Innenpolitisch massiv unter Druck, hofft Kanzlerin Merkel beim
kleinen EU-Asylgipfel am Wochenende auf einen Befreiungsschlag. Kann sie außenpolitisch punkten, entzieht sie der agressiven CSU Zuhause den Boden unter den Füßen.
Aber eben mit dieser Taktik begibt sich Merkel in ein schwieriges Verhandlungsfeld. Sie muss einen Erfolg präsentieren, und das bringt sie in eine denkbar schlechte Verhandlungsposition gegenüber jenen EU-Partnern, die ohnehin nicht unbedingt auf ihrer Seite stehen.
Schon vor dem Gipfel am Sonntag präsentieren sich Italiens Giuseppe Conte und Ungarns Viktor Orban mit breiter Brust. Sie wollen klar machen: So einfach – man könnte auch sagen "so günstig" – gibt es beim Treffen der zehn EU-Staats- und Regierungschefs zum Umgang mit Flüchtlingen keine Lösung.
"Das Treffen wird nicht mit einem geschriebenen Text abschließen", sondern nur mit einem Überblick über die angesprochenen Fragen, kündigte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte am Donnerstag auf Facebook an.
Ein am Mittwoch bekanntgewordener Entwurf für eine Abschlusserklärung werde zurückgezogen, wie Conte weiter ausführte. Kanzlerin Angela Merkel habe ihm zugesagt, dass der Entwurf "beiseite gelegt" werde.
Ähnlich hatte sich zuvor Italiens neuer Innenminister Matteo Salvini geäußert und mit einem Boykott des Gipfels gedroht. Die Ergebnisse stünden offenbar schon fest und entsprächen nicht seinen Erwartungen, erklärte der rechtsradikale Politiker. Entweder es gebe "einen nützlichen Vorschlag" zum Schutz der Grenzen, zur Sicherheit und zu den Rechten "echter Flüchtlinge" – oder er werde "es wagen, Nein zu sagen".
Scharfe Kritik an dem Treffen kommt von den so genannten Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei. Der für seine umstrittenen Positionen in der Migrations- und Asylfrage bekannte Premier Ungarns, Viktor Orban, sagte:
Die Kommission und ihr Präsident Jean-Claude Juncker hatten zum Gipfel eingeladen. Kritiker glauben, er wolle Angela Merkel damit aus der innenpolitischen Patsche helfen.
So etwa der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki. Er kritisierte Juncker und dessen Positionspapier, das dieser im Vorfeld des Treffens den Teilnehmern zukommen ließ. "Das ist eine Art Vorschlag aus der Vergangenheit, der wieder einmal aufwärmt, was für uns unverständlich und inakzeptabel ist", sagte Morawiecki in Budapest.
Der Nachrichtenagentur Ansa zufolge will sich Italien bei dem Treffen für europäische "Schutzzentren" in den Herkunfts- und Transitländern stark machen – eine Forderung, die auch von der CSU erhoben wird. In den Zentren solle entschieden werden, ob ein Migrant asylberechtigt ist oder nicht. Um "Todestransporte" – die Überfahrten mit seeuntüchtigen Booten – über das Mittelmeer zu stoppen, will Italien demnach die Beziehung zu Drittstaaten gestärkt sehen. Außerdem fordere Italien eine stärkere Sicherung der Außengrenzen.
Zuvor waren Details aus dem Entwurf für das Abschlussdokument bekannt geworden. Danach streben die Teilnehmer des Treffens eine Reduzierung der Zahl der nach Europa kommenden Flüchtlinge sowie massive Beschränkungen der zwischen Mitgliedstaaten wechselnden Migranten an. Es bestehe eine "große Notwendigkeit", die Zahl der sogenannten Sekundärbewegungen "deutlich zu senken", heißt es darin. Dafür müssten Maßnahmen ergriffen werden, die Migranten vom "illegalen Übertritten" an den europäischen Binnengrenzen abhielten sowie "zügige Rücknahmen" in die zuständigen Mitgliedstaat sicherstellten.
Diese angestrebten Rücknahmeabkommen sind in Italien aber umstritten. Premier Conte hatte erklärt, er werde nicht über Sekundärbewegungen innerhalb Europas diskutieren, bevor nicht das Problem der Primärbewegungen in Angriff genommen werden. Italien pocht auf die Überwindung der Dublin-Regeln und eine europäische Antwort darauf, dass gerettete Bootsflüchtlinge zum Großteil nach Italien gebracht werden.
(mbi/dpa/reuters/afp/tol)