Es ist eine kleine Revolution.
Zum ersten Mal haben Abgeordnete des deutschen Bundestages die Möglichkeit, der Kanzlerin direkt Fragen zu stellen.
Bisher war die Regierungsbefragung, die traditionell an einem Mittwoch auf die Kabinettssitzung folgt, eine eher nüchterne Veranstaltung. Sie dauerte 35 Minuten und in der Regel antworteten die Parlamentarischen Staatssekretäre oder Staatsminister der Bundesministerien. Neu ist, dass Angela Merkel persönlich vor ihren Abgeordneten Rede und Antwort stehen wird.
Die Änderung soll die Diskussionskultur im Parlament beleben und die Fragestunde zu einem wirksameren Instrument zur Kontrolle der Bundesregierung machen.
Die SPD hatte die Kanzlerinnenbefragung im Koalitionsvertrag durchgesetzt. Union und SPD haben vereinbart, dass sie drei Mal im Jahr stattfinden soll.
Die erste Fragestunde dieser Art könnte es gleich in sich haben. Denn natürlich werden sich die Bundestagsabgeordneten vor allem für ein Thema interessieren: den Bamf-Skandal.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das über die Asylanträge von Flüchtlingen entscheidet, steht bereits seit Wochen in der Kritik. Im April war bekannt geworden, dass die Bremer Bamf-Außenstelle zwischen 2013 und 2016 in mindestens 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben soll.
Angela Merkel hatte sich bisher gewohnt zurückgehalten.
Doch: Neuesten Medienberichten zufolge war die Bundesregierung bereits seit vergangenem Jahr über die massiven Probleme in der Behörde informiert.
Die "Bild am Sonntag" berichtete unter Berufung auf vertrauliche Dokumente, der frühere Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise habe die Kanzlerin 2017 zwei Mal im direkten Gespräch über Missstände in der Behörde und im Asylmanagement informiert. Bereits Anfang 2017 habe Weise in einem internen Bericht die Zustände im Bamf schonungslos analysiert. In dem Papier heißt es demnach, dass die Leitung unter Weise "in ihrer beruflichen Erfahrung noch nie einen so schlechten Zustand einer Behörde erlebt" habe. Auch der "Spiegel" berichtete über den Bericht Weises von Anfang 2017. Dort ist demnach von einem "Organisationsversagen in der Krise" und einem "faktischen Konkurs" des Bamf die Rede.
Die bamf-Krise ist an der Spitze angekommen. Und Angela Merkel wird sich am Mittwoch dank der Neuregelungen wohl positionieren müssen. So gesehen ist das neue Instrument schon jetzt ein Erfolg.
(ts/afp)