Traurige Gewissheit: Mehr als zwei Wochen nach dem mysteriösen Verschwinden des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi hat Saudi-Arabien den Tod des Regimekritikers eingeräumt.
18 saudische Staatsangehörige seien festgenommen worden, darunter auch der Vizechef des Geheimdienstes. Die Ermittlungen zu der "bedauerlichen und schmerzhaften" Entwicklung liefen.
Mit der Stellungnahme versucht die saudische Regierung offenbar, Kronprinz Mohammed bin Salman aus der Schusslinie zu nehmen. Eine Verbindung zu der Tat könnte dem 33-jährigen starken Mann des Wüstenstaates, der unter heftigem Druck steht, sehr schaden. Saudische oder den Saudis nahe stehende Medien berichteten unter Verweis auf Sicherheitskreise dann auch, der Thronfolger habe von einer Operation im Konsulat nichts gewusst.
Das Eingeständnis aus Riad dürfte auch auf wachsenden Druck von US-Präsident Donald Trump zurückgehen, einem der wichtigsten Verbündeten des Königshauses. Trump hatte zuletzt eine "schwere Bestrafung" für den Fall angekündigt, dass Saudi-Arabien für den Tod Khashoggis verantwortlich sein sollte.
Trump begrüßte die Festnahmen in Saudi-Arabien, hält den Fall aber noch nicht für restlos aufgeklärt.
Trump wollte keine öffentlichen Zweifel an der offiziellen Darstellung Saudi-Arabiens zum Tod Khashoggis äußern, betonte aber auch: "Wir haben einige Fragen." Er wolle deshalb mit Kronprinz Mohammed bin Salman sprechen.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich "zutiefst beunruhigt" zum Tod Kashoggis und kondolierte der Familie des Journalisten. "Der Generalsekretär verweist auf die Notwendigkeit einer sofortigen, gründlichen und transparenten Untersuchung der Todesumstände", sagte sein Sprecher Stephane Dujarric. Zudem müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.
Der im US-Exil lebende Regierungskritiker Khashoggi hatte am 2. Oktober das saudische Konsulat in Istanbul betreten, um Papiere für seine Hochzeit mit einer Türkin abzuholen. Er ist seitdem verschwunden. Türkische Regierungs- und Geheimdienstkreise streuten die These, dass Khashoggi im Konsulat getötet worden sei. Riad hatte diese Vorwürfe bis jetzt vehement bestritten. Der Journalist hatte auch Kolumnen für die "Washington Post" verfasst.
Spa zufolge war "der Verdächtige" – dessen Identität nicht aufgeklärt wird – nach Istanbul gereist, um Khashoggi zu treffen. Es habe Anzeichen gegeben, dass dieser möglicherweise zurück nach Saudi-Arabien zurückgehen werde. Das Treffen im Konsulat allerdings sei nicht wie erwartet verlaufen und endete in Khashoggis Tod. Die Täter hätten danach versucht, die Tötung zu vertuschen. Türkische Ermittler gingen von einem 15-köpfigen saudischen Spezialkommando aus, das für den Mord an dem dem Journalisten in die Türkei reise.
Am Freitag hatte die türkische Staatsanwaltschaft Angestellte des saudischen Konsulats als Zeugen vorgeladen. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, es handele es sich um 15 Türken, unter ihnen ein Fahrer, ein Buchhalter und ein Techniker des Konsulats.
Gleichzeitig hielt die Regierung in Ankara angeblich existierende Beweise für den Mord weiter unter Verschluss. Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte am Freitag, dass die Türkei die seit Tagen von Regierungsmitgliedern anonym zitierten Audiobänder von der angeblichen Ermordung des saudischen Regimekritikers bisher nicht an die USA weitergegeben habe.
Medienberichten zufolge soll auf den Bändern zu hören sein, wie Khashoggi gefoltert und ermordet wird. Laut US-Medien wurde Pompeo bei einem Besuch in Ankara am Mittwoch eine entsprechende Audioaufnahme vorgespielt und eine Abschrift vorgelegt. Pompeo bestritt dies aber. Trump hatte zuvor gefordert, die Audioaufnahme zu bekommen, "wenn sie existiert".
Das Weiße Haus äußerte sich in einer ersten Stellungnahme nicht zu möglichen Konsequenzen für Saudi-Arabien. In einer Mitteilung hieß es am Freitagabend: "Die Vereinigten Staaten nehmen die Mitteilung des Königreichs Saudi-Arabien zur Kenntnis, dass seine Ermittlungen zum Schicksal von Jamal Kashoggi voranschreiten und dass es gegen die bislang identifizierten Verdächtigen vorgeht."
Der republikanische US-Senator Lindsay Graham meldete unterdessen Zweifel an der Darstellung an. "Es wäre eine Untertreibung zu sagen, dass ich der neuen saudischen Schilderung zum Tod Herrn Khashoggis skeptisch gegenüberstehe", teilte Graham auf Twitter mit. Der US-Kongressabgeordnete Eric Swalwell forderte Saudi-Arabien auf, den Verbleib der Leiche Khashoggis aufzuklären.
Saudi-Arabien hatte seine Gangart mit Kritikern in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Unter der rigiden Herrschaft von Kronprinz Mohammed bin Salman wurden zahlreiche Aktivisten, Kleriker, Geschäftsleute oder Frauenrechtler eingesperrt. Auch im Ausland verschwanden nach Medienberichten mindestens drei kritische Angehörige der Königsfamilie. Es gibt Hinweise darauf, dass sie ins Königreich verschleppt wurden.
Auch außenpolitisch tritt die Monarchie unter dem Thronfolger deutlich aggressiver auf. Er gilt unter anderem als Initiator der Blockade des Nachbaremirats Katar von 2017, der Festsetzung des libanesischen Ministerpräsidenten Saad Hariri vergangenes Jahr und der Eskalation im Jemen-Krieg mit Zehntausenden Toten.
(mbi/dpa/afp/reuters/tol)