Westliche Einheiten haben in der Nacht auf Samstag einen Angriff gegen Syrien gestartet. Wer beteiligte sich an der Militäraktion? Was genau wurde bombardiert – und warum? Und was ist seitdem passiert? Eine Übersicht.
Der Militärschlag dauerte eine Stunde, rund 100 Raketen feuerten die USA, Großbritannien und Frankreich auf Gebäude in Syrien ab. Ziel war die Zerstörung von Forschungseinrichtungen und Depots für Chemie-Waffen.
US-Präsident Donald Trump sagte am Freitagabend in einer Rede an die Nation, die Angriffe seien die Antwort auf den Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad gegen das eigene Volk. Begonnen hatte die Eskalation mit einem mutmaßlichen Giftgasangriff auf die letzte damals noch von Rebellen kontrollierte Stadt Duma in der Region Ost-Ghuta am 7. April.
Dabei sollen der Hilfsorganisation Weißhelme zufolge mindestens 42 Menschen getötet worden sein. Mehr als 500 Personen wurden demnach in Krankenhäusern behandelt. Experten der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wollten am Samstag in Duma untersuchen, ob dort tatsächlich Chemiewaffen eingesetzt wurden. Ihr Auftrag lautet jedoch nicht, die Verantwortlichen zu ermitteln.
Die Angriffe sind nach Angaben aus Paris in schneller und enger Zusammenarbeit der USA, Frankreichs und Großbritanniens beschlossen worden. Man sei sich sehr schnell über die Ziele einig gewesen, hieß es am Samstag aus Diplomatenkreisen. Man habe sich auf Lager- und Produktionsstätten chemischer Waffen konzentriert. Französische Diplomaten sprachen von einer komplexen Operation. Sie habe eine intensive Koordination verlangt, denn die Geschosse seien von verschiedenen Standorten abgefeuert worden.
Nach US-Angaben waren dies ein Forschungszentrum bei Damaskus, eine mutmaßliche Lagerstätte für chemische Waffen sowie eine Kommandoeinrichtung bei Homs. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge wurde der Militärflughafen Dumair östlich von Damaskus angegriffen. Von dort sollen Helikopter den Giftgasangriff vor einer Woche ausführt haben. Außerdem sollen dort Kampfjets gestartet sein, die für zahlreiche Bombardements verantwortlich sein sollen.
Ein Gebäude einer Forschungseinrichtung nördlich von Damaskus wurde der syrischen Armeeführung zufolge beschädigt. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete später, es sei zerstört worden. Hier sollen Chemiewaffen entwickelt worden sein. In einem Depot westlich der Stadt Homs lagerte dem US-Militär zufolge der chemische Kampfstoff Sarin. Nach US-Angaben soll es sich auch um eine Kommandozentrale gehandelt haben. Auch dieses Gebäude wurde angegriffen.
Der Angriff erfolgte mit Marschflugkörpern, die von Kampfjets, Bombern und Schiffen aus gestartet sind. Diese sogenannten Cruise Missiles treffen ein zuvor programmiertes Ziel automatisch. Ihre Reichweite beträgt bis zu 2500 Kilometer. Briten und Franzosen setzen auf ein gemeinsam entwickeltes Modell mit Namen "Storm Shadow" oder "Scalp". Es kann von Kampfjets wie dem Tornado oder der französischen Rafale abgefeuert werden.Weitere Marschflugkörper feuerten die USA nach eigenen Angaben von vierstrahligen B-1-Bombern ab. Großbritannien war mit mehreren Tornados an dem Militärschlag beteiligt, der Kampfjet ist seit 1981 auch bei der Bundeswehr im Einsatz. Die Franzosen setzten insgesamt neun Jagdbomber von den Typen Rafale und Mirage ein.
Mindestens ein im Roten Meer stationiertes Kriegsschiff der US-Marine war nach Medienberichten an den Luftschlägen beteiligt, die Zerstörer können Dutzende "Cruise Missiles" transportieren. Von Fregatten aus feuerte die französische Marine weitere Marschflugkörper ab. Nach Angaben aus Paris können die für den Einsatz auf See entwickelten Raketen mehrere hundert Kilometer zurücklegen, ihre genaue Reichweite ist geheim.
Das amerikanische Verteidigungsministerium erklärte am Samstag, bei den Luftangriffen sei "erfolgreich jedes Ziel getroffen" worden. Zuvor hatte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bereits verkündet, das syrische Chemiewaffen-Arsenal sei bei den Angriffen "zu einem großen Teil" zerstört worden. Auch US-Präsident Trump lobte die Ausführung des Militärschlags und erklärte: "Mission erfolgreich!"
Die russische Regierung sprach hingegen davon, dass die syrische Luftabwehr einen großen Teil der Raketen erfolgreich abgelenkt hätte.
Syrien bezeichnete den Militärschlag als Verstoß gegen internationales Recht. Der syrische Präsident Baschar Al-Assad sagte laut einer Meldung der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana: "Die Aggression wird Syrien und die Syrer noch entschlossener machen, weiterzukämpfen und den Terror in jedem Teil des Landes zu zerschlagen." Er spielte damit auf den Kampf gegen Rebellen in dem Land an.
Syriens wichtigste Verbündete Iran und Russland bezeichneten die Luftschläge als Verstoß gegen internationale Vorschriften. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach von einem Bruch des Völkerrechts. Die USA würden mit dem Angriff die humanitäre Katastrophe in Syrien weiter verschlimmern und "eine neue Flüchtlingswelle provozieren". Die Eskalation könne eine verheerende Auswirkung auf die gesamten Internationalen Beziehungen haben, sagte Putin weiter.
Im syrischen Fernsehen liefen außerdem Szenen, die syrische Menschen beim Jubeln über einen "fehlgeschlagenen Angriff" zeigten. Die syrische Armee verkündete später, sie habe Ost-Ghuta komplett eingenommen.
Russland ist im Uno-Sicherheitsrat mit dem Versuch gescheitert, eine Verurteilung der westlichen Raketenangriffe in Syrien zu erreichen. Bei einer Dringlichkeitssitzung des wichtigsten Uno-Gremiums stimmten am Samstag nur drei von 15 Mitgliedstaaten für einen entsprechenden russischen Resolutionsentwurf. Neben Russland waren das China und Bolivien. Acht Staaten stimmten dagegen, vier enthielten sich.
In dem Resolutionsentwurf wurden die Raketenangriffe der USA, Frankreichs und Grossbritanniens auf Ziele in Syrien als "Aggression" und als "Verletzung des Völkerrechts und der Uno-Charta" bezeichnet. Der Entwurf hatte von Anfang an keine Chance, zumal die USA, Frankreich und Großbritannien als ständige Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates ein Vetorecht haben.
Die von Washington betriebene Eskalation destabilisiere den gesamten Nahen Osten. Unverhohlen ignorierten die USA und ihre Verbündeten internationales Recht, sagte Tschurkin. Dies sei "neokoloniales Auftreten" und erinnere an das Verhalten von "Hooligans". Der Sicherheitsrat werde völlig ignoriert, seine Autorität unterminiert.
Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley hingegen bezeichnete den Einsatz als legitim und angemessen. "Zivile Opfer wurden sorgfältig vermieden", sagte sie. "Dies war keine Rache oder Vergeltung und keine Demonstration der Stärke", erklärte Haley. Stattdessen hätten die USA und ihre Alliierten die syrische Regierung zur Verantwortung für den Einsatz chemischer Waffen gezogen. Die Bilder toter Kinder nach dem Einsatz chemischer Waffen in der Stadt Duma vor einer Woche seien keine gefälschten Nachrichten gewesen.
Haley warf Russland eine Desinformationskampagne vor. "Eine Woche des Nichtstuns ist vergangen", sagte Haley. Dieses Nichtstun habe in der Nacht geendet. Die Diplomatie habe Chance um Chance gehabt, aber Russland habe sechsmal sein Veto gegen eine gemeinsame Resolution eingelegt. Diese Vetos seien für Syrien das grüne Licht für seine barbarischen Aktionen gewesen. Das Scheitern in Syrien sei die Verantwortung Russlands
Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte den Militäreinsatz der drei Nato-Verbündeten am Samstag. "Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen", erklärte sie. Ziel der gezielten Luftschläge sei es gewesen, "die Fähigkeit des Regimes zum Chemiewaffeneinsatz zu beschneiden und es von weiteren Verstößen gegen die Chemiewaffenkonvention abzuhalten".
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat vor einer Eskalation der Syrienkrise mit unabsehbaren Folgen gewarnt. "Wir haben ein gemeinsames Ziel, jede Gewalteskalation zu vermeiden, die die Syrienkrise in einen größeren regionalen Konflikt verwandeln könnte - mit unkalkulierbaren Folgen für den Nahen Osten und sogar die ganze Welt", sagte Mogherini am Samstag im Namen der 28 EU-Staaten. Der Konflikt könne nur auf politischem Wege gelöst werden.
Sie sagte weiter, die Angriffe der USA, Frankreichs und Großbritanniens seien allein mit dem Ziel ausgeführt worden, den weiteren Einsatz chemischer Waffen durch die syrische Regierung gegen das eigene Volk zu verhindern. "Die EU unterstützt alle Bemühungen zur Verhinderung von Chemiewaffeneinsätzen."
Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen will ihre Untersuchung zum mutmaßlichen Einsatz von Giftgas im syrischen Duma trotz des Militärschlags fortsetzen. Das teilte die OPCW am Samstag in Den Haag mit.
Der französische Außenminister erklärte außerdem, in der Chemiewaffen-Frage gebe es eine "rote Linie, die man nicht überschreiten darf." Falls diese Linie erneut überschritten werde, "würde es eine weitere Intervention geben".
Ähnlich äußerte sich auch Nikki Haley bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Samstag. Die USA seien im Falle eines erneuten Chemiewaffenangriffs in Syrien zu weiteren Luftangriffen bereit. Sollten die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad nochmals Giftgas einsetzen, werde das US-Militär mit neuen Angriffen reagieren. Haley sagte: "Wenn unser Präsident eine rote Linie zieht, dann verschafft unser Präsident dieser roten Linie Geltung."
Am Samstagabend gab es zudem Berichte über eine schwere Explosion in Nordsyrien. Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten wurde ein Gebiet im Norden Syriens erschüttert, in dem iranische Truppen stationiert sind. Es blieb zunächst unklar, was die Detonation in der Provinz Aleppo am Samstagabend auslöste, wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete. Es könne sich zum Beispiel um eine Explosion in einem Waffendepot oder um einen Luftangriff gehandelt haben. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien stützt sich auf ein Netz von Informanten in Syrien.
Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Tasnim meldete am Abend ebenfalls, dass ein unbekanntes Kampfflugzeug eine Lagerhalle südlich von Aleppo attackiert habe. "Es kam zu einer enormen Explosion", schrieb Tasnim auf Twitter. Es soll sich um die Basis von Azzan handeln, sie gilt als wichtigste Militäreinrichtung des Iran in der Region Aleppo. Hier sind sowohl Mitglieder der Revolutionsgarden als auch iranisch-geführte Milizen aus Afghanistan, dem Irak und Pakistan untergebracht.
(fh/dpa/ap/afp/t-online)