Am Sonntag wird in Brasilien gewählt. Der Favorit der Linken, Luiz Lula da Silva, sitzt in Haft. Umso wahrscheinlicher scheint ein Sieg der Rechten und ihres Kandidaten, dem ehemaligen Fallschirmjäger Jair Bolsonaro.
Die Kandidaten der Wahl und warum die Welt einen Rechtsruck in Brasilien fürchtet.
Jair Bolsonaro, 63, hat eine Lieblingsgeste. Beide Hände an den Abzug und dann? Maschinenpistole! So einfach ist das Weltbild des Kandidaten der Rechten für die Präsidentschaftswahl in Brasilien.
"Ja, ich bin für die Diktatur!". Das sagte Bolsonaro schon 1993 im Parlament. Und:
25 Jahre später greift der Ex-Fallschirmjäger und Armee-Hauptmann nach dem Präsidentenamt in Lateinamerikas größter Volkswirtschaft. Seine Chancen stehen gut. Er ist der Favorit in der ersten Wahlrunde am Sonntag. Drei Wochen später dürfte er in der Stichwahl gegen den Kandidaten der linken Arbeiterpartei, Fernando Haddad, antreten.
Brasilien ist in Bolsonaros Augen ein dysfunktionaler Staat, in dem nur jemand mit harter Hand für Ordnung sorgen kann. Gewaltverbrecher? Bolsonaro sagt: "Alle erschießen!" Politische Gegner? - "Sie auch." Korruption? Ein Militärputsch könnte nach Bolsonaros Worten den Sumpf trockenlegen. Die Wirtschaft? Bolsonaro will staatliche Unternehmen privatisieren, damit sich Politiker dort nicht länger bedienen können.
Ein Mann stach Bolsonaro im Wahlkampf nieder. Laut Polizei ein geistig Verwirrter. "Ein Komplott der Linken", sagt Bolsonaro. Wochenlang war er krank. Die TV-Debatte der Kandidaten ließ er sausen, lieber gab er parallel ein Interview mit einem gefügigen TV-Sender.
"Wir können Kriminelle nicht wie menschliche Wesen behandeln, die Respekt verdienen", erklärt Bolsonaro im August. Einige Tage später greift er auf einer Wahlkampfveranstaltung nach dem Stativ eines Kameramanns und tut so, als würde er damit um sich feuern: "Wir werden alle Unterstützer der Arbeiterpartei erschießen", ruft er der jubelnden Menge zu. Später lässt sein Wahlkampfteam mitteilen, es habe sich um einen Scherz gehandelt. Nur wenige können darüber lachen.
Fernando Haddad, 55, ist der Kandidat der Arbeiterpartei. Er tritt in Vertretung des ehemaligen Präsidenten Lula an, der nach Korruptionsvorwürfen in Haft sitzt. Haddad, Nachfahre christlicher Einwanderer aus dem Libanon, präsentiert sich als Mann des Ausgleichs.
In den Umfragen liegt Haddad, ein früherer Bürgermeister der Millionenstadt São Paulo, bislang weit hinter dem rechtsextremen Kandidaten Bolsonaro. Der "Trump Brasiliens" mischt zwar schon lange im Politikbetrieb mit, präsentiert sich neuerdings aber als Anti-System-Kandidat. Erreicht keiner der Kandidaten in der ersten Wahlrunde die absolute Mehrheit, gibt es am 28. Oktober eine Stichwahl. Beobachter gehen davon aus, dass Bolsonaro aus dieser nicht erfolgreich hervorgehen wird – egal, gegen wen er antritt.
Seit Wochen machen vor allem Frauen gegen den Trump Brasiliens, Bolsonaro, mobil. Unter #EleNao – der nicht! – rufen sie zu Demonstrationen auf.
Allein in der Wirtschaftsmetropole São Paulo versammelten sich vergangene Woche 200.000 Menschen. Auch in den sozialen Netzwerken machten die Verbände gegen die als rassistisch und frauenverachtend eingestuften Aussagen des 63-Jährigen mobil. Sie dürfe zwar noch nicht wählen, protestiere aber trotzdem, sagte die 16-jährige Ana Clara Pontes in Río de Janeiro. Es gehe ums Prinzip: "Eine so rassistische und engstirnige Person darf nicht an die Macht kommen." Auch in der Küstenstadt hatten sich Tausende Menschen im Viertel Cinelandia versammelt.
(rtr, dpa, afp)