Alle feierten Frankreichs jugendlichen Staatschef Emmanuel Macron als Retter Europas, nachdem er 2017 bei der Wahl ums Präsidentenamt gegen die Rechtspopulistin Marine Le Pen triumphiert hatte. Am Dienstag sprach Macron vor dem Europaparlament. Vier Gründe warum die Liebe zu Macron erkaltet.
Die Inszenierung: Vor dem Europaparlament gab Macron am Dienstag den Verteidiger der liberalen Demokratie in der EU, er sprach sich gegen autoritäre Tendenzen in Ländern wie Ungarn oder Polen aus. In Europa gibt Macron also den staatsmännischen Retter liberaler Werte.
Die Realität: Daheim in Frankreich verliert er an Zustimmung. Vielen gehen Macrons angestrebte Reformen – vom Numerus Clausus für Unis bis zur Bahnreform – zu weit.
Seit Wochen legen die Gewerkschaften den Zugverkehr lahm. Auch die Fluglinie Air France wird bestreikt. Und an den Hochschulen formiert sich der Protest.
Fazit: Macron muss sich erst noch beweisen. Zuallererst in Frankreich.
Klimawandel, Folgen der Digitalisierung – Macron machte klar, dass viele Probleme nur gemeinsam von den EU-Staaten gelöst werden können. "Europäische Souveränität" lautet sein Schlüsselwort. Geborgt vom deutsch-französischen Daueraktivsten Daniel Cohn-Bendit.
Die Idee: Europas Staaten müssen die Probleme der Zukunft gemeinsam lösen, um in einer unübersichtlicher werdenden Welt zu bestehen.
Der Plan: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Francois Hollande versucht er die Neuerungen nicht g e g e n Berlin umzusetzen, sondern m i t der schwarz-roten Bundesregierung. Aber wie immer in der Europäischen Union wird das kompliziert. Er will
Die Gegenfront: Macron mied die sensiblen Themen am Dienstag. Denn er findet wenig Unterstützer.
Erst rückte die FDP von Macrons Ideen ab. Dann die Union. Und schließlich auch die SPD. Am Wochenende machte Finanzminister Olaf Scholz, SPD, den Wolfgang Schäuble. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vertagte er Macrons Pläne.
Ohne Martin Schulz verliere die SPD ihren europapolitischen Elan, klagte die Grünen-Chefin Annalena Baerbock.
Macron kam den deutschen Bedenken in seiner Rede ein wenig entgegen. Auch Kanzlerin Angela Merkel deutete am Dienstag Kompromissbereitschaft an. "Wir werden zum Juni hin mit Frankreich gemeinsame Lösungen finden", sagte sie in Berlin. Aber der Widerstand in der Union ist groß.
Fazit: Am Donnerstag kommt Macron zu Merkel nach Berlin. Die Zeit drängt. Im Juni sollen auf dem EU-Gipfel erste Reformbeschlüsse fallen. Noch steht der Europa-Erneuerer aus Frankreich weitgehend alleine da.
Der Anfang: Marcon hat es mit seiner neuen Bewegung "La République En Marche" vorgemacht. Aus dem Nichts schuf er eine neue libertäre Partei der Mitte und gewann die Präsidentschaftswahl. Schon feiert der "Economist" den Kurs der liberalen Mitte als Erfolgsmodell gegen die Rechte.
Der Plan: Macron lobte am Dienstag die Rolle des Europaparlaments als Hort der europäischen Debatte und stellte sich der Diskussion mit den Abgeordneten. Doch hinter den Kulissen brodelt's.
Macron arbeitet derzeit daran, seine neue Bewegung "En Marche" auch in anderen Staaten zu etablieren.
Sein Ziel: Bei der Europawahl 2019 mit einer eigenen Bewegung, einer Art "L'Europe en Marche" anzutreten. Das weckt Unmut bei den etablierten Parteien – rechts und links.
Fazit: Wilder nicht in Nachbars Garten. Das gilt auch in der Politik.
Mit Applaus wurde Emmanuel Macron im Parlament begrüßt. Nur vor einzelnen Abgeordneten prangte ein Schild "Hands off Syria" – Hände weg von Syrien.
Macron hatte nach dem Chlorgaseinsatz in Syrien als Erster von einer "roten Linie" gesprochen. Nach den Luftangriffen vom Wochenende rühmte er sich dafür, US-Präsident Donald Trump von waghalsigeren Plänen abgehalten zu haben.
Das Kalkül: Gegenüber dem unkalkulierbar twitternden Trump gibt sich Macron als berechenbarer Leader of the pack des Westens.
Die Gefahr: Alleingänge. Zu einer Syrien-Friedenskonferenz lud Frankreichs Regierung die Regionalmacht Saudi-Arabien, Syriens Schutzmächte Iran und Russland sowie die USA und Großbritannien. Nicht aber die EU oder die UN.
Fazit: Klassisches überkommenes Großmacht-Denken. Fast wie im 19. Jahrhundert. Eine gemeinsame europäische Politik sieht anders aus.