Jetzt hagelte es erneut Kritik, weil der Gesundheitsminister vergangene Woche mit der Prognose für Aufsehen sorgte, dass er Krebs in zehn bis 20 Jahren für besiegbar halte. Experten äußerten erhebliche Zweifel und warnten davor, falsche Hoffnungen zu wecken.
Allein in Deutschland erkranken fast 500.000 Menschen jedes Jahr neu an Krebs, rund 220.000 sterben daran. Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen damit die zweithäufigste Todesursache.
Das hat Jens Spahn gesagt
"Es gibt gute Chancen, dass wir in zehn bis 20 Jahren den Krebs besiegt haben."
Das sagte Jens Spahn am Freitag der "Rheinischen Post".
Der medizinische Fortschritt sei immens, die Forschung vielversprechend. "Es gibt Fortschritte bei der Krebserkennung, bei der Prävention", so Spahn.
Er twitterte:
Immerhin ein Fünftel der Krebserkrankungen ließe sich aufs Rauchen zurückführen, fügte Spahn hinzu. Eine weitere Ursache seien schlechte Ess- und Lebensgewohnheiten, die sich durch Aufklärung stärker in den Griff bekommen ließe. Der Gesundheitsminister sieht zudem bei der Vorsorge erhebliche Fortschritte.
Auf Spahns Aussagen folgte Kritik – vor allem von Ärzten.
So reagieren Ärzte
"Das ist eine sehr allgemeine Hoffnung, die so einfach nicht funktioniert", sagte der Spezialist Ulrich Keilholz von der Berliner Charité. Bereits in den 1960er-Jahren habe es diese Aussage in den USA gegeben und auch danach immer wieder mal. "Aber diese Aussagen waren eher politisch motiviert als wissenschaftlich fundiert", sagte der Onkologe.
Auch der Direktor des Cancer Centers am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Carsten Bokemeyer, widersprach Spahn. Zwar werde es in den kommenden zehn Jahren enorme Fortschritte bei der Therapie geben, aber "Krebs ist auch eine Geißel der Menschheit, die in den Zellen angelegt ist", sagte Bokemeyer. Bei der Behandlung von Krebs liege das Problem häufig in der Resistenz, fügte er hinzu. "Krebszellen entwickeln mit jeder neuen Therapie Mechanismen, um sich gegen den Angriff auf sie zu wehren."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warf Spahn "Schwarz-Weiß-Malerei" vor. "Bei allem verbreiteten Zukunftsoptimismus verliert er die Menschen aus dem Blick, die nicht geheilt werden können", sagte Vorstand Eugen Brysch. Bessere Behandlung, Therapie und Prävention dürften nicht gegen die palliative Arbeit ausgespielt werden. Bei allem Fortschritt müsse der Patient im Fokus stehen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte in der "Augsburger Allgemeinen" vor falschen Hoffnungen. "Uns wird es nicht gelingen, Krebs in so kurzer Zeit zu besiegen." In 60 Prozent der Fälle pro Jahr lasse sich selbst bei optimaler Vorbeugung der Krebs bisher nicht verhindern. "Ich plädiere daher dafür, realistische Ziele auszurufen, denn sonst machen wir den Patienten falsche Hoffnungen."
Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, dämpfte die Erwartungen an die Fortschritte bei der Krebsbekämpfung. "Die Frage, ob Krebs in zehn bis 20 Jahren besiegbar sein wird, kann heute nicht beantwortet werden", sagte Nettekoven der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Zugleich begrüßte er aber die jetzt beginnende "Nationale Dekade gegen Krebs", mit der die Bundesregierung die Krebsforschung massiv nach vorne bringen will.
Und so reagierte Jens Spahn auf die Kritik
"Ja, es ist ambitioniert", twitterte Jens Spahn als Reaktion auf die Kritik an seiner Krebs-Prognose.
Ambitioniert sein.
Auch in der "Rhein-Neckar-Zeitung" verteidigte er seinen Vorstoß: "Wir wollen den Krebs besiegen, indem wir ihn beherrschen. Das wird nicht leicht. Aber gerade deshalb müssen wir es mutig und ambitioniert versuchen", sagte er. Er verwies darauf, dass Vorsorge, Früherkennung, Therapie und Forschung große Fortschritte machten. Spahn zog Parallelen zum Kampf gegen Aids: "Wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass die Lebenserwartung mit einer gut behandelten HIV-Infektion so hoch sein kann wie ohne Infektion?" Dank erfolgreicher Präventionsarbeit gehört Deutschland zu den Ländern mit den niedrigsten HIV-Neuinfektionsraten weltweit. "Das gibt doch Zuversicht, dass wir einen Unterschied machen können."
Große Ziele setzen.
Gleichzeitig nahm er im "Bayerischen Rundfunk" zum Vorwurf Stellung, Hoffnungen zu wecken: Er wolle "überhaupt keine Illusionen wecken, aber ich finde schon, wir sollten uns ambitionierte Ziele stecken". "Es geht nicht darum, dass überhaupt kein Krebs mehr entsteht", sagte Spahn. "Aber es geht darum, dem Krebs so weit es geht den Schrecken zu nehmen, weil es eben bessere Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten, bessere Früherkennung und Prävention gibt."
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