Russische Truppen bombardieren Pokrowsk in der ostukrainischen Region Donezk täglich. Die ukrainische Armee spricht vom heftigsten Vorstoß an der gesamten Frontlinie. Wie schlecht es nun um Pokrowsk steht, zeigt ein aktueller Bericht.
Was sich dort abspielt, erinnert viele an das Schicksal von Bachmut – eine Stadt, die nicht nur für in ihr begangene, grausame Kriegsverbrechen bekannt ist, sondern auch für pure Zerstörung.
39 Angriffe an einem einzigen Tag – das meldete der ukrainische Generalstab am 21. April. Kein anderer Abschnitt an der Frontlinie sei derzeit stärker unter Beschuss als Pokrowsk.
Wie das russische Militär dort operiert, erinnert fatal an die Offensive gegen Bachmut: Erst vor wenigen Wochen verlegte Russland Truppen aus dem nahegelegenen Torezk in Richtung Pokrowsk, wie das russische Exil-Medium "Meduza" berichtete. Dafür zog Russland Kräfte aus dem nahegelegenen Torezk ab – was es der Ukraine ermöglichte, dort Gelände zurückzuerobern.
Doch für Pokrowsk bedeutete dies eine neue Dimension der Gewalt. "Die KABs löschen Viertel für Viertel aus, 30 bis 60 Einschläge am Tag", schildert der ukrainische Fotograf Konstantin Liberow, der Anfang April in der Stadt war, bei "Meduza". KABs sind lenkbare Fliegerbomben mit enormer Sprengkraft – sie hinterlassen Trümmer, Krater und Leichen.
"Pokrowsk wird buchstäblich zerlegt", sagte ein ukrainischer Offizier mit dem Funknamen "Alex" laut der Nachrichtenagentur Unian.
Die russischen Streitkräfte setzen dabei neben Artillerie und Bomben auch moderne Drohnentechnologie ein. Über der Stadt kreisen unaufhörlich Aufklärungs- und Kampfdrohnen – einige davon sollen über Glasfaser gesteuert werden. Laut Liberow geht davon eine besondere Gefahr aus: "Es ist eine beängstigende Stille. Sobald du etwas am Himmel hörst, duckst du dich und betest, dass sie dich nicht sehen."
Das amerikanische Magazin "Forbes" sprach Mitte April in einem Bericht von einer "Mauer aus Drohnen", auf die die russischen Truppen bei ihrem Vorstoß stießen. Die ukrainischen Streitkräfte nutzen Pokrowsk als zentralen Logistikpunkt für ihre Truppen in der Region. Auch viele Drohnenoperator:innen sind dort stationiert – sie konnten das Vorrücken der Russen bisher zumindest verlangsamen.
Vor dem Krieg lebten in Pokrowsk rund 46.000 Menschen. Heute sind es noch etwa 2.000. Viele harren aus – trotz Bomben, trotz Hunger, trotz Leichen auf den Straßen. "Wohin sollen wir gehen? So ist es doch überall", zitierten Reporter:innen Menschen, die sich in Kellern verstecken.
Die Evakuierungen sind schwierig und gefährlich. Zuständig ist das ukrainische Polizeispezialkommando Weiße Engel. Sie holen Menschen aus den zerstörten Häusern, oft unter Granatfeuer. "Die Evakuierung läuft unter Explosionen und den Gebeten der Frauen", berichtete die regionale Polizei. Und sie bergen auch die Toten.
"Du gehst durch die Straßen. Und dieser Geruch – der Geruch von toten Menschen – ist unverkennbar", so beschrieb es etwa der Fotograf Liberow gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender Suspilne.
Auch in einem Instagram-Post äußerte er sich:
Unter den letzten Verbliebenen in Pokrowsk sind laut Liberow viele, die bereits zum zweiten oder dritten Mal fliehen mussten – aus Bachmut oder aus Awdijiwka. "Das sind Menschen ohne Hoffnung." Dennoch gelingt es dem Team der Weißen Engel hin und wieder, Menschen zum Gehen zu bewegen.