Am 2. Oktober betritt Dschamal Chaschukdschi das saudische Konsulat in Istanbul, um Papiere für die Hochzeit mit seiner türkischen Verlobten abzuholen. Was dann mit dem saudischen Journalisten geschieht, ist unklar. Er wird vermisst. Der Fall hat sich inzwischen zu einer Staatsaffäre entwickelt, in die sich sogar schon Donald Trump (verbal) eingemischt hat. Nun verleiht ein Zeitungsbericht dem ganzen Thema nochmal neue Brisanz.
Laut der "Washington Post" existieren angeblich Ton- und Videoaufnahmen, die belegen sollen, dass Chaschukdschi vor eineinhalb Wochen im saudischen Konsulat ermordet wurde. Das Blatt, für das Chaschukdschi in der Vergangenheit selbst geschrieben hat, beruft sich dabei auf Informationen türkischer und amerikanischer Offizieller.
Die "Washington Post" zitiert eine anonyme Quelle, die Kenntnis von den Aufnahmen haben soll. Demnach belegen die Bänder, dass Chaschukdschi erst verhört, dann gefoltert und schließlich getötet wurde. Mehreren Offiziellen zufolge sei die Leiche des Journalisten anschließend zerstückelt worden.
Zuvor hatte schon die "New York Times" unter Berufung auf türkische Sicherheitskreise berichtet, dass ein Team saudischer Agenten Chaschukdschi in dem Konsulat getötet, seinen Körper danach mit einer Knochensäge zerstückelt und die Reste mutmaßlich in Koffern aus dem Konsulat geschafft habe.
Als wäre der Fall nicht schon schlimm genug, bringt er auch auf höchster politischer Ebene einige Konflikte mit sich:
Nach Informationen der Zeitung scheut die türkische Seite eine Veröffentlichung der Aufnahmen, um nicht zu offenbaren, wie Einrichtungen ausländischer Staaten in der Türkei ausspioniert werden. Unklar sei deshalb auch, inwiefern amerikanische Stellen das angebliche Beweismaterial bereits einsehen durften. Die türkische Regierung habe US-Regierungsvertretern aber versichert, im Besitz kompromittierender Aufnahmen zu sein, die keinen Zweifel an der Mordthese lassen.
Sollte sich die Türkei tatsächlich Aufnahmen aus dem Innern der Landesvertretung der Regionalmacht Saudi-Arabien verschafft oder diese gar selbst heimlich angefertigt haben, würde der ohnehin bereits zur Staatsaffäre ausgewachsene Fall Chaschukdschi nochmals neue Dimensionen bekommen.
Zwar kündigte das türkische Präsidialamt am Donnerstag die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Saudi-Arabien an, um den Fall "in all seinen Facetten" zu beleuchten und aufzuklären. Skeptiker, die an der Ernsthaftigkeit dieser Absichten zweifeln, dürften sich durch die jüngsten Medienberichte aber bestätigt sehen.
Den schon nach kurzer Zeit von türkischer Seite erhobenen Vorwurf, der Regimekritiker sei im Konsulat ermordet worden, weist Saudi-Arabien zurück. Zudem hat die Führung in Riad eine Aufklärung des Falls versprochen.
Die US-Regierung erhöhte am Donnerstag den Druck auf ihren engen Verbündeten Saudi-Arabien. Zwar weile der saudische Botschafter in den USA derzeit in Riad, sagte Außenministeriumssprecherin Heather Nauert. Allerdings fügte sie hinzu:
Nauert betonte, sie wolle vor dem Abschluss einer Untersuchung keine Schuldzuweisungen treffen. "Wir wissen nicht, was passiert ist", sagte sie. Die US-Regierung sei jedoch "extrem besorgt über die Situation", die größte Aufmerksamkeit auf der höchsten Ebene genieße.
Mehrere republikanische und demokratische US-Senatoren forderten US-Präsident Donald Trump auf zu prüfen, ob in dem Fall eine schwere Menschenrechtsverletzung vorliege und Sanktionen verhängt werden sollten. Hintergrund ist der sogenannte Magnitsky-Akt, der die US-Regierung in solchen Fällen zu Strafmaßnahmen wie Einreisesperren und dem Einfrieren von Vermögen ermächtigt. Die Senatoren forderten Trump auf, dem Auswärtigen Ausschuss in 120 Tagen zu berichten.
US-Präsident Donald Trump sagte dem Sender Fox News am Donnerstag: "Wir wollen herausfinden, was passiert ist." Er nannte das Verschwinden Chaschukdschis "einen furchtbaren, furchtbaren Präzedenzfall". Chaschukdschi sei zwar kein amerikanischer Staatsbürger, "aber in diesem Fall spielt das keine Rolle".
(sg/dpa)