An den Grünen und der Union lässt sich in den vergangenen Wochen geradezu lehrbuchartig nachzeichnen, wie unterschiedlich sich Parteien in Regierungs- und Oppositionsverantwortung verhalten.
Vor einem guten halben Jahr waren es noch CDU und CSU, die jeden politischen Schritt der Ampel-Koalition kritisierten. Mittlerweile finden sie sich mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) aber selbst an der Spitze der Bundesrepublik und müssen damit auch einiges an Kritik von den Grünen einstecken. Auseinander gehen die Positionen der beiden Parteien vor allem bei den Themen Migration, Familie und Klimaschutz.
Doch auch im Bereich Verteidigung sind die Grünen in vielen Fällen nicht einverstanden mit den Aussagen der aktuellen Bundesregierung. "Nichts ist in der Außen- und Sicherheitspolitik schlimmer als nicht gehaltene Versprechen oder leere Drohungen", stellte Grünen-Chefin Franziska Brantner im Interview mit dem "Spiegel" klar.
Konkret bezog sie sich hierbei auf Taurus-Raketen, die sich die Ukraine im Krieg schon länger von den europäischen Partnern wünscht. Ex-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine entsprechende Lieferung aus Deutschland stets abgelehnt, weil die Marschflugkörper von der Ukraine aus auch russisches Staatsgebiet erreichen könnten.
Merz hingegen hatte damals als Oppositionsführer vehement die Lieferung von Taurus gefordert. Erst kürzlich gab er dann bekannt, dass es für an die Ukraine gelieferte Waffen "keinerlei Reichweitenbeschränkungen" mehr geben solle.
Mehrere Politiker:innen von Union und Grünen hatten nach dieser Ankündigung erneut die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern gefordert. Franziska Brantner allerdings hält Merz' Ankündigung noch nicht für spruchreif.
"Es sieht nach einem klassischen Merz aus: volle Backen und dann nur heiße Luft", sagt sie dem "Spiegel". In Anlehnung an die Zurückhaltung des Ex-Kanzlers fügte sie hinzu: "Jetzt scholzt er bei dem Thema ganz schön rum."
Bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch hielt sich Merz zu einer möglichen Lieferung von Taurus erneut bedeckt.
Brantner warnte vor den Konsequenzen anhaltender Unsicherheiten im Ukraine-Krieg. "Das führt in der Innenpolitik zu Enttäuschungen der Bürgerinnen und Bürger, aber in der Außen- und Sicherheitspolitik ist es brandgefährlich", sagte sie.
Leere Versprechen stellten demnach vor allem in Bezug auf den russischen Machthaber Wladimir Putin ein Risiko dar. "Merz läuft Gefahr, dass seine Aussagen erratisch wirken und nicht glaubwürdig sind gegenüber Machthabern wie Putin. Die sehen darin ein Zeichen der Schwäche", erklärte sie.
Auch in Bezug auf die Ankündigung von Friedrich Merz, die Bundeswehr zur stärksten Armee Europas zu machen, äußerte die Grünen-Chefin Kritik. Sie plädierte für eine gemeinsame europäische Friedenslösung für den Ukraine-Krieg.