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Russland-Drohnen über Polen: Nato-Expertin sieht gefährliches Muster

dpatopbilder - 10.09.2025, Polen, Wohyn: In diesem Videostandbild sichern Einsatzkräfte von Polizei und Militärpolizei Teile einer beschädigten Drohne, das von polnischen Behörden abgeschossen wurde.  ...
Polen, Wohyn: Einsatzkräfte von Polizei und Militärpolizei sicherten Teile einer beschädigten Drohne.Bild: AP / Rafal Niedzielski
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Drohnen über Polen: Sicherheitsexpertin sieht neue Gefahr für den Westen

Russische Drohnen über Polen sind kein Zufall, sagt Sicherheitsexpertin Claudia Major. Für sie ist der Vorfall Teil einer gefährlichen Strategie: Moskau testet die Nato immer wieder. Richtiges Handeln ist wegen der dahinterliegenden Strategie schwierig.
11.09.2025, 13:3211.09.2025, 13:32
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"Es gibt in dieser Grauzone weder richtig Frieden, noch richtig Krieg." Mit diesem Satz beschreibt Claudia Major, Sicherheitsexpertin beim transatlantischen Think Tank German Marshall Fund, die aktuell vielleicht größte Herausforderung für Europa. Denn Russland beschränkt sich nicht auf die Front in der Ukraine. Es testet die Nato. Schön lange. Immer wieder, gezielt und berechnend.

Der jüngste Vorfall zeigt eine neue Eskalationsstufe: Dutzende Drohnen drangen in den polnischen Luftraum ein, wurden von Nato-Jets abgeschossen oder stürzten ab. Ein Akt, der Polens Ministerpräsident Donald Tusk zu einer drastischen Einschätzung veranlasste: "Seit dem Zweiten Weltkrieg ist unser Land noch nie einem offenen Konflikt so nahe gestanden wie jetzt."

10.09.2025, Polen, Wyryki: Ein zerstörtes Hausdach, nachdem russische Drohnen während eines Angriffs auf die Ukraine den polnischen Luftraum verletzt haben. Foto: STR/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Russische Drohnen sollen während eines Angriffs auf die Ukraine den polnischen Luftraum verletzt haben.Bild: AP / STR

Doch für Claudia Major liegt die eigentliche Gefahr nicht in diesem einzelnen Angriff. Sie sieht ein Muster und warnt vor den Konsequenzen, wenn der Westen weiter nur rhetorisch reagiert.

Drohnen in Polen: Laut Sicherheitsexpertin "kein Zufall"

Russlands Darstellung, es habe sich um ein Versehen gehandelt, hält Major für unglaubwürdig, wie sie im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärt: "Die Nato hat die Flugbahn dokumentiert. Es gibt Wrackteile, und deswegen kann man mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass das russische Drohnen waren." Sie glaubt: "Angesichts der großen Zahl war das wahrscheinlich auch kein Zufall."

Russland habe schon beim Abschuss von Flug MH17 oder beim Einmarsch 2014 in der Ostukraine Verantwortung geleugnet. "Deswegen müssen wir davon ausgehen, dass es tatsächlich ein russischer Test gewesen ist."

Besonders alarmierend: Ein Teil der Drohnen nahm Kurs auf den Flughafen Rzeszów, den wichtigsten Umschlagplatz für westliche Waffen- und Hilfslieferungen an die Ukraine. "Das ist natürlich eine Bedrohung", betont Major.

Bundeskanzler Friedrich Merz spricht von einer "neuen Qualität" russischer Angriffe. Er teilt Tusks Einschätzung, dass die Behauptung Moskaus, es habe sich um einen Zufall gehandelt, "nicht glaubhaft" sei.

Für Major fügt sich der Vorfall nahtlos in Russlands Strategie ein: "Seit 2022 hat Russland die Nato-Staaten sehr häufig, um nicht zu sagen regelmäßig, in diesem großen Graubereich zu Krieg und Frieden getestet." Sie verweist auf Cyberangriffe, Desinformationskampagnen, Sabotageakte gegen Infrastruktur oder die sogenannte Schattenflotte.

"Es gibt eigentlich permanent russische Angriffe oder ein Testen durch Russland – wie die westlichen Staaten reagieren, aber auch ein Unterminieren der westlichen Geschlossenheit." Die Vielzahl an Drohnen sei neu, die Logik aber alt: austesten, provozieren, Grenzen verschieben.

Nato zeigt sich geschlossen – aber nur rhetorisch?

Nach dem Vorfall trat der Nato-Rat nach Artikel 4 zusammen. Sogar Länder wie Ungarn und die Slowakei, die bisher oft aus der Reihe tanzten, verurteilten den Angriff klar. Die Geschlossenheit in der rhetorischen Reaktion auf den Vorfall lobt Major. Doch sie sieht auch eine Lücke im tatsächlichen Handeln: "Aus russischer Perspektive könnte man auch sagen: Teste eine große Anzahl von Drohnen, die werden abgeschossen, die Nato ist wirklich entsetzt – aber praktisch verändert sich nichts."

Polens Premier Tusk sprach von mehr als bloßen Solidaritätsbekundungen, doch konkrete Zusagen blieben zumindest offiziell aus.

Für die Sicherheitsexpertin liegt die Schwäche des Westens neben der zu langsamen Aufrüstung offen:

"Es gäbe Entscheidungen, die die Europäer hätten treffen können. Zum Beispiel Sanktionen – die Zahlungen an Russland und die Abnahme von Öl, Gas, LNG zu stoppen, die Luftverteidigung auszuweiten, die ukrainische Flugabwehr zu integrieren, oder der Ukraine erlauben, Drohnenfabriken in Russland zu zerstören."

Doch bislang bleibt es bei Appellen und politischen Symbolen. "Wenn nichts anderes passiert, kann Russland die Lehre ziehen: Sie können beim nächsten Mal noch ein bisschen weiter testen und noch ein bisschen weiter die Linie pushen."

Russland: Putin setzt gezielt auf Grenze zwischen Krieg und Frieden

Das Kernproblem: Russlands Vorgehen bleibt in der Grauzone. "Die Drohne ist eingedrungen, sie sind teilweise auf polnische Häuser gestürzt, das heißt, Gewalt findet statt, hat aber keinen klaren militärischen Charakter. Und es macht es so schwer, darauf zu reagieren."

Ein Panzerübertritt wäre eindeutig, Drohnenflüge oder Sabotage dagegen lassen sich in den Bereich zwischen Krieg und Frieden deuten. "Diese Situation nutzt Russland ganz geschickt aus, ob es jetzt mit Drohnen ist, mit der Schattenflotte oder mit anderen Mitteln der Desinformation", sagt Major im Deutschlandfunk.

Für sie ist die Lehre klar: Wenn Europa weiter nur mit Worten reagiert, riskiert es eine Eskalationsspirale. Russland wird jedes Mal ein Stück weiter gehen – bis eine rote Linie tatsächlich überschritten wird. In dieser Grauzone zwischen Frieden und Krieg bewegt sich Russland. Nach Meinung von Major so lange, bis der Westen einen Preis festlegt, den Moskau wirklich spürt.

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