"Bibis Beauty Palace", "Unge" oder "DagiBee" – werden all diese Kanäle 2019 von YouTube verschwinden? In den vergangenen Tagen ist rund um die Plattform eine regelrechte Massenpanik entstanden. Der Grund: Ein Video von "Wissenswert" mit dem apokalyptischen Titel "Warum es YouTube nächstes Jahr nicht mehr gibt", das einem Aufruf der YouTube-Chefin Susan Wojcicki folgte.
Wojcicki hatte Content-Creator aufgerufen, in der Debatte um die EU-Urheberrechtsreform gegen Upload-Filter zu protestieren. Demnach sollten sich die YouTuber darüber informieren, wie der umstrittene Artikel 13 der geplanten Urheberrechtsrichtlinie ihre YouTube-Kanäle betreffen werde "und sofort handeln". So sollten sie online argumentieren, warum ihr Geschäft wichtig sei.
Wegen der drohenden Haftung könne es für die Online-Dienste zu riskant werden, auch kleinere Content Creator ihr Material hochladen zu lassen. Die Neuregelung könne das Internet, wie man es heute kennt, "drastisch verändern". Unter anderem könnten Nutzern in der EU auch viele bestehende Videos entgehen, inklusive Lern- und Bildungsinhalten.
Was steht in Artikel 13 und haben "Wissenswert" Recht mit ihrer Angst? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Das Europaparlament hat Mitte September diesen Jahres für eine Reform des Urheberrechts gestimmt. Damit sollen die Regeln für das Copyright an die heutige Zeit angepasst werden. Heftig gestritten wird dabei vor allem um Artikel 13, den sogenannten "Upload-Filter".
In Artikel 13 steht, dass Plattformen Uploads der Nutzer auf Verstöße gegen das Copyright filtern sollen, weshalb das Ganze auch "Upload-Filter" genannt wird. Im Prinzip geht es um die Haftung des Copyrights für die Inhalte, die auf die Plattformen hochgeladen werden. Bislang sind Plattformen lediglich dazu verpflichtet, Inhalte, an denen sie keine Rechte haben, nachträglich zu löschen.
Artikel 13 sorgt dafür, dass alle Plattformen für die dort hochgeladenen Inhalte verantwortlich sind. Laut "brandwatch" werden alleine auf YouTube 400 Videos in der Minute hochgeladen. Eine Menge also, die kaum von Menschen überprüft werden kann. An dieser Stelle würden die Upload-Filter greifen.
Es gibt Kritik an den Filtern: Die Internet-Kultur sei in Gefahr, weil Filter (noch) nicht in der Lage sind, erlaubte Inhalte wie beispielsweise Satire und Ironie zu erkennen. Diese Angst trägt den Namen "Overblocking". Demnach würden die Filter in solchen Inhalten wie Memes einen Rechteverstoß sehen und diese deshalb gar nicht erst zulassen – da sind sich Experten, wie Julia Reda, Europaabgeordnete der Piratenpartei, sicher.
Außerdem werden grundsätzliche Bedenken bezüglich einer Zensur geäußert. Für strittige Fälle sieht der Gesetzesentwurf eine Beschwerdestelle vor. Aber bis ein Fall entschieden wird, kann es dauern. Das sei ein Problem im schnelllebigen Internet, so Kritiker: Was zu spät online geht, wird nicht mehr gesehen und geteilt.
Befürworter halten diese Kontrollen für angemessen und transparent genug. Außerdem sind sie der Meinung, dass die Plattformen in den meisten Fällen wohl Lizenzen für das urheberrechtlich geschützte Material erwerben würden, so dass es gar nicht zu Sperrungen kommen müsste.
Ursprung der Panikmache ist das Video von "Wissenswert". In dem Video heißt es etwa:
Im Video rufen "Wissenswert" auch dazu auf, eine Petition zu unterzeichnen, die die finale Abstimmung über das Leistungsschutzrecht, die wahrscheinlich Anfang des kommenden Jahres stattfindet, verhindern soll.
Nicht nur unter den Zuschauern herrscht nach dem Video von "Wissenswert" große Unsicherheit und Panik. Auch andere YouTuber haben inzwischen ähnliche Videos hochgeladen und schüren so die Angst.
Gar nicht mal so viel. Was stimmt: Die YouTube-Chefin Susan Wojcicki aht zum Protest gegen Artikel 13 aufgerufen. Klar! Denn der Protest der Content Creator und der Nutzer ist ein einfacher Weg, dem Upload-Filter doch noch zu entgehen. Durch die Panikmache werden viele (vor allem junge) Nutzer dazu getrieben die Petition zu unterschreiben.
Aber:
Diese Aussage, auf die sich "Wissenswert", "Vik" und Co. beziehen, steht so nicht im Brief der YouTube-Chefin Wojcicki. Sie spricht lediglich davon, dass es so sein könnte. (Zur Erinnerung: "Der Vorschlag könnte Plattformen wie YouTube zwingen, nur Inhalte von einer Handvoll großer Unternehmen zuzulassen." ) Wie die Plattform tatsächlich abseits von Upload-Filtern auf Artikel 13 reagieren würde, wird in dem Brief nicht thematisiert.
Das europäische Parlament und der Rat, der die Regierungen der Mitgliedstaaten vertritt, sind gerade dabei, unter Beteiligung der EU-Kommission einen endgültigen Text zu vereinbaren, der für alle drei Institutionen akzeptabel ist.
Die endgültige Abstimmung soll im Mai und damit kurz vor den Europawahlen stattfinden. Gegner hoffen, dass der öffentliche Protest und die anstehenden Wahlen doch noch dazu führen, dass das Gesetz gekippt wird.
(mit dpa)