Seit mehr als sieben Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg – und noch immer ist keine politische Lösung für diesen blutigen Konflikt abzusehen. An diesem Samstag kommen die Staats- und Regierungschef der Türkei, Russlands, Frankreichs und Deutschlands zu einem Gipfel in Istanbul zusammen - es ist das erste Treffen überhaupt in diesem Format. Die vier wollen darüber sprechen, wie es in Syrien weitergeht. Die wichtigsten Fragen vor dem Gipfel:
Zeitweise sah es im Bürgerkrieg so aus, als könnte Präsident Baschar al-Assad die Macht verlieren. Mittlerweile aber haben die Regierungstruppen wieder den größten Teil des Landes unter Kontrolle, dabei fast alle wichtigen Städte. Unterstützt wird Assad von Russland und dem Iran. Letzte große Hochburg der mit der Türkei verbündeten Rebellen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Daneben beherrschen auch noch die Kurden ein großes Gebiet im Norden und Osten des Landes - sie bekämpfen dort mit Hilfe der USA die letzten Truppen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Auf der Agenda steht die Lage in Idlib, wo sich die Türkei und Russland auf eine entmilitarisierte Pufferzone geeinigt haben, um eine angedrohte Offensive der Regierungstruppen zu verhindern. Die Pufferzone ist offiziell seit dem 15.10. errichtet - allerdings haben sich die radikalen Kräfte von dort Aktivisten zufolge bislang nicht zurückgezogen. Trotzdem war die Lage in Idlib vergleichsweise ruhig. Am Abend vor dem Gipfel berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte jedoch, bei Artilleriebeschuss der syrischen Armee seien mindestens sieben Zivilisten getötet worden.
Nicht zuletzt Deutschland sieht dies als Ausgangspunkt für einen neuen politischen Prozess mit dem Ziel, einen Ausgleich zwischen Regierung und Opposition zu finden. Schon im Januar wurde auf einem von Russland organisierten Syrien-Kongress in Sotschi beschlossen, ein Komitee einzurichten, das eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Doch vor allem Syriens Regierung stellt sich dabei bislang quer und lehnt eine tragende Rolle der UN bei dem Verfassungsprozess ab.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist es der erste Syrien-Gipfel. Deutschland hat im Bürgerkrieg keine größere Rolle bei den Bemühungen um eine Konfliktlösung gespielt - obwohl es von allen europäischen Ländern die mit Abstand meisten Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat. Erst seit diesem Frühjahr sitzt Deutschland auf Außenministerebene in einer Verhandlungsgruppe westlicher und arabischer Staaten mit am Tisch. Dabei handelt es sich um die «Small Group» (Kleine Gruppe), der außer Deutschland Frankreich, die USA, Großbritannien, Saudi-Arabien und Jordanien angehören.
Deutschland erhofft sich von dem Gipfel Fortschritte auf dem Weg zu einer politischen Lösung in Syrien. Für konkrete Gespräche über Wiederaufbauhilfe für Syrien ist es aus deutscher Sicht zu früh. Am Rand des Gipfels könnte es für Merkel auch Gelegenheit zu bilateralen Gesprächen zu anderen Themen geben. Die Kanzlerin könnte beispielsweise mit Putin über den Ukraine-Konflikt reden.
Militärisch sind die USA als Partner der Kurden noch immer im Kampf gegen den IS aktiv. Aus dem politischen Prozess haben sie sich unter Präsident Donald Trump jedoch weitestgehend zurückgezogen. Schon bei früheren Syrien-Gesprächen in Genf klagten europäische Diplomaten darüber, dass die USA als einflussreicher Partner und Unterstützer der Opposition ausfielen - und Russland das Feld überließen.
Am wichtigsten ist das so genannte Astana-Format, benannt nach der Hauptstadt Kasachstans. Dort trafen sich mehrmals Russland, die Türkei und der Iran, um über Syrien zu verhandeln. Syriens Regierung und Opposition sind dabei nur Zaungäste. Im Astana-Format wurden mehrere sogenannte Deeskalationszonen ausgehandelt. Auf die Pufferzone in Idlib einigten sich Erdogan und Putin hingegen bei einem Zweiertreffen. Mehrfach lud UN-Vermittler Staffan de Mistura auch zu Friedensgesprächen in Genf - sie blieben allesamt erfolglos.
(pb/dpa)