Rumänien übernimmt bald den EU-Vorsitz – warum das vielen Politikern Sorgen macht
29.12.2018, 15:5930.12.2018, 16:42
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Der Brexit, die Europawahl, die ständigen
Anfeindungen von Populisten und Nationalisten: Die Europäische Union
geht hoch nervös ins neue Jahr. Und nun übernimmt mit Rumänien
ausgerechnet ein Land das Steuer, das selbst zu schlingern scheint.
Vor drei Wochen noch lobte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Bukarest sei "gut vorbereitet" auf den EU-Ratsvorsitz ab 1. Januar. Doch inzwischen hört sich das weit pessimistischer an.
Was macht den Politikern Sorgen?
Die Regierung in Bukarest habe wohl noch nicht in vollem Umfange
begriffen, was es bedeute, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen,
sagte Juncker jetzt der "Welt am Sonntag". "Für ein umsichtiges
Verhandeln braucht es auch die Bereitschaft, anderen zuzuhören, und
den festen Willen, eigene Anliegen hintenan zu stellen. Da habe ich
einige Zweifel." Wegen seines "internen Zustands" könne Rumänien
nicht als kompakte Einheit in Europa auftreten - doch gerade das wäre
nötig, um auch die Einheit in Europa zu fördern, sagte Juncker.
Gemeint ist mit diesem "internen Zustand" wohl vor allem der Dauerstreit der sozialliberalen Regierung Rumäniens mit Präsident Klaus Iohannis, der der bürgerlichen Opposition nahesteht.
Der Staatschef ist für die Außenpolitik zuständig und vertritt das Land auch bei den EU-Gipfeln in Brüssel - sehr zum Missfallen der Regierung.
Eine wichtige Rolle spielt die rumänische Ministerpräsidentin Viorica Dancila:
Bild: AP
Zusätzlich kompliziert wird die Lage, weil Ministerpräsidentin
Viorica Dancila vielen in Rumänien nur als Marionette des eigentlich
starken Mannes gilt: Liviu Dragnea, Chef der sozialdemokratischen
Regierungspartei PSD. Er ist wegen Wahlmanipulation vorbestraft und
kann deshalb selbst nicht Regierungschef sein, zieht aber im
Hintergrund die Fäden.
Dragnea gilt auch als treibende Kraft hinter den Justizreformen, die nicht nur bei Iohannis, sondern auch in Brüssel auf Protest stoßen.
Bild: AP
Kritiker halten dem PSD-Chef vor, er wolle sich selbst Probleme vom
Hals schaffen. Denn Dragnea steht auch wegen Anstiftung zum
Amtsmissbrauch in zweiter Instanz vor Gericht. Zudem läuft ein
Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen mutmaßlicher Veruntreuung von
EU-Geldern.
Bereits im Sommer setzte die Regierung mit Unterstützung des
Verfassungsgerichts durch, dass Iohannis die angesehene
Korruptions-Sonderstaatsanwältin Laura Kövesi entlassen musste. Nun
wünscht Dragnea eine Eilverordnung zur Amnestie für
Korruptionsdelikte. Ebenfalls per Eilverordnung will er die vom
Verfassungsgericht teilweise gekippten Justizgesetze doch noch in
Kraft setzen lassen. Dabei geht es unter anderem um Änderungen der
Strafprozessordnung und eine Entschärfung des Korruptionsstrafrechts.
Gerade die Justizreformen lassen in Brüssel seit Monaten die Alarmglocken schrillen
Die EU-Kommission bescheinigte Rumänien Mitte
November Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit und im Kampf gegen
Korruption und forderte klipp und klar, die Umsetzung der
Justizgesetze zu stoppen. Gleichzeitig warnte das Europaparlament in
einer Rumänien-Resolution davor, "die Unabhängigkeit der Justiz und
die Kapazität zur wirksamen Korruptionsbekämpfung im Land strukturell
zu schädigen und die Rechtsstaatlichkeit zu schwächen".
Die CSU-Europapolitikerin Angelika Niebler brachte vor Wochen ein Strafverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gegen Rumänien ins Spiel.
Bild: imago stock&people
So ein Verfahren läuft bereits gegen Polen und Ungarn. In letzter
Konsequenz kann damit EU-Ländern das Stimmrecht entzogen werden, wenn
sie Grundwerte der EU gefährden – ein außerordentlich heikler Vorstoß
gegen ein Land, das in den nächsten Monaten Ministertreffen leiten
und die EU auch mit repräsentieren soll.
Trotz der gereizten Töne zwischen Brüssel und Bukarest versucht die
rumänische Vertretung bei der EU, den Ratsvorsitz so professionell
wie möglich abzuspulen. "Das wird keine normale Präsidentschaft",
sagte Botschafterin Luminita Odobescu kurz vor Weihnachten, sie
meinte damit aber weniger die innenpolitische Krise als die
außergewöhnlichen Zeiten für die Europäische Union.
Der immer noch ungeregelte britische EU-Austritt Ende März dürfte die
Gemeinschaft ohnehin wochenlang in den Ausnahmemodus versetzen. Dazu
kommen die Ängste vor einem Aufschwung der Europakritiker bei der
Europawahl. Anfang Mai soll ein Sondergipfel im rumänischen Sibiu
(Hermannstadt) eigentlich ein Signal des Aufbruchs, der Einheit und
der Erneuerung inszenieren, bevor die EU-Bürger zwei Wochen später zu
den Urnen gehen.
Eine "zukunftsorientierte Präsidentschaft" wünscht sich die
rumänische Chefdiplomatin in Brüssel, einen eigenen Schwerpunkt auf
"Zusammenhalt in einem übergreifenden Sinn". Zusammenwachsen,
Sicherheit, mehr Gewicht für die EU in der Welt, erfolgreiche
Verhandlungen über den Finanzrahmen der nächsten Jahre, Eindämmung
des Populismus, all das hat sich Rumänien für seine
Ratspräsidentschaft vorgenommen. Und vor allem: die Stärkung eines
"Europas der gemeinsamen Werte". Das strich Botschafterin Odobescu
besonders heraus.
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