Falschinformationen.