In einem Punkt hat der russische Präsident Wladimir Putin durchaus Recht. Die USA, Großbritannien und Frankreich haben eigenmächtig losgeschlagen.
Kein UN-Mandat gab es für den Angriff auf
Syrien in der Nacht zum Samstag, auch die Beweise der unabhängigen Spezialisten
der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wollten Trump und seine
Alliierten nicht abwarten.
Da hilft es kaum, dass die Empirie klar gegen
das Regime von Syriens Machthaber Baschar al-Assad spricht. Zahlreiche Angriffe
mit chemischen Giftstoffen haben die OPCW und Human Rights Watch in den vergangenen
Jahren bereits nachweisen können. Trotzdem: Rechtsbruch bleibt Rechtsbruch – und das ist durchaus ein großer Teil des Problems. (siehe Frage 3)
Es ist außerdem nicht der erste Angriff westlicher Staaten im Alleingang.
Zwei Beispiele:
Ebenfalls keine ganz neue Situation: Verschiedene Konkurrenten tummeln sich auf einem Kriegsgebiet. In Syrien herrscht seit Jahren ein "Battle Royale: Jeder gegen Jeden" und seit Jahren befürchten Experten schwerwiegende Zwischenfälle zwischen beteiligten Großmächten.
Aber so offen wie heute haben die USA und ihre Alliierten auf der einen Seite und Russland, Iran und Assad auf der anderen Seite ihren Konflikt noch nie ausgetragen.
Drei Fragen drängen sich nach dem Bombardement von Syrien auf:
Das lässt sich schnell beantworten: Nein.
Zwei direkte Folgen kann der Angriff für Syrien haben.
Die Situation wird also alles andere als entschärft: Die Luftangriffe könnten mehrere Konfliktparteien ermutigen, erneut in die Offensive zu gehen. Diese Eskalation würde eine
politische Lösung, an der vermeintlich so viele interessiert sind, in weite Ferne rücken lassen.
Don't panic, wir stehen noch nicht am Rand eines großen Kriegs. Klar, der russische Präsident muss den Angriff verurteilen und droht mit Gegenmaßnahmen. Gleichzeitig war er es aber, der den
Uno-Sicherheitsrat einberufen will. Ein politisch geradezu besonnener Schritt für einen Mann wie Putin.
Das mag Gründe haben: Vielleicht hat der mutmaßliche Giftgas-Angriff Russland stärker isoliert, als man denken würde. Der Westen, Saudi-Arabien, die Türkei – alle machen sie den syrischen Diktator und Verbündeten Russlands verantwortlich. Gleichzeitig schrieb die "Times", dass seit 15 Jahren kein so großer US-Flottenverband mehr Richtung Mittelmeer unterwegs war wie gerade.
Verbündete aus den arabischen Staaten, Israel und der Türkei haben hier eine
breite Koalition gebildet und sich auf die Seite der USA gestellt. Ob Donald Trump das nun beabsichtigte oder nicht. Putin ist ein Meister darin, Grenzen zu testen – mit
List, Manipulation und Technologie. Diese neue Allianz und die Angriffe vom Wochenende zeigen ihm jetzt aber eine Grenze auf, die sich gar nicht so einfach austesten lässt.
Gleichzeitig betonte die britische Premierministerin Theresa
May, es gehe bei dem Angriff nicht um den Regime-Wechsel oder darum, in den
Bürgerkrieg einzugreifen. Auch der französische Präsident Emmanuel
Macron hatte noch am Freitag mit Putin telefoniert, vermutlich um ihn auf das
Kommende vorzubereiten. Die Staatsoberhäupter sind also daran interessiert, die Lage nicht außer Kontrolle geraten zu lassen. Auch Trump selbst spricht bereits von "Mission Accomplished", "Mission erfüllt" also. Es handelte sich eher um einen ausgesprochen lauten Warnschuss.
Die Situation scheint düster, aber sie ist Ausdruck geopolitischer Machtinteressen. Sie erzeugt einen Status Quo, sie zerstört ihn nicht. Bisher zumindest sitzt niemand an seinem "großen roten Knopf", wie Donald Trump einmal twitterte.
Ja, aber nicht erst seit heute. Die eingangs erwähnten Alleingänge sowohl im Westen als auch im Osten werfen ein düsteres Licht auf die internationalen Beziehungen.
Wer internationale Verträge nicht achtet, und wer internationale Gremien zur Konfliktlösung aus Eigeninteresse boykottiert, der beweist ein ums andere mal: Die internationale Gemeinschaft hat im Zweifel kaum Möglichkeiten, um ihre Mitglieder rechtlich zu binden.
Gleichzeitig ist es auch abwegig, den kalten Krieg zwischen Russland und den USA wieder herbeizureden. Denn dann gäbe es immerhin ein klares Gleichgewicht zwischen zwei großen Gegnern. Nichts könnte weiter weg von der Realität sein. Mit zahlreichen anderen mächtigen Staaten ist längst eine Welt entstanden, in der jederzeit einer der "Mächtigen" für Probleme sorgen kann.
Sanktionen auf der einen und Anreize auf der anderen haben es etwa nicht geschafft, das Verhalten Russlands zu ändern. Nordkorea scheucht die Staaten vor sich her. Der Iran ist nicht nur Nuklear-, sondern auch Hacker-Großmacht.
Vielleicht liegt auch darin einer der Gründe, warum die aktuelle Machtdemonstration in den Augen mancher Staaten notwendig geworden ist. Um irgendeine Art der Ordnung wieder herzustellen.
Wo aber kein systematischer Rahmen existiert, können Staaten immer wieder willkürlich handeln, und Konflikte wie der in Syrien können sich immer wieder aufschaukeln. Eine Gefahr, die die internationale Gemeinschaft nicht ausräumen kann.
Langfristig lassen sich diese Probleme vermutlich nur von innen lösen, denn um eine Phrase zu bemühen: Außenpolitik ist immer die Fortsetzung der innenpolitischen Verhältnisse. Nur zuverlässige Politiker halten sich an Regeln, und nur die Bürger in den Einzelstaaten können dafür sorgen, dass diese an die Macht kommen.