Wie glaubwürdig ist Saudi-Arabiens Geständnis im Fall des getöteten Journalisten?
20.10.2018, 18:37
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Der Tod von Journalist Khashoggi sei nicht geplant gewesen, und der
Thronfolger habe von nichts gewusst, beteuern die Saudis. Wie
glaubwürdig ist das – und wer sind die Männer, die jetzt den Kopf
hinhalten sollen?
Vergangenen Sommer schrieb Saud al-Kahtani, ein hoher
Medienberater des saudischen Königshauses, auf seinem offiziellen
Twitterprofil: "Glauben Sie, ich könnte einfach auf eigene Faust ohne
Anweisungen handeln? Ich bin ein Angestellter und ehrlicher
Vollstrecker der Befehle von meinem Herren, dem König, und seiner
Hoheit dem Kronprinz".
Al-Kahtani wurde in der Nacht zum Samstag
entlassen und wird offensichtlich als Mitverantwortlicher für die
Tötung des Journalisten Jamal Khashoggi präsentiert. Er soll genau
das gemacht haben, was er in seinem Tweet als unmöglich
darstellt: Ohne Wissen von Kronprinz Mohammed zu handeln.
Der Journalist Jamal Khashoggi schrieb unter anderem für die "Washington Post": Der Dissident starb unter noch nicht vollständig geklärten Umständen im saudischen Konsulat in Istanbul.Bild: AP
Der Tweet Al-Kahtanis vom August 2017 verbreitete sich am Samstag
rasant, nachdem Saudi-Arabien eingestanden hatte, Khashoggi sei in
seinem Istanbuler Konsulat getötet worden. Und er zeigt, welches
Problem die Herrscher haben: Ihre Version des Verbrechens, die die
Königsfamilie entlasten soll, erscheint vielen unglaubwürdig.
Das neue Narrativ, das Riad in der Nacht über seine Staatsmedien
verbreitete und von dem unter anderem die "New York Times" Einzelheiten berichtet, geht so: Ein Team von 15 Männern habe sich
Anfang Oktober auf den Weg nach Istanbul gemacht, um den prominenten
Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat zu treffen.
Der im Exil lebende Kolumnist der "Washington Post" hatte dort einen
Termin, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen. Doch die Männer
wollten ihn in seine Heimat "zurückbringen" – was wohl ein
beschönigender Ausdruck für eine Entführung sein dürfte. Dabei, so
die Darstellung, sei es im Konsulat zu einer Prügelei mit den Männern
gekommen, in deren Folge der Dissident starb.
Türkische Ermittler duchsuchen die Residenz des saudi-arabischen Konsuls in Istanbul: Mohammad al-Otaibi hat sich nach Riad abgesetzt. Khashoggi soll in seiner Anwesenheit ermordet worden sein.Bild: Faisal AlNasser/Reuters
Die "New York Times" zitierte eine saudische Regierungsquelle damit,
dass für die schiefgegangene Operation zwei Männer verantwortlich
seien. Demnach habe der – nun ebenfalls entlassene – Vize-Geheimdienstchef Ahmed al-Asiri sie angeordnet. Medienberater
Al-Kahtani sei Mitwisser gewesen und habe zu einem "aggressiven
Umfeld beigetragen, das eine gewalttätige Eskalation ermöglichte."
Beide sind wichtige Berater von Mohammed bin Salman und stiegen mit
ihm die Karriereleiter hinauf. Al-Asiri wurde durch seine Rolle als
Sprecher der arabischen Militärkoalition beim Einsatz im Jemen
bekannt – dort diente er unter Verteidigungsminister Mohammed bin
Salman. Als dieser zum Kronprinz ernannt wurde, beförderte er
Al-Asiri zum stellvertretenden Geheimdienstchef. Al-Kahtani machte
sich derweil als Leiter aggressiver Medienkampagnen gegen Kritiker
Saudi-Arabiens einen Namen.
Einer der Beschuldigten, gilt als extrem loyal gegenüber der saudischen Führung: Ahmed al-Asiri war bislang Vize-Geheimdienstchef.Bild: Faisal AlNasser/Reuters
Beide Männer gelten als extrem loyal ihrem Chef gegenüber.
So treu,
glauben Experten, dass sie sich sogar zu Sündenböcken in einem
Mordfall machen lassen würden. Denn die Spitze der Königsfamilie, so
verbreiten es saudische Medien, habe von der Operation in Istanbul
gar nichts gewusst. Angesichts des immensen internationalen Drucks
muss das Herrscherhaus eine Version des Mordes vorlegen, die
Kronprinz und König schützt und drohende Sanktionen vor allem der
Vereinigten Staaten abwendet.
Doch man muss schon einiges an Fantasie aufbringen, um die
Darstellung der Saudis zu glauben. Zunächst einmal widerspricht sie
einer Reihe von durchgesickerten Ermittlungsergebnissen der
türkischen Behörden. Diese hatten schon kurz nach dem Verschwinden
Khashoggis von einem Tötungsteam gesprochen, das gezielt für den Mord
nach Istanbul geflogen war. Von der Tötung selbst soll es einen
Audiomitschnitt geben, der aber bislang nicht veröffentlicht wurde.
Auch scheint es unmöglich, dass Thronfolger Mohammed nichts von einem
Einsatz mitbekommen haben soll. Unter seiner absolutistischen
Herrschaft laufen die Fäden des Machtapparats in seinen Händen
zusammen. In Riad will sich niemand den berüchtigten Zorn Mohammeds
zuziehen - schon gar nicht mit einer Geheimoperation gegen einen der
bekanntesten Journalisten des Landes hinter dem Rücken des Prinzen.
Und selbst wenn dies so geschehen wäre, erklärt es nicht, warum unter
den 15 Männern auf einer Entführungsmission ein Forensiker war. Salah
Mohammed al-Tubaigi, ein Experte im Umgang mit Leichen, ist von der
Türkei und in Medienberichten als ein Mitglied des Teams enttarnt
worden. Seine Beteiligung macht für Beobachter nur Sinn, wenn ein
Mord von vorneherein geplant war.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman: Viele zweifeln daran, dass er von nichts gewusst haben will.Bild: imago stock&people
Einer Reihe weiterer Mitglieder des saudischen Teams ist die Nähe zu Kronprinz Mohammed nachgewiesen worden. So sind mindestens vier von
ihnen mit dem Prinzen auf Auslandsreisen gefahren. Und am Ende
bleiben da auch noch offene Fragen, von denen eine heraussticht:
Wo ist die Leiche Khashoggis?
Die saudischen Behörden hatten ihre Version des Verschwindens von
Jamal Khashoggi immer wieder geändert. Auch Kronprinz Mohammed selbst
sagte dem Nachrichtendienst Bloomberg: "Soweit ich weiß, ist er (in
das Konsulat) rein gegagnen und hat es nach einigen Minuten oder
einer Stunde wieder verlassen. Ich bin nicht sicher."
Nun kommt es vor allem darauf an, ob US-Präsident Donald Trump die
neue Erklärung akzeptiert. Trump hatte mehrfach gesagt, er wolle
seinem Land mit wirtschaftlichen Strafen gegen die Ölmonarchie nicht
selber schaden. Direkt nach der Erklärung sendete er bereits erste
Zeichen der Entspannung und sagte: "Es ist nur ein erster Schritt,
aber es ist ein großer erster Schritt". Auch wenn es noch einige
Fragen gebe. Zudem dürfte auch die US-Regierung die offiziellen
Ermittlungsergebnisse der Türkei mit Spannung erwarten.
Könnten die Verbündeten also bald wieder zum "Business as usual" übergehen? Die saudische Führung jedenfalls ließ wenig Zweifel daran,
dass sie nach den Entlassungen und insgesamt 18 Festnahmen so
weitermachen wolle wie bislang. Die staatliche saudische
Nachrichtenagentur Spa berichtete, nach der "bedauerlichen und
schmerzhaften" Entwicklung im Fall Khashoggi werde der Geheimdienst
neu strukturiert. Verantwortlich dafür ist Mohammed bin Salman.
(hd/dpa)
Lustiger ist das: Alles, was ihr noch zur Bayern-Wahl wissen müsst.