Die Reise geht nach Hessen – wie die GroKo nach dem Bayern-Debakel weiter machen will
16.10.2018, 08:44
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Nach dem Wahldebakel in Bayern
versucht die große Koalition im Bund, ihre schwelenden Konflikte
unter der Decke zu halten – zumindest bis zur Hessen-Wahl in knapp
zwei Wochen. In der SPD kommen indessen erste Stimmen auf, die den
Verbleib in der Regierung Merkel bis zum Ende der Legislaturperiode
infrage stellen.
Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles sagte jedoch am Montag in Berlin, das Schicksal der großen Koalition entscheide sich in den nächsten Monaten und nicht jetzt.
Die CDU-Chefin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, rief dazu auf, verloren gegangenes Vertrauen der Bürger in die Regierungsarbeit von CDU, CSU und SPD durch Sacharbeit zurückzugewinnen.
Wie will die CSU weiter machen?
Die CSU-Spitze sieht ungeachtet massiver Stimmenverluste vorerst
keine Notwendigkeit für inhaltliche oder personelle Konsequenzen.
Vielmehr drückt sie bei der Regierungsbildung aufs Tempo: Bereits am
Mittwoch soll es Sondierungsgespräche geben. Koalitionsverhandlungen
sollen noch in dieser Woche beginnen. Die CSU-Spitze setzt auf eine
bürgerliche Koalition, in erster Linie mit den konservativen Freien
Wählern. Damit würden die Grünen leer ausgehen, obwohl sie
zweitstärkste Kraft im künftigen bayerischen Landtag sein werden.
Der CSU-Vorstand nominierte am Montag in München den erst seit
einem halben Jahr regierenden Markus Söder einstimmig für das Amt des
Ministerpräsidenten. Parteichef Horst Seehofer lehnt einen Rücktritt
weiter ab. Gleichwohl machte er deutlich, dass er keine Diskussion
abwürgen wolle. "Ich stehe für jede Debatte zur Verfügung." Bei einem
Wechsel an der CSU-Spitze riet der frühere Bundesverkehrsminister
Peter Ramsauer Ministerpräsident Söder zum Zugriff. "Er kann sich den
Parteivorsitz nicht nehmen lassen", sagte er im Deutschlandfunk.
Wie geht es in der bayrischen Regierungsbildung nun weiter?
Söder und Seehofer betonten zwar vor einer CSU-Vorstandssitzung
in München übereinstimmend, mit allen Parteien außer der AfD reden zu
wollen. Das "Naheliegendste" sei aber ein Bündnis mit den Freien
Wählern, sagte Söder. Laut Seehofer ist die Meinung in der CSU
einhellig, "dass wir nach Möglichkeit eine bürgerliche Koalition
anstreben". Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte im Radiosender
Bayern 2 bereits, wie viele Ministerien er für seine Partei haben
wolle: "Drei Stück an Ministerien werden wohl realistisch sein."
Die CSU hatte bei der Landtagswahl am Sonntag mit einem Minus von
gut zehn Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent erreicht, ihr
schlechtestes Ergebnis seit 1950. Die SPD halbierte mit Verlusten von
rund elf Punkten ihr Ergebnis von 2013 und landete mit 9,7 Prozent
auf dem fünften Platz. Zweitstärkste Kraft wurden die Grünen mit 17,5
Prozent - mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2013. Es folgen die
Freien Wähler mit 11.6 Prozent und die AfD mit 10,2 Prozent. Die FDP
sprang mit 5,1 Prozent knapp über die entscheidende Hürde. Die Linke
scheiterte mit 3,2 Prozent.
Die CSU stellt nun 85 Abgeordnete (vorher 101), die SPD 22, die
Grünen 38, die Freien Wähler 27, die AfD 22 und die FDP 11. Ein
Bündnis aus CSU und Freien Wählern hätte eine klare Mehrheit.
Was sagen die Berliner Spitzenpolitiker?
In Berlin waren die Spitzen von CDU und SPD derweil bemüht, die
aufgewühlte Situation zu beruhigen – vor allem wegen der Hessen-Wahl
am 28. Oktober. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer
sagte, das Bayern-Ergebnis sei "ein klarer Warnschuss" gewesen, dass
die Bürger eine bessere Regierungsarbeit erwarten. Nun müsse man sich
in den nächsten beiden Wochen voll darauf konzentrieren, dass die
Parteifreunde in Hessen mit Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU)
einen erfolgreichen Wahlkampf führen könnten. "Ich bin überzeugt:
Konstruktive Arbeit wird belohnt", sagte Bouffier.
Merkel betonte, es sei viel Vertrauen verloren gegangen in den
vergangenen zwölf Monaten – durch die lange Regierungsbildung und die
unionsinternen Streitereien über die Flüchtlingspolitik. Es gelte
nun, dieses durch Sacharbeit zurückzuerlangen. Merkel fügte hinzu,
die Bevölkerung erwarte, dass die Unionsparteien gemeinsam agierten.
Der Ausgang der Hessen-Wahl dürfte auch Auswirkungen darauf haben, ob
sich Merkel beim CDU-Parteitag im Dezember in Hamburg zur Wiederwahl
stellt.
Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner äußerte sich kritisch über
den Fortbestand der großen Koalition. "Da muss sich etwas gravierend
ändern, wenn diese Regierung Bestand haben soll", sagte der
Parteilinke der Deutschen Presse-Agentur.
Für die Parteilinke Hilde
Mattheis steht die schwarz-rote Koalition auf dem Prüfstand. "Offensichtlich können wir uns nicht in der großen Koalition
erneuern. Also muss man Ausstiegsszenarien überlegen und sehen, wie
es weitergehen kann", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.
Ist die GroKo in Gefahr?
Das Schicksal der großen Koalition entscheidet sich nach den
Worten von Nahles jedoch nicht jetzt, sondern "in den nächsten
Monaten". "Rote Linien jetzt zu definieren, das halte ich zum
jetzigen Zeitpunkt nicht für angesagt", sagte Nahles in Berlin.
Die Vorstände von SPD und CDU wollen jeweils Anfang November in
Klausuren über das weitere Vorgehen beraten. Zur Halbzeit der
Legislaturperiode in einem Jahr will die SPD eine Zwischenbilanz
ziehen und ausloten, ob sie in der Koalition weiter machen will.
Die Grünen kündigten an, im Freistaat und im Bund künftig auch
von der Oppositionsbank aus verstärkt Druck auf die regierenden
Parteien auszuüben. Ziel sei es, «dass endlich wieder über Politik
geredet wird», sagte Parteichefin Annalena Baerbock in Berlin. Ihr
Co-Vorsitzender Robert Habeck sagte am Vorabend, die Wähler in Bayern
hätten Veränderungen gewollt. Er ließ erkennen, dass er die Grünen
gerne in einer Regierung in Bayern gesehen
hätte.
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