Es dauert jetzt keine Woche mehr. Dann entscheidet das britische Unterhaus über Deal or Nodeal mit Europa. Die Unsicherheit im britischen Parlament, dem House of Commons, hat am Mittwoch unter diesem Druck einen neuen Höhepunkt erreicht.
Am Anfang schien noch alles normal. Heftig hat sich das House an seiner Premierministerin abgearbeitet. So kennt man das. Einer bezeichnete May da als "eingefrorene Premierministerin", eine andere verglich sie mit Russlands Wladimir Putin. Ein Parlamentarier fragte sogar, ob die Premierministerin überhaupt noch auf der Seite des Volkes stehe.
Soweit, so gut: Aber dann passierte erst der richtige Knall des Tages. Er ging weit hinaus über den gewohnt bissigen Ton, über die für London typischen "Order"-Ordnungsrufe, "Shames" und das Gegröle der Parlamentarier.
Unter den Parlamentariern entbrannte am Mittwoch sozusagen kurz vor Abpfiff ein offener Streit über den Vorstoß einer kleinen Gruppe von NoDeal-Gegnern, der jetzt zumindest für May noch einmal alles ändert.
Sie forderten die Premierministerin dazu auf, innerhalb von drei Sitzungtagen einen Plan B vorzulegen, falls das House am kommenden Dienstag gegen ihren Deal stimmen wird. So viel vorweg: Noch am selben Abend hat eine Mehrheit des Parlaments diesem Vorstoß zugestimmt. May muss jetzt also liefern, egal ob ihr Deal durchkommt oder nicht.
Das finden aber gar nicht alle gut. Wie zerstritten das House war, zeigte sich in einem ungewöhnlich offen und lange ausgetragenen Streit zwischen dem Vorsitzenden des Parlaments (Speaker of the House), John Bercow und den Befürwortern des NoDeal-Brexits.
Die warfen dem eigentlich neutralen Bercow vor, er habe seine Macht missbraucht, um den Plan-B-Befürwortern überhaupt eine Bühne zu geben.
Danach ging es drunter und drüber.
Nicht mehr über den Brexit diskutierten die Anwesenden ausführlich, sondern auch über das Verhalten ihres Speakers. Am Ende warf ein verärgerter Brexitier dem Speaker sogar vor, er selbst habe einen "Remain"-Aufkleber im Auto aufgeklebt und sei parteiisch.
Bercow selbst reagierte trocken: "Im Auto meiner Frau hängt ein Aufkleber, Sie wollen doch nicht behaupten, meine Frau dürfe keine eigene Meinung haben?".
Der absurd lange geführte Streit im Parlament zeigt die Verunsicherhung und offenbart die tiefen Fronten, die gerade in der englischen Politik herrschen. Eine Deal-Mehrheit jedenfalls ist so oder so nicht in Sicht. Stattdessen stehen die Zeichen gerade auf No Deal.
Bei ihrer eigenen Partei stößt Mays Deal auf Ablehnung, auch beim Koalitionspartner, der nordirischen DUP, gibt es Widerstand. Die einen wollen gar keinen Deal, andere wollen einen anderen Deal, wieder andere wollen ein neues Referendum. Kurzum: Streit an allen Fronten.
Dennoch, May bestätigte am Mittwoch aufs Neue:
Damit tritt die Premierministerin auch Gerüchten entgegen, der Brexit könne mit Zustimmung der EU-Staaten am Ende doch noch verschoben werden. Mit dem neuen Plan-B-Zwang würde das sowieso schwierig.
Der wahrscheinlichere Austritt ohne Abkommen brächte dagegen vermutlich Chaos an den Grenzen, Rechtsunsicherheit und Einbußen für die Wirtschaft.
(mbi)