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Amberg: Was von der "Hetzjagd" auf Deutsche übrig bleibt

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Bild: dpa
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Was von der "Hetzjagd" von Amberg übrig bleibt

14.01.2019, 10:52
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"Das sind Gewaltexzesse, die wir nicht dulden können", sagte Innenminister Horst Seehofer der "Bild"-Zeitung. 2019 war da noch keine zwei Tage alt. 

Seehofers Aussage bezog sich nicht etwa auf die Amokfahrt in der Silvesternacht in Bottrop und Essen. Ein 50 Jahre alter Mann soll viermal mit seinem Auto gezielt in Menschengruppen gefahren sein. Die Behörden in Nordrhein-Westfalen sprachen von einem "gezielten Anschlag" mit rassistischem Motiv.

Nein. Was Seehofer vor allem „aufwühlte“, war eine Prügeltour im bayerischen Amberg. Dort hatten zwei Tage vor Silvester vier alkoholisierte Schläger im Alter von 17 bis 19 Jahren zwölf Menschen verletzt. Die Ermittler gehen mittlerweile davon aus, dass die Beschuldigten aus Afghanistan und Iran stammen.

Zu den Anschlägen in Bottrop hatte sich Seehofer in dem "Bild"-Interview zwar auch geäußert. Allerdings eher der Vollständigkeit halber. 

"Es gehört zur politischen Glaubwürdigkeit, beide Fälle mit Entschiedenheit und Härte zu verfolgen.“
bild, 2.1.2019

Den Vorfall in Amberg nahm Seehofer allerdings zum Anlass, eine Grundsatzdebatte anzustoßen und via "Bild"-Zeitung härtere Strafen für straffällige Asylsuchende zu fordern.

"Wenn Asylbewerber Gewaltdelikte begehen, müssen sie unser Land verlassen. Wenn die vorhandenen Gesetze dafür nicht ausreichen, müssen sie geändert werden."
bild, 2.1.2019

Ohne Frage: Natürlich sind solche Gewaltausbrüche schlimm. Sie waren zunächst ein Fall der Polizei und beschäftigen mittlerweile auch die Justiz. Seehofer aber machte daraus ein Politikum. Spätestens mit Seehofers Aussagen wurde die alkoholisierte Prügeltour von Amberg politisiert. Plötzlich waren es keine prügelnden Männer mehr, sondern prügelnde Migranten. Plötzlich stand Amberg Bottrop gegenüber. Plötzlich wurde Amberg zum Symbol für Hetzjagden auf Deutsche.

dann die "Bild".

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Wie sich überregionale Medien anschließend auf Amberg stürzten, haben die Kollegen von "Übermedien" nachrecherchiert: Dass eine Meldung, die im Normalfall eine lokale ist, zum nationalen Aufreger werden konnte.

Denn: Normal war in Amberg danach nichts mehr. 

Zumindest der Amberger Bürgermeister rief zur Mäßigung auf:

Während die Debatte um kriminelle Asylbewerber bundesweit hochkochte, gingen die Ermittlungen vor Ort weiter. In Amberg ist man nun bemüht, das Narrativ eines prügelnden Migranten-Mobs, der über Stunden Jagd auf Deutsche gemacht habe, wieder einzufangen.

"Man darf nicht das Bild zeichnen, dass hier stundenlang marodierend durch Amberg gezogen wurde", sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz gegenüber watson.

Genauer habe es zwei "Tatkomplexe" gegeben. Die ersten Übergriffe sollen sich um 18.45 Uhr ereignet haben, weitere um 20.45 Uhr. Dazwischen soll es ruhig geblieben sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft Amberg bestätigt das gegenüber watson: „Es handelte sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand nicht (wie teilweise wohl berichtet) um eine über drei Stunden andauernde Tat."

Unmittelbar nach den Vorfällen um 20:45 Uhr habe die Polizei dann die Beschuldigten gegen 21:04 Uhr festgenommen.

Auch ein weiterer Punkt bedarf wohl der Korrektur: Die "Bild" schrieb: "Brutale Bilanz: zwölf Verletzte im Alter von von 13 bis 42 Jahren." Die "Bild" präsentierte als Kronzeugen einen 13-jährigen Jungen. Das Blatt betitelte Nino M. als "erstes Opfer" und zitierte ihn mit den Worten, ein Flüchtling habe ihn in den Bauch getreten und später seinen Freund Marco S. ins Gesicht geschlagen. 

Die "Amberger Zeitung" stellte die Glaubwürdigkeit des Zeugen allerdings in Frage: "Aus nicht bestätigten, amtlichen Quellen hieß es aber, dieser Augenzeuge habe seinerseits bereits häufiger Bekanntschaft mit der Polizei gemacht. Allerdings nicht im Zusammenhang mit den Vorfällen."

Und "Übermedien" fragte beim Polizeipräsidium nach und erfuhr, dass die zwölf Opfer zwischen 16 (!) und 42 Jahre alt gewesen seien.

Die Polizei zählt Nino M. demnach nicht zu den offiziellen zwölf Geschädigten. Tatsächlich haben sich weder Nino M. noch die Eltern des vermeintlichen Opfers je bei der Polizei gemeldet. "Er ist bisher nicht als Geschädigter aufgetreten", sagte das Polizeipräsidium Oberpfalz gegenüber watson. 

Wir haben bei der Bild nachgefragt, warum sie als Kronzeugen einen Minderjährigen präsentiert und ob eine zweite Quelle zu den Schilderungen des Jungen herangezogen wurde. Die "Bild" hat sich noch nicht geäußert.

Es bleiben also Fragen. Und im Gegensatz zur "Bild" und zum Innenminister äußern sich die Ermittler auf Seiten der Polizei und Staatsanwaltschaft zurückhaltend, was Tatablauf und Zeugenaussagen betreffen. Auch die Motivlage sei noch unklar, heißt es von Seiten der Staatsanwaltschaft. Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gebe es allerdings keine.

Was klar ist: Die vier Beschuldigten sind weiter in Haft. Ihnen wird gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Einer der Tatverdächtigen ist ausreisepflichtig und soll abgeschoben werden. Sein Asylantrag war bereits 2017 abgelehnt worden.

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Video: watson/Marius Notter, Katharina Kücke

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